Pressekonferenz

Olaf Scholz zur SPD-Kanzlerkandidatur: „Ich will gewinnen!“

Jonas Jordan10. August 2020
Olaf Scholz präsentiert sich siegeshungrig. Er möchte der vierte sozialdemokratische Kanzler in der Geschichte der Bundesrepublik werden.
Olaf Scholz präsentiert sich siegeshungrig. Er möchte der vierte sozialdemokratische Kanzler in der Geschichte der Bundesrepublik werden.
Olaf Scholz will Bundeskanzler werden. Das macht der Vizekanzler am Montagnachmittag in Berlin deutlich und formuliert ehrgeizige Ziele für den nächsten Bundestagswahlkampf der SPD.

„Ich freue mich über die Nominierung und will gewinnen“, sagt Olaf Scholz am Montagnachmittag in Berlin. Wenige Stunden zuvor wurde der Vizekanzler und Finanzminister vom SPD-Parteivorstand einstimmig als Kanzlerkandidat seiner Partei für die Bundestagswahl im kommenden Jahr nominiert. Entsprechend siegeshungrig tritt Scholz um 14 Uhr im Gasometer im Berliner Stadtteil Schöneberg vor die Presse. Es ist eine besondere Zeit, in die die Kandidatur des früheren Ersten Bürgermeisters von Hamburg fällt. Nicht nur wegen der Corona-Pandemie, die noch immer anhält, sondern auch, weil im kommenden Jahr zum ersten Mal seit Gründung der Bundesrepublik ein*e Amtsinhaber*in nicht mehr antritt, um das Kanzleramt zu verteidigen.

Scholz: „Wir trauen uns zu, deutlich über 20 Prozent abzuschneiden“

Darin liegt die Chance für die SPD und Olaf Scholz. Denn während die Union voraussichtlich noch monatelang uneins darüber sein wird, wer sie im kommenden Jahr als Spitzenkandidat*in in die 20. Bundestagswahl führen wird, hat die SPD bereits Fakten geschaffen. Und Scholz macht deutlich: Das Ziel ist nicht nur, das Kanzleramt für die SPD zu erobern, sondern auch die Union aus der Regierung zu verdrängen. „Jemand, der so lange regiert hat, sollte auch mal die Möglichkeit zur Erneuerung in der Opposition bekommen“, sagt er. Zudem sollten große Koalitionen nicht zum Normalfall werden: „Es ist auch für die demokratische Kultur in Deutschland wichtig, dass es einen Regierungswechsel gibt.“

Scholz – das wird an diesem Nachmittag deutlich – hat den klaren Anspruch, Angela Merkel zu beerben und nach Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder der vierte sozialdemokratische Kanzler in der Geschichte der Bundesrepublik zu werden: „Wir trauen uns zu, dass wir deutlich über 20 Prozent abschneiden und unser Ergebnis erheblich verbessern werden. Wir können es hinbekommen, ein sehr gutes Wahlergebnis zu bekommen, das es uns ermöglicht, eine Regierung anzuführen.“ Doch gerade weil die Möglichkeit dazu bestehe, „müssen wir es auch richtig machen“, betont Scholz.

„Wir wollen jetzt eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung“

Dazu gehört für ihn auch die Geschlossenheit, die die SPD in den vergangenen Wochen und Monaten besonders ausgezeichnet hat: „Ich bin jemand, der schon viel Erfahrung in Wahlkämpfen gewinnen konnte. Nur wenn alle hinter dem Spitzenkandidaten und dem Ziel zu gewinnen stehen, kann man auch erfolgreich sein.“ Die SPD habe es seit dem Sommer letzten Jahres geschafft, Stück für Stück zusammenzuwachsen. Nun tue die Partei das, was ihr von vielen empfohlen worden sei: rechtzeitig zu sagen, woran die Wähler*innen sind. „Wir wollen nicht, dass es eine ständige Fortsetzung von CDU-Regierungen mit wechselnden Partnern gibt, sondern wir wollen jetzt eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung.“

Inhaltlich hebt Scholz für diesen Plan drei Punkte hervor: Erstens geht es ihm um Respekt vor Menschen, die sich gerade in Krisenzeiten besonders um den gesellschaftlichen Zusammenhalt verdient gemacht haben. „Wir sind nicht bei den Leuten, die sich für was besseres halten. Wir sind bei denen, die den Laden am Laufen halten“, betont er in diesem Zusammenhang. Zweitens wolle die SPD einen Plan für die 2020er-Jahre entwerfen und diesen im kommenden Jahr bei der Bundestagswahl zur Abstimmung stellen, um für technologische Veränderungen bereit zu sein und auf große Herausforderungen wie den Klimawandel schnell reagieren zu können. Der Kanzlerkandidat sagt: „Es beginnt eine neue Ära. Denn es geht darum, wer den besten Plan für die Zukunft unseres Landes und Europas hat.“

„Ein ganz besonderer demokratischer Moment“

Denn für Scholz ist es maßgeblich, die Zukunft Europas sozialdemokratisch mitzuformulieren. Dass vor wenigen Wochen auf europäischer Ebene ein 750 Milliarden schweres Konjunkturprogramm zur Bewältigung der Corona-Pandemie beschlossen wurde, sei auch ein maßgeblicher sozialdemokratischer Verdienst. Das hebt auch der Parteivorsitzende Norbert Walter-Borjans hervor: „Was wir auf dem EU-Gipfel beschlossen haben, trägt die Handschrift von Olaf Scholz.“ Dieser sei der richtiger Kanzler in dieser Zeit: „Olaf Scholz genießt hohes Ansehen in der Bevölkerung, aber auch in der Partei. Das hat Gründe. Er hat in den vergangenen Monaten mit Entschlossenheit, aber auch mit seiner besonnenen Art dafür gesorgt, dass wir in Deutschland viel besser durch die Krise gekommen sind als viele andere“, sagt Walter-Borjans.

Seine Co-Vorsitzende Esken berichtet, dass die Entscheidung, Scholz als Kanzlerkandidaten vorzuschlagen, vor einem Monat „in einem guten Miteinander“ gefallen sei. Dieser Montag sei nun der richtige Tag, um sie bekannt zu geben. „Wir haben Olaf Scholz als Partner erlebt, der für eine Sozialdemokratie kämpfen kann und will“, sagt Esken und wirbt zugleich: „Es ist eine ungewöhnliche Wendung, aber gerade diejenigen, die wir damit überraschen, möchten wir um ihr Vertrauen bitten.“ Scholz selbst zeigt sich zufrieden und lächelt: „Ich fühle ich mich jetzt richtig gut. Für einen Politiker ist das ein ganz besonderer demokratischer Moment und nun machen wir gemeinsam was daraus.“

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Kommentare

Leider irrt Hr. Scholz

Hr. Scholz würde ich wählen, aber nicht mehr SPD. Wieso? Weil ich nicht glaube, dass die SPD aufhört zu streiten. Und weil ich als Berliner erleben muss, wie sich die SPD insbesondere von den Linken ständig „über den Tisch ziehen läßt“. Wohnungsbau findet kaum statt, was gebaut wird können sich nur die Besserverdiener leisten oder die ganz Armen erhalten schöne Neubauwohnungen. Die Mittelschicht, VerkäuferInnen, PflegerInnen, PolizistInnen (mittlerer Dienst) können sie sich nicht leisten und auf die schicken Sozialwohnungen haben sie keinen Anspruch. Was Links/Grün an Wohnungsbau nicht verhindern kann, dann werden die Burgerinitiativen mobil gemacht, es wurden ja extra neue Gesetze für sie geschaffen.
Innere Sicherheit in Berlin? Fragt Tom Schreiber (SPD), er legt immer wieder die Finger in die Wunden. Wenn er den Linksextremismus in Berlin benennt, dann schweigen seine Genossen und die Links/Grünen Koalitionspartner beklatschen sogar den linksextremismus.

Nein, ich wähle keine SPD mehr! Und wenn jetzt sogar die Linkspartei mitregieren soll, wird es unerträglich.

Hallo, Ihr habt mir die SPD gestohlen die ich 30 Jahre lang gewählt habe.

Aus der Not geboren !

"Ich will gewinnen", das bleibt wohl die einzige überzeugende und gleichzeitige die ehrlichste Aussage die wir vom Kandidaten von Coronas Gnaden seither gehört haben. Konnte der Kandidat die Basis überzeugen vor und nach seiner vergeigten Parteivorsitz-Ambition überzeugen ? Warum aktuell die Eile und warum die Entscheidung zur Kandidatenkür jetzt per "Dekret" von "oben" ? Warum wird erst links geblinkt und dann wieder rechts abgebogen?
Wo bleibt die Alternative zum aktuellen Kurs der sogenannten "Mitte" die aktuell die Retter geben, aber in Wahrheit durch extrem wirtschaftsliberalen Kurs für nahezu alle Krisen, Auswüchse und Fehlentwicklungen in hohen Maße verantwortlich ist ! Wer hat eigentlich viele der jetzt plötzlich als systemrelevant geadelten Bereiche unserer Gesellschaft und die Infrastruktur kaputtgespart ?
Muss jetzt das SPD-Programm nach Gusto des letzten bekannten Agenda-Verantwortlichen auch per "Dekret" von "oben" diktiert werden damit unsere Basis nicht etwas beschließt, was so gar nicht zum Kandidaten passt?
Und noch etwas: In einem scheint sich die Groko auch einig zu sein:
Nicht eine einzige Frau mehr in´s Kandidaten-Karussell ! Sieht so Zukunft aus ?

Symptomatisch ?

Der PV nominiert und die Basis wird nicht gefragt.
Eine Regierung zusammen mit Habeck der Ernöhrungsempfehlungen gibt (das ging bei Marie-Antoinette 1789 auch schon mal schief) und eine Kipping, die inhaltlich für weniger als Nichts steht, die können wir uns sparen. Bei solchen Perspektiven soll sich kener über die Zunahme der Nicht- und afd-Wähler wundern.
Wir brauchen einen sozialen, demokratischen und ökologischen Markenkern !!!!

Für den glaubwürdigen Willen

der SPD, gewinnen zu wollen, hätte es eines anderen Kandidaten bedurft. Olaf Scholz erkennt jeder als Mann des „Weiter so“. In den Abgrund, möchte man hinzufügen.

Die neue Parteiführung zeigt mit dieser Personalie, dass sie mehr Rücksicht auf die mediale Erwartung als auf eine unabhängige Abwägung und eine souveräne politische Entscheidung der Partei legt.

Kurzum: Scholz ist die Wahl der gesichtswahrenden Niederlage, die den Weg der strategischen Neuaufstellung abermals vertagt.

Alles wie immer eben. Und deshalb weiter bergab.

Kandidat unterstützen ist Gebot der Stunde

Von den Leuten in der Partei, die das Format für eine Kandidatur haben, war Scholz die logische Wahl. Er kann kompetent regieren, und das wird letztlich ein entscheidendes Kriterium für die Wählerschaft sein.

Zentrales Thema des Wahlkampfes dürfte die Wirtschaftskrise und ihre Folgen sein. Auch deshalb ist es sinnig, den Finanzminister zu nominieren. Wir müssen weiter davon ausgehen, dass die Wirtschaftskrise noch sehr lange dauert, und wir mit 5 Millionen Arbeitslosen ins Wahljahr starten.

Durch den Abgang der Kanzlerin wird der politische Diskurs völlig neu sortiert werden. Mit Olaf Scholz hat die SPD bessere Chancen ein Ergebnis einzufahren, mit dem man eine Regierung ohne CDU/CSU bilden kann. Da das Zeitalter der Volksparteien vorbei ist, könnte dafür schon ein Ergebnis von 20 bis 25 % ausreichen.

Die SPD muss jetzt zusammen kommen, und sich hinter den Kandidaten stellen. Ideologische Befindlichkeiten dürfen keine Rolle spielen, und nutzen nur dem politischen Gegner. Nach dem Ende von Fr Merkel werden die Hemmungen in Union und FDP, mit der rechten AfD zu regieren, schnell abnehmen. Auch deshalb ist Einigkeit im links-progressiven Lager wichtig.

Wirtschaftskrise ?

Für alle die´s noch nicht gemerkt haben und keinen Bock haben über die Ursachen der aktuellen mensch- und poltikgemachten Krisen nachzudenken, geschweige denn zu reden: Parallel läuft die Corona-Pandemie, die Klimakatastrophe (nahe am Kippunkt zur vollst. Unkontrollierbarkeit, das extreme Artensterben (25 % Rückgang bei Insekten innerh. d.letzten 30 Jahre soweit ich gehört habe-lebenswichtig für Nahrungsversorgung !), Überhitzung der Städte auch durch einseitig auf das Auto ausgerichtete Verkehrswege und übertr. Flächenansprüche f. Wohnen, völlig überzogener Fleichkonsum und kurz gesagt die Ausbeutung von Mensch, Tier und Natur zum Wohle und Profit weniger und das massiv auf Kosten der jungen und kommenden Generation. Da kann es nicht richtig sein nur die Symtome wie die durch Coronamaßnahmen ausgelöste Wirtschaftskrise anzusprechen ! Inbesondere die junge generation die der SPD abhanden komt, hat keine Lust sich weiterhin für "dumm" verkaufen zu lassen. Bitte auch mal daran denken ! Nebenbei zerfällt aus ähnlichen nGründen auch der Zusammenhalt der Gesellschaft! Die neoliberale Marktwirtschaft erzeugt werbegetriebene künstliche Bedürfnisse! Überaus schädliche Wachstumsdogmatik!