NRW-Landesverband pocht auf SPD-Wahlkampf-Forderungen
Kommt die große Koalition oder kommt sie nicht und wenn sie kommt: Wie groß ist der Gestaltungsspielraum für die SPD? In „bewegten Zeiten“, in denen der einstimmig getroffene SPD-Vorstandsbeschluss gegen eine Fortsetzung der großen Koalition binnen einer Woche ins Wanken geriet, haben sich mit Michael Groschek und Svenja Schulze die beiden Chefs der NRW-SPD zu Wort gemeldet. Gemeinsam formulierten sie einen Brief an Parteichef Martin Schulz und die Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Andrea Nahles, der am Sonntag den Weg in die Öffentlichkeit fand.
Bessere Arbeit, höhere Rente, mehr Investionen
Auf anderthalb Seiten rufen Groschek und Schulze darin die zentralen Punkte des SPD-Wahlprogramms in Erinnerung und setzen so den Rahmen für die sechs Tage zuvor noch ausgeschlossenen, mittlerweile aber nicht mehr undenkbaren Verhandlungen über eine erneute große Koalition auf Bundesebene. Die wichtigsten Punkte aus Sicht der Autoren: Die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung, die Stärkung der Tarifbindung sowie ein Rückkehrrecht in Vollzeit. Beim Thema Rente plädieren beide für die Sicherung des derzeitigen Rentenniveaus und dessen Steigerung auf 50 Prozent, im Steuer-Bereich fordern sie eine Reform der Einkommenssteuer bei höherer Besteuerung „besonders hoher Vermögen“.
Darüber hinaus müsse die SPD auf Investitionsprogramme für die Bereiche Bildung, Kommunen und Wohnen drängen und dürfe von ihrer Forderung nach einer Bürgerversicherung in Gesundheit und Pflege nicht abrücken. Das Grundrecht auf Asyl dürfe nicht angetastet werden, eine Obergrenze für Flüchtlinge müsse die SPD dementsprechend ebenso ablehnen wie die Fortsetzung der Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte.
Jusos als „Bollwerk“ gegen die GroKo
Dem Forderungskatalog vorangestellt ist eine Erklärung, in der Groschek und Schulze Bezug nehmen auf die Zukunftsdebatte innerhalb der SPD. Darin schreiben sie: „Es ist und bleibt richtig, dass eine große Koalition nur die Ausnahme und nicht die Regel sein darf.“ Mit Blick auf die vergangene Legislaturperiode werfen sie der Union vor, „an vielen Stellen wortbrüchig geworden“ zu sein und „die Umsetzung des Koalitionsvertrages blockiert“ zu haben. Zur SPD-intern geführte Debatte über eine mögliche Neuauflage der großen Koalition erklären sie: „Wir sehen die Wortbrüche auf der einen Seite. Auf der anderen Seite gibt es keine gemeinsamen Ziele zwischen Union und SPD.“
Klare Worte, die Kevin Kühnert, frisch gewählter Vorsitzender der Jusos in der SPD, als Absage an eine erneute große Koalition verstanden wissen will. Nachdem Kühnert auf der Bundeskonferenz der Jusos am vergangenen Wochenende erklärt hatte: „Wir sind das Bollwerk gegen große Koalitionen, es wird sie mit uns nicht geben“, legte er am Montag nach. „Wir würden so einen Schwenk nicht mittragen und werden ihn definitiv nicht mitvollziehen“, so Kühnert im Radio-Interview mit dem SWR. Die Ablehnung der Basis gegenüber einer erneuten großen Koalition sei heute „deutlich deutlich größer als 2013“, so Kühnert weiter. Die mögliche Fortsetzung der großen Koalition bezeichnete er als „Zerreißprobe“ für die SPD.
Dreyer fordert „Mut für neuen Weg“
Unterdessen betonten führende Vertreter der Partei, dass die SPD – wie bereits im Vorstandsbeschluss formuliert – sich Gesprächen mit anderen Parteien nicht verweigert. Im ARD-Morgenmagazin erklärte SPD-Vize Ralf Stegner: „Wir müssen in aller Ruhe mit den anderen Parteien reden und sehen, was möglich ist.“ Zuvor hatte Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, auf die Option einer durch die SPD geduldeten Minderheitsregierung verwiesen. „Wir sollten Mut haben auch mal für einen neuen Weg“, sagte Dreyer am Sonntagabend im ZDF und fügte hinzu, sie tue sich „sehr, sehr schwer mit der großen Koalition“.