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Nordmazedonien: „Unser Platz ist in der Europäischen Union“

Vergangene Woche erhielt Zoran Zaev, Ministerpräsident von Nordmazedonien, den Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung. Im Interview erklärt er, wie wichtig es für sein Land ist, Teil der Europäischen Union zu werden.
von Karin Nink · 23. November 2020

Wie ist die aktuelle Lage nach Ihrer Wiederwahl in Nordmazedonien?

Wie überall in der Welt sind wir mit den Herausforderungen der Coronakrise konfrontiert und müssen uns fragen, wie man dem Gesundheitssystem, den Ärzten und Krankenschwestern helfen kann. Sie sind unsere absoluten Helden. Parallel dazu bereiten wir uns auf die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung Nordmazedoniens vor. Hier ist unsere strategische Partnerschaft mit Deutschland besonders wichtig, denn Deutschland ist unser größter Investor. Aber natürlich geht es einem linksorientierten Politiker vorrangig auch darum, wie man den Mindestlohn und die Löhne insgesamt erhöhen kann, damit es den Menschen wirtschaftlich besser geht. Das ist vor allem für Südosteuropa sehr wichtig, denn die Bezahlung der Arbeiter und speziell die der schutzbedürftigen Gruppen und armen Menschen war wirklich erniedrigend.

Welches sind die wichtigsten Projekte für Sie als Ministerpräsident?

Es sind die Löhne und die Einkommen der Bürgerinnen und Bürger. Ich bin überzeugt, dass es Zufriedenheit schafft, wenn jeder ein würdiges Einkommen hat, weil es auch die Wirtschaft unterstützt, wenn die Menschen Produkte und Dienstleistungen kaufen. Wir sind dafür in einem sehr guten sozialen Dialog mit den Gewerkschaften und den Handelskammern, um so eine Win-Win-Situation für alle zu schaffen.

Wir waren dafür auch schon in den letzten drei Jahren vor den Parlamentswahlen sehr erfolgreich: Der Mindestlohn stieg um 60 Prozent. Für Rentnerinnen und Rentner und Arbeitslose gab es Hilfen und Unterstützung. Wir haben zum Beispiel die Sozialhilfe um mehr als 300 Prozent und 2019 die Löhne und Gehälter für Ärzt*innen und Krankenpflger*innen erhöht. Das hilft uns jetzt in der Pandemie sehr.

Auch unser strategisches Ziel, die Integration meines Landes in die Europäische Union, ist ein sehr wichtiges Thema meiner Regierung. Wir sind in den ersten Monaten unseres vierjährigen Regierungsmandats schon grundlegende Schritte gegangen. Und ich hoffe, dass wir bis zum Ende der deutschen Ratspräsidentschaft die erste Beitrittsgespräche mit der Europäischen Union haben werden.

Bevor wir über die deutsche Ratspräsidentschaft sprechen, würden Sie mir bitte noch erläutern, welche Rolle die Sozialdemokratie in Nordmazedonien spielt?

Sie hat eine führende Rolle, weil sie uns in unserem Glauben an die Zukunft unterstützt. Wir haben eine bessere Zukunft für alle geplant. Wie Sie wissen, ist es in ganz Europa, aber gerade im südlichen Teil Europas nicht so einfach, gegen Populismus und Nationalismus, zum Teil radikalen Nationalismus anzukämpfen. Um Teil der Europäischen Union zu werden, haben wir den Namen unseres Landes geändert und vieles andere zum Besseren gewendet. Ich bin fest davon überzeugt, dass Nordmazedonien eine Erfolgsgeschichte in diesem Teil des europäischen Kontinents werden wird.

Für uns gibt es keine Alternative zur Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union. Jetzt sind wir NATO-Mitglied, das jüngste Nato-Mitglied. Und wir freuen uns sehr, dass uns der deutsche Außenminister, Heiko Maas, und der Staatsminister für Europa, Michael Roth, uns unterstützen. Sie sind Förderer und Helfer für unsere Integration in die Europäische Union.

Nordmazedonien ist seit März 2020 NATO-Mitglied. Warum ist Ihnen die Mitgliedschaft so wichtig?

Zunächst einmal ist es uns eine Ehre, mit dafür sorgen zu können, Frieden weltweit zu erhalten. In der Vergangenheit waren wir Nutznießer dieser Bemühungen, und andere haben sich um unseren Frieden gekümmert. Das waren die NATO und befreundete Länder. Und jetzt tragen wir dazu bei, dass auch in anderen Ländern wie Afghanistan oder den afrikanischen Republiken, Frieden einkehren kann. Außerdem ist die NATO-Mitgliedschaft auch eine Garantie für den Frieden auf dem Balkan. Und das ist die Voraussetzung für eine gute wirtschaftliche Zukunft, auf die der Balkan hofft.

Seit unserem Beitritt zur NATO brechen wir in Nordmazedonien zum Beispiel Rekorde bei ausländischen Direktinvestitionen, allein im ersten Jahr sind das 625 Millionen Euro. Für ein kleines Land wie unseres mit 2 Millionen Bürgern ist das eine enorme Summe. Wirtschaftlich bessere Bedingungen schaffen Vorteile für alle. Gerade für unsere jungen Menschen, für sie entstehen neue Arbeitsplätze. Dadurch bleiben sie in Nordmazedonien und werden zu einem echten Motor für unsere Gesellschaft.

Sind Sie zuversichtlich, dass es noch während der deutschen Ratspräsidentschaft zu EU-Beitrittsgesprächen kommt?

Ja. Wir verhalten uns wirklich sehr europäisch, wir glauben an die europäische Werte. Für unsere europäische Zukunft tun wir sehr viel. Zunächst haben wir innerhalb des Landes eine Einigung zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen erreicht, jetzt ist es friedlich: Wir arbeiten für alle Bürgerinnen und Bürger, nicht für einzelne Volksgruppen. Danach einigten wir uns in wichtigen Fragen mit Bulgarien. Und schließlich trafen wir diese historische Vereinbarung mit Griechenland, das so genannte Prespa-Abkommen. Durch dieses Abkommen haben wir trotzt aller Namensstreitigkeiten einen Weg gefunden, die Identität beider Länder zu bewahren. Mit dem Abkommen ist es uns gelungen, eine Unterscheidung zwischen der nördlichen und der südlichen Region des historischen Makedoniens zu haben, aber auf sehr freundschaftliche Weise und für eine gute Zusammenarbeit in der Zukunft. All das zeigt, dass wir die europäischen Werte auf dem Balkan vertreten. Deswegen erwarten wir von Europa jetzt auch eine europäische Haltung. Die Reformen sind zu 100 Prozent vollbracht. Das wird seit drei Jahren bescheinigt.

Im März entschied der Europäische Rat über die Aufnahme von Verhandlungen mit Nordmazedonien. Wir glauben nun, dass wir noch während der deutschen Ratspräsidentschaft eine erste Regierungskonferenz und damit auch den offiziellen Beginn der Verhandlungen verdient haben. Bis die Verhandlungen abgeschlossen sind, wird es noch fünf, sieben oder zehn Jahre dauern. Ich weiß nicht, ob wir das früher schaffen werden, aber es gibt einen Stern im Dunkeln, der uns leitet. Das ist der europäische Gedanke, der uns in die Zukunft führen wird. Wir glauben fest daran, eines Tages Mitglied der Europäischen Union zu sein.

Es ist Ihnen also wirklich sehr wichtig, dass die Verhandlungen bald beginnen?

Ja, es ist wichtig für die Bürgerinnen und Bürger der Republik Nordmazedonien. Es ist wichtig für alle Länder des westlichen Balkans. Denn es gibt für uns keine Alternative zu einer Zukunft in der Europäischen Union. Wenn wir das aufschieben, wird der Boden für einen neuen Nationalismus, einen neuen Radikalismus, einen neuen Populismus bereitet. Das brauchen wir nicht. Wir müssen unsere Motivation behalten und die Reformen zur Europäisierung Nordmazedoniens fortsetzen.

Sollte Europa die Entscheidungen aufschieben, besteht die Gefahr, dass andere Akteure wie China oder Russland auf dem Balkan stärker präsent werden. Wir sind ein kleines Land. Wir wünschen uns Zusammenarbeit mit jedem, aber unser Platz ist in der Europäischen Union.

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Karin Nink

ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.

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