Meinung

Otte und die Werteunion: Rückkehr des Rechtspopulismus in der CDU

Die CDU erlebt seit Jahren einen beispiellosen Niedergang auf bundespolitischer Ebene. Das ruft den tot geglaubten rechtspopulistischen Flügel wieder auf den Plan. Kein Wunder, dass Angela Merkel nicht Ehrenvorsitzende dieser Partei sein will.
von Jonas Jordan · 25. Januar 2022
Anhänger der rechtskonservativen WerteUnion, einer CDU und CSU nahe stehenden Gruppierung.
Anhänger der rechtskonservativen WerteUnion, einer CDU und CSU nahe stehenden Gruppierung.

In einem 2021 erschienen satirischen Roman des Schriftstellers David Safier zieht sich Angela Merkel nach dem Ende ihrer Kanzlerschaft mit einem Mops und ihrem Ehemann in die Uckermark zurück. Dort kocht sie Kartoffelsuppe und backt Kuchen. Vielleicht tut sie das ja wirklich. In jedem Fall scheint sie keinen Wert auf die Gesellschaft von Friedrich Merz zu legen. Dessen Angebot, Ehrenvorsitzende der CDU zu werden, hat sie abgelehnt. Auch die Einladung zu einem Abendessen im Anschluss an den Parteitag am Samstag schlug Merkel aus.

Abschied vom Kurs der Mitte

Ihr Verhalten ist durchaus nachvollziehbar. Denn ihre Partei scheint sich immer mehr vom unter Merkel eingeschlagenen Kurs der politischen Mitte zu verabschieden. Die Sehnsucht nach rechtskonservativer Law-and-Order-Politik ist groß. Auch deswegen hat die Union Friedrich Merz mit so deutlicher Mehrheit zu ihrem Vorsitzenden gewählt.

Denn der Niedergang der CDU auf bundespolitischer Ebene in den vergangenen Jahren ist beispiellos mit Blick auf ihr Abschneiden in der Geschichte der Bundesrepublik. Bereits bei der Bundestagswahl 2017 verloren CDU und CSU zusammen 8,6 Prozentpunkte, vier Jahre später waren es noch einmal 8,8 Prozentpunkte, verbunden mit dem verloren gegangenen Status als stärkste Bundestagsfraktion. Mit Merkel, Annegret Kramp-Karrenbauer, Armin Laschet und nun Merz hat die CDU bereits den vierten Vorsitzenden in vier Jahren.

Zurück in die Zeit ausländerfeindlicher Wahlkämpfe

Unklar ist bei Merz bislang noch, ob er auch Ralph Brinkhaus als Fraktionsvorsitzenden ablösen will. Dann würde er auf eben jenen Posten zurückkehren, den er zuletzt vor 20 Jahren inne hatte, ehe er seinerseits von Merkel abgesägt wurde. In einer Zeit, als es für die Union noch opportun war, mit ausländerfeindlichen Äußerungen Wahlkämpfe zu bestreiten, wie Roland Koch in Hessen und später auch Jürgen Rüttgers in Nordrhein-Westfalen zeigten. In einer Zeit, als Alexander Gauland und Martin Hohmann noch angesehene CDU-Mitglieder waren.

Auch Max Otte gehörte der Partei da schon elf Jahre an, eingetreten ist er 1991. Groß politisch in Erscheinung getreten ist er aber erst mit seinem Beitritt zur Werteunion, deren Vorsitzender er seit dem vergangenen Jahr ist. Otte fiel in der Vergangenheit unter anderem dadurch auf, dass er im Sommer 2019 nach dem Mord an Walter Lübcke „Hetze gegen die rechte Szene“ beklagte. Auch sprach er sich mehrfach für ein mögliches Bündnis der Union mit der AfD aus. Insofern passt es ins Bild, dass diese ihn nun als Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl im Februar nominiert hat. 

Eine bewusste Provokation des rechtspopulistischen Flügels

Führende CDU-Politiker haben nun einen Parteiausschluss Ottes gefordert. Von Friedrich Merz ist bislang noch nichts zu hören. Doch es ist damit zu rechnen, dass er sich dieser Forderung anschließen wird. Gleichzeitig ist Ottes Kandidatur für das Bundespräsidentenamt auf dem Ticket der AfD nur die Spitze des Eisberges. Immerhin hatte die Werteunion Merz noch vor der Nominierung durch die AfD in einer Pressemitteilung aufgefordert, Otte als Kandidaten zu unterstützen. Die Kandidatur ist eine bewusste Provokation des rechtspopulistischen Flügels, deren Ausmaß sich mit jeder Stimme, die Otte aus den Reihen von CDU und CSU erhalten wird, vergrößern dürfte.

Es ist nun an Merz, sich klar von denjenigen in seiner Partei abzugrenzen, die die CDU weit nach rechtsaußen drängen und auf Kuschelkurs mit der AfD liegen. Gleichzeitig sind es diejenigen Leute, die ihn ins Amt gebracht haben und große Hoffnungen auf ihn setzen. Gelingt Merz dieser Spagat zwischen anbiedern und abgrenzen nicht, dürfte seine Zeit im Amt des CDU-Vorsitzenden als kürzestes politisches Comeback in die Geschichte der Bundesrepublik eingehen.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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