Inland

Olaf Scholz als Bundeskanzler gewählt – Vereidigung unter Applaus

Olaf Scholz ist im ersten Wahlgang zum neuen Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt worden. Der Bundestag wählte den Sozialdemokraten mit einer Mehrheit von 395 Stimmen. Nach 16 Jahren stellt erstmals die SPD wieder den Kanzler.
von Benedikt Dittrich · 8. Dezember 2021
Applaus für den neuen Bundeskanzler: Olaf Scholz (SPD).
Applaus für den neuen Bundeskanzler: Olaf Scholz (SPD).

Wenige Minuten nachdem Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) um 9 Uhr die Sitzung des Bundestags eröffnet hat, brandet schon der erste Applaus auf. Da hat sie gerade den Vorschlag des Bundespräsidenten verlesen: Olaf Scholz wird von Frank-Walter Steinmeier zur Wahl des Bundeskanzlers vorgeschlagen. Nach 16 Jahre Kanzlerschaft von Angela Merkel steht am 8. Dezember der offizielle Machtwechsel an (zum genauen Ablauf).

Um 9.45 Uhr – eine Dreiviertelstunde nach Eröffnung der Bundestagssitzung – ist die Stimmabgabe schließlich beendet und die Stimmauszählung beginnt. „Ich schließe die Wahl“, fährt Bärbel Bas im Protokoll fort, die Sitzung wird unterbrochen, die Stimmen werden ausgezählt.

Lange Schlange von Gratulant*innen

Das Ergebnis der Wahl steht um 10.18 Uhr fest: Olaf Scholz ist mit einer Mehrheit von 395 Stimmen zum Bundeskanzler gewählt. Applaus brandet erneut auf, minutenlang applaudieren vor allem SPD-Fraktion sowie FDP- und Grünen-Abgeordnete dem künftigen SPD-Regierungschef. Bärbel Bas kann schließlich noch feststellen: Olaf Scholz hat die nötige Mehrheit erreicht, „er ist zum Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt“. Scholz ist nach Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder der vierte Sozialdemokratische Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.

„Nehmen sie die Wahl an?“, fragt sie Scholz, der dies deutlich bejaht. „Das war laut und vernehmlich“, gibt Bas wieder, die daraufhin entsprechend dem Protokoll die Sitzung unterbricht, um dem Bundespräsidenten das Wahlergebnis mitzuteilen. Binnen weniger Sekunden bildet sich vor dem neuen Bundeskanzler eine lange Schlange von Gratulant*innen, nach wenigen Minuten türmen sich auch die Blumensträuße auf seinem Tisch.

Historischer Moment mit viel Prominenz

Zur Wahl sind auch zahlreiche prominente Politiker*innen gekommen: Neben der noch geschäftsführenden Bundesregierung befinden sich auch Ministerpräsident*innen, ehemalige und künftige Bundesminister*innen sowie weitere Sozialdemokrat*innen im Reichstagsgebäude – Manuela Schwesig und Stephan Weil, Malu Dreyer, Peter Tschentscher und Dietmar Woidke sind anwesend, ebenso Barbara Hendricks, IGBCE-Vorsitzender Michael Vassiliadis oder Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sowie weitere Sozialdemokrat*innen.

Und natürlich fehlt auch der letzte SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder samt Gattin So-yeon Schröder-Kim nicht, der sich unter anderem mit dem Noch-Parteivorsitzenden Norbert Walter-Borjans austauscht. Ebenso auf der Gästetribüne sitzt Scholz' Ehefrau Britta Ernst, Bildungsministerin in Brandenburg, und die Brüder des neuen Bundeskanzlers: Jens und Ingo Scholz.

Auf der Pressetribüne drängeln sich die Fotograf*innen, ein weiterer Balkon ist, wie schon bei vorigen Bundestagsdebatten, für diejenigen AfD-Abgeordneten reserviert, die ihren Impfstatus nicht offenlegen.

Auch wenn man es unter der schwarzen Maske nicht direkt sehen kann: Die Stirnfalten von Olaf Scholz verraten immer wieder, dass er unter dem Atemschutz die Mundwinkel nach oben zieht – er lächelt. Am heutigen Tag ist sein Sitzplatz der neben dem Fraktionsvorsitzenden der SPD, Rolf Mützenich. Zu seinem dunklen Anzug hat Scholz ein weißes Hemd sowie eine dunkelrote Krawatte gewählt.

Fotoerlaubnis an einem besonderen Tag

Die Zeit der Wahl ist auch gleichzeitig eine Zeit der Gespräche: Ehemalige und künftige Minister*innen stehen zusammen, auch über die Fraktionsgrenzen hinweg suchen Abgeordnete das Gespräch, einige machen auch Fotos mit Fraktionskolleg*innen, andere geben Journalist*innen kurze Interviews in der Lobby. Für ein Schmunzeln sorgt Bärbel Bas kurz vor der Verkündung der Wahl: Sie erlaubt offiziell, dass die Abgeordneten ausnahmsweise im Plenarsaal fotografiert dürfen – das ist sonst nicht erlaubt. „Damit ich nicht 736 Ordnungsrufe verteilen muss“, sagt Bas mit einem Grinsen, „weil heute ein besonderer Tag ist“. Bei den kommenden Sitzungen gelte aber wieder die übliche strenge Regel, warnt sie die Abgeordneten vor.

Der Tag folgt dann weiter dem Protokoll: Nach den ersten Gratulationen verlässt Olaf Scholz das Reichstagsgebäude und macht sich auf den Weg ins Schloss Bellevue, um dort von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier offiziell zum Bundeskanzler ernannt zu werden.

„Herr Bundeskanzler, meinen ganz herzlichen Glückwunsch“, sagt Frank-Walter Steinmeier um 10.55 Uhr, als er die Urkunde überreicht und Scholz diese noch ein paar Sekunden in die Kameras hält. Seine Augen wandern dabei über die Reihen der Fotograf*innen.

Als er dann rund eine Stunde später wieder in den Bundestag zurückkehrt, muss Scholz sich erst einmal wieder orientieren – und spricht sich kurz mit Bundestagspräsidentin Bas ab, bevor er schließlich unter Applaus allein auf der Regierungsbank Platz nehmen darf.

Amtseid ohne religiöses Bekenntnis

Dann übernimmt wieder Bärbel Bas das Ruder und bittet Scholz zur Leistung des Eids zu ihr. Mit der Urschrift des Grundgesetzes in der Hand bittet sie ihn, den Eid zu sprechen, den Scholz ohne ein Stottern zitiert: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.“

Auf eine religiöse Beteuerung – Merkel hatte noch „So wahr mir Gott helfe“ ergänzt – verzichtet der konfessionslose Scholz.

Steinmeier erinnert an Verantwortung und Herausforderung

Im Anschluss geht’s wieder ins Schloss Bellevue – nun aber für das gesamte anstehende neue Kabinett, denn nun erhalten auch alle Minister*innen von Steinmeier ihre Urkunden. In einer kurzen Rede redet der Bundespräsident der künftigen Regierung ins Gewissen, richtet sich aber auch gleichermaßen an die Bevölkerung. „Diese Krise fordert uns alle“, sagte er mit Blick auf die Corona-Pandemie und appellierte daran, sich impfen zu lassen und Kontakte zu reduzieren. „Lassen wir nicht zu, dass die Pandemie uns auseinandertreibt“, sagte er weiter und an die künftige Regierung gerichtet ergänzt er: „Sie tragen jetzt die Verantwortung für unser Land und mehr als 82 Millionen Menschen.“

Lange verweilen die Minister*innen nicht im Schloss Bellevue, da sie direkt im Anschluss im Bundestag vereidigt werden. Außerdem steht am Nachmittag noch die Übergabe der jeweiligen Ministerien an.

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