Olaf Scholz zur SPD-Kanzlerkandidatur: „Ich will gewinnen!“
Dirk Bleicker
„Ich freue mich über die Nominierung und will gewinnen“, sagt Olaf Scholz am Montagnachmittag in Berlin. Wenige Stunden zuvor wurde der Vizekanzler und Finanzminister vom SPD-Parteivorstand einstimmig als Kanzlerkandidat seiner Partei für die Bundestagswahl im kommenden Jahr nominiert. Entsprechend siegeshungrig tritt Scholz um 14 Uhr im Gasometer im Berliner Stadtteil Schöneberg vor die Presse. Es ist eine besondere Zeit, in die die Kandidatur des früheren Ersten Bürgermeisters von Hamburg fällt. Nicht nur wegen der Corona-Pandemie, die noch immer anhält, sondern auch, weil im kommenden Jahr zum ersten Mal seit Gründung der Bundesrepublik ein*e Amtsinhaber*in nicht mehr antritt, um das Kanzleramt zu verteidigen.
Scholz: „Wir trauen uns zu, deutlich über 20 Prozent abzuschneiden“
Darin liegt die Chance für die SPD und Olaf Scholz. Denn während die Union voraussichtlich noch monatelang uneins darüber sein wird, wer sie im kommenden Jahr als Spitzenkandidat*in in die 20. Bundestagswahl führen wird, hat die SPD bereits Fakten geschaffen. Und Scholz macht deutlich: Das Ziel ist nicht nur, das Kanzleramt für die SPD zu erobern, sondern auch die Union aus der Regierung zu verdrängen. „Jemand, der so lange regiert hat, sollte auch mal die Möglichkeit zur Erneuerung in der Opposition bekommen“, sagt er. Zudem sollten große Koalitionen nicht zum Normalfall werden: „Es ist auch für die demokratische Kultur in Deutschland wichtig, dass es einen Regierungswechsel gibt.“
Scholz – das wird an diesem Nachmittag deutlich – hat den klaren Anspruch, Angela Merkel zu beerben und nach Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder der vierte sozialdemokratische Kanzler in der Geschichte der Bundesrepublik zu werden: „Wir trauen uns zu, dass wir deutlich über 20 Prozent abschneiden und unser Ergebnis erheblich verbessern werden. Wir können es hinbekommen, ein sehr gutes Wahlergebnis zu bekommen, das es uns ermöglicht, eine Regierung anzuführen.“ Doch gerade weil die Möglichkeit dazu bestehe, „müssen wir es auch richtig machen“, betont Scholz.
„Wir wollen jetzt eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung“
Dazu gehört für ihn auch die Geschlossenheit, die die SPD in den vergangenen Wochen und Monaten besonders ausgezeichnet hat: „Ich bin jemand, der schon viel Erfahrung in Wahlkämpfen gewinnen konnte. Nur wenn alle hinter dem Spitzenkandidaten und dem Ziel zu gewinnen stehen, kann man auch erfolgreich sein.“ Die SPD habe es seit dem Sommer letzten Jahres geschafft, Stück für Stück zusammenzuwachsen. Nun tue die Partei das, was ihr von vielen empfohlen worden sei: rechtzeitig zu sagen, woran die Wähler*innen sind. „Wir wollen nicht, dass es eine ständige Fortsetzung von CDU-Regierungen mit wechselnden Partnern gibt, sondern wir wollen jetzt eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung.“
Inhaltlich hebt Scholz für diesen Plan drei Punkte hervor: Erstens geht es ihm um Respekt vor Menschen, die sich gerade in Krisenzeiten besonders um den gesellschaftlichen Zusammenhalt verdient gemacht haben. „Wir sind nicht bei den Leuten, die sich für was besseres halten. Wir sind bei denen, die den Laden am Laufen halten“, betont er in diesem Zusammenhang. Zweitens wolle die SPD einen Plan für die 2020er-Jahre entwerfen und diesen im kommenden Jahr bei der Bundestagswahl zur Abstimmung stellen, um für technologische Veränderungen bereit zu sein und auf große Herausforderungen wie den Klimawandel schnell reagieren zu können. Der Kanzlerkandidat sagt: „Es beginnt eine neue Ära. Denn es geht darum, wer den besten Plan für die Zukunft unseres Landes und Europas hat.“
„Ein ganz besonderer demokratischer Moment“
Denn für Scholz ist es maßgeblich, die Zukunft Europas sozialdemokratisch mitzuformulieren. Dass vor wenigen Wochen auf europäischer Ebene ein 750 Milliarden schweres Konjunkturprogramm zur Bewältigung der Corona-Pandemie beschlossen wurde, sei auch ein maßgeblicher sozialdemokratischer Verdienst. Das hebt auch der Parteivorsitzende Norbert Walter-Borjans hervor: „Was wir auf dem EU-Gipfel beschlossen haben, trägt die Handschrift von Olaf Scholz.“ Dieser sei der richtiger Kanzler in dieser Zeit: „Olaf Scholz genießt hohes Ansehen in der Bevölkerung, aber auch in der Partei. Das hat Gründe. Er hat in den vergangenen Monaten mit Entschlossenheit, aber auch mit seiner besonnenen Art dafür gesorgt, dass wir in Deutschland viel besser durch die Krise gekommen sind als viele andere“, sagt Walter-Borjans.
Seine Co-Vorsitzende Esken berichtet, dass die Entscheidung, Scholz als Kanzlerkandidaten vorzuschlagen, vor einem Monat „in einem guten Miteinander“ gefallen sei. Dieser Montag sei nun der richtige Tag, um sie bekannt zu geben. „Wir haben Olaf Scholz als Partner erlebt, der für eine Sozialdemokratie kämpfen kann und will“, sagt Esken und wirbt zugleich: „Es ist eine ungewöhnliche Wendung, aber gerade diejenigen, die wir damit überraschen, möchten wir um ihr Vertrauen bitten.“ Scholz selbst zeigt sich zufrieden und lächelt: „Ich fühle ich mich jetzt richtig gut. Für einen Politiker ist das ein ganz besonderer demokratischer Moment und nun machen wir gemeinsam was daraus.“
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo