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Olaf Scholz: „Wir brauchen einen Marshall-Plan für die Ukraine“

EU, G7, Nato: In den kommenden Tagen steht ein wahrer Gipfel-Marathon an. Die Ukraine dürfte stets das bestimmende Thema sein. Ins Zentrum rücken inzwischen die globalen Auswirkungen des russischen Angriffs, die auch den Bundeskanzler beschäftigen.
von Benedikt Dittrich · 22. Juni 2022
Olaf Scholz erklärt die Schwerpunkte der anstehenden Gipfeltreffen im Bundestag.
Olaf Scholz erklärt die Schwerpunkte der anstehenden Gipfeltreffen im Bundestag.

Egal ob EU, G7- oder Nato-Gipfel, klar ist schon jetzt: Bei allen drei anstehenden Treffen wird der russische Angriffskrieg auf die Ukraine im Zentrum der Gespräche stehen. Doch längst geht es um mehr als um Waffenlieferungen und die direkte Unterstützung der Ukraine. Denn mit der Seeblockade provoziert Russland eine globale Hungersnot, der Kreml droht inzwischen offen Nato-Staaten im Baltikum – und der Krieg scheint auch Bewegung in weitere EU-Beitrittsverhandlungen zu bringen.

All diese Themen sind Grund genug für Bundeskanzler Olaf Scholz erneut im Bundestag seinen Regierungskurs transparent zu machen. In seiner kurzen Regierungserklärung erneuerte er auch gleich mehrere Versprechen – an die Ukraine, Litauen und weitere Länder, die auch auf der Gästeliste der anstehenden Gipfel stehen.

EU-Gipfel: Perspektive für EU-Erweiterung

Nicht nur die Ukraine will Mitglied der Europäischen Union werden, auch einige weitere Staaten streben einen Kandidatenstatus und in der Folge Beitrittsverhandlungen an. „Ich werde mich mit allem Nachdruck dafür einsetzen, dass die gesamte EU geschlossen ja sagt. 27 mal ja zum Kandidatenstatus“, sagte er unter dem Applaus der Bundestagsabgeordneten. Doch er erinnerte auch an andere Staaten wie Albanien, Serbien und Nordmazedonien. Denn EU-Beitrittsverhandlungen haben sich bisher oft über Jahre, gar Jahrzehnte gezogen. Ein Verfahren, das Scholz offenbar beschleunigen möchte – und zwar nicht nur für die Ukraine.

„Die selbe klare Antwort verdienen auch die Länder des westlichen Balkans“, so Scholz mit Blick auf die Region. Aus dem Grund habe er auch vor seiner Reise in die Ukraine die Region besucht. Auch für einen Kandidatenstatus von Moldau sprach sich Scholz erneut aus.  „Es wird sicher kein einfacher Gipfel“, so Scholz. „Aber es ist wichtig dass wir uns deutlich positionieren: Deutschland ist auf eurer Seite“, sagt er in Richtung der Staaten, die zur EU gehören wollen. Er hoffe sehr, so Scholz, dass alle über ihren Schatten springen. Der EU-Gipfel beginnt am Donnerstag.

G7-Gipfel: Große Länder auf der Gästeliste

Beim G7-Gipfel, der am Sonntag beginnt, steht indes die drohende globale Hungerkrise auf der Tagesordnung. Neben den wirtschaftsstärksten Nationen der Welt stehen auch aufstrebende Nationen wie Indien und Südafrika und andere auf der Gästeliste – Deutschland ist der Gastgeber. Für Scholz ist klar, wer diese drohende Krise mit verursacht: Russland, das die Ausfuhr von Getreide aus der Ukraine blockiert. „Es kann nicht dabei bleiben, dass Getreide in ukrainischen Speichern feststeckt, obwohl es weltweit gebraucht wird“, so Scholz.

Die Ukraine ist einer der größten Exporteure unter anderem von Getreide, Saaten und Speiseöl, die Häfen sind aber entweder von Russland besetzt (beispielsweise Mariupol) oder blockiert (Odessa).

Nato-Gipfel: Unterstützung für Schweden, Finnland, Litauen

Das russische Regime hatte in den vergangenen Tagen Litauen bedroht – weil das Land offenbar mit Blick auf die beschlossenen Sanktionen gegen Russland den Warenverkehr in die russische Exklave Kaliningrad blockiert hatte. Aus dem Bundestag heraus bekräftigte Scholz deswegen am Mittwoch noch einmal klar die Unterstützung der Nato-Staaten im Baltikum: „Unsere Nato-Partner im Osten können sich auf Deutschland verlassen.“ Ein Angriff auf eines der Länder wäre ein Angriff auf alle Nato-Länder, machte er unmissverständlich klar.

Wie die Demokratien weltweit einem Staat entgegentreten sollten, der Souveränität und internationales Recht mit Füßen tritt, machte Scholz in dem Zusammenhang ebenso klar: „Mehr denn je werden wir uns für die internationale Ordnung stark machen“, so Scholz, „die auf Recht statt auf Gewalt basiert.“ Deswegen werde die Nato auch die Russland-Nato-Grundakte nicht einseitig aufkündigen, denn sie beinhalte genau diese Werte: Verzicht auf Gewalt, Achtung von Grenzen und Souveränität. „Daran sollten wir Putin immer wieder erinnern“, meint der Bundeskanzler. Auf der selben Basis rechtfertigte Scholz auch die andauernden und verstärkten Waffenlieferungen an die Ukraine – ein Land, das weiterhin jedes Recht habe, sich zu verteidigen.

Einer Aufnahme von Schweden und Finnland in das Verteidigungsbündnis blickte Scholz unverändert positiv entgegen – und ging auch von einer zeitnahen Entscheidung aus. Die skandinavischen Staaten als Teil der Nato seien „ein Sicherheitsgewinn für alle Nato-Mitglieder und ganz Europa“, zeigte sich der Sozialdemokrat überzeugt. Allerdings: Bis jetzt blockiert noch die Türkei den Beitritt der beiden Staaten – Präsident Erdogan wirft vor allem Schweden die Unterstützung von vermeintlichen kurdischen Terrorist*innen vor und fordert deren Auslieferung.

Der Nato-Gipfel beginnt am Sonntag, 28. Juni.

Internationale Konferenz zum Wiederaufbau

In Aussicht stellte Scholz außerdem eine internationale Konferenz für den Wiederaufbau der Ukraine – denn ebenso wie für die Unterstützung im Krieg brauche es auch für den Wiederaufbau des Landes viel Geld und Unterstützung. „Einen Marshall-Plan“, verglich Scholz diese Aufgabe mit dem Wiederaufbau Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg. „Das wird eine Generationen-Aufgabe sein.“ Eine solche Konferenz werde gerade mit den anderen Partnern eng abgestimmt.

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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