Warum Olaf Scholz ein neues Europa-Tempo fordert
IMAGO/Future Image
Auf seinem 15. Kongress feiert der Europäische Gewerkschaftsbund gleichzeitig sein 50. Jubiläum. Bundeskanzler Olaf Scholz findet hierfür anerkennende Worte. Waren bei der Gründung in Brüssel 17 nationale Gewerkschaften aus 15 europäischen Ländern dabei, seien es heute mehr als fünfmal so viele aus mehr als doppelt so vielen Ländern. „Eine ungeheure Vielfalt von nationalen Prägungen, Traditionen und Erfahrungen“, so Scholz. Mit ihrem gemeinsamen Handeln für gute Arbeit in Europa hätten sie somit nicht nur „entscheidend dazu beigetragen, dass Europa zusammenwächst, sondern auch, dass Europa zusammenhält“.
Scholz: neues Europa-Tempo
Für Scholz ist klar, dass Krisen und Herausforderungen immer dann gut zu bewältigen seien, „wenn wir vereint und solidarisch agieren“, sagt er etwa mit Blick auf die Covid-19-Krise. In der sei es mit dem Sure-Programm gelungen, 30 Millionen Bürgerinnen und Bürger vor Arbeitslosigkeit zu bewahren. Das Instrument der Kurzarbeit sei so in ganz Europa zum Erfolgsmodell geworden. Eine wichtige Entwicklung, so Scholz, „über die ich mich ganz persönlich freue“. Vereint und solidarisch gehandelt habe man auch nach dem Angriffskrieg auf die Ukraine und so beispielsweise die Energiesicherheit über die Länder hinweg gesichert und wiederum Arbeitsplätze geschützt und Unternehmen unterstützt.
Vor den rund 600 Delegierten der rund 93 nationalen Gewerkschaften aus 41 europäischen Ländern wirft Scholz jedoch auch einen Blick auf künftige Herausforderungen, die mit der Transformation der Wirtschaft einhergehen. Digitalisierung, Demografie und der Weg in die Klimaneutralität „fordern uns heraus“, so Scholz. Um Arbeit, Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern „müssen wir jetzt Tempo machen“. Vom neuen Deutschland-Tempo habe er im eigenen Land schon gesprochen, „genauso brauchen wir aber auch ein neues Europa-Tempo“, fordert Scholz. In diesem Zusammenhang spricht er vom Industrieplan der Europäischen Union für einen Green Deal. Dabei gehe es um eine europäische Rohstoffstrategie und darum, das Beihilferecht flexibler und wettbewerbsfähiger zu machen.
Für mehr Tarifbindung
Euopa soll Vorreiter werden für saubere Technologien, so Scholz. Und damit soziales Standards wahren und wo immer möglich diese stärken, sagt Scholz. Schlüssel dafür sei die Weiterbildung. Bei der nötigen Weiterbildung in den Betrieben seien die Gewerkschaften unverzichtbar. Auch die sinkende Tarifbindung in der gesamten europäischen Union sieht Scholz kritisch. „Es kommt daruf an, dass wir die Tarifbindung wieder steigern.“ Denn diese seien Ausdruck des Respekts für die Lesitungen der Beschäftigten. In Deutschland habe die Regierungskoalition vereinbart, dass auf förderaler Ebene des Bundes öffentliche Aufträge nur noch an Unternehmen vergeben werden, die sich an geltende Tarifverträge halten. Auch seien Mitbestimmung und Mitverantwortung grundlegened für wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt, so Scholz. „Darum setzen wir uns für die Weiterentwicklung der demokratischen Mitbestimmung auf EU-Ebene ein“. Auch sei man offen für eine Reform der Richtlinie zu den europäischen Betriebsräten.
Der Europäische Gewerkschaftsbund ist am Dienstag in Berlin zu einem viertägigen Kongress zusammengekommen, um für die nächsten vier Jahre die Weichen zu stellen, so erklärt es DGB-Chefin Yasmin Fahimi in ihrer Begrüßung. Transformation brauche Mitbestimmung, fordert sie. Man wolle bei Weiterbildung, Digitalisierung und Gleichberechtigung endlich einen großen Schritt vorankommen. „Wir brauchen ein Europa, dass sich in seiner Gesetzgebung für mehr Mitbestimmung auf betrieblicher- und Unternehmensebene einsetzt.“
Die European Trade Union Confederation (ETUC) vertritt 45 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Europa.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.