Neuer Vorsitzender: Was Stefan Lövfen mit der SPE vorhat
Dirk Bleicker; dirkbleicker.de
Kurz nachdem Stefan Lövfen auf der Welt war, musste sich seine Mutter entscheiden. Um seinen Bruder durchzubringen, gab sie den kleinen Stefan in ein Waisenhaus. Im Alter von zehn Monaten wurde er von einer Pflegefamilie aufgenommen, einer schwedischen Arbeiter*innenfamilie. „So habe ich gelernt, wie wichtig Gemeinschaft, Solidarität, die Gleichwertigkeit aller Menschen sind“, erzählt Lövfen beim Kongress der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) am Freitag in Berlin. Der Saal in der „Vertie Music Hall“, einen Steinwurf von der Mauer entfern, ist in diesem Moment mucksmäuschenstill.
Mit Vertrauen das Vertrauen der Menschen gewinnen
Stefan Lövfen beginnt seine Bewerbungsrede um den SPE-Vorsitz mit dieser sehr persönlichen Episode, um den Bogen zur Politik zu schlagen. „Dank einer Gesellschaft, die auf Solidarität gebaut ist, hatte ich die Möglichkeit, ein gutes und zufriedenes Leben zu führen“, sagt Lövfen und lässt keinen Zweifel daran, dass diese Erfahrung auch sein politischer Antrieb geworden ist – als schwedischer Ministerpräsident von 2014 bis 2021 ebenso wie als künftiger SPE-Vorsitzender.
„Ich werde mein Bestes für die SPE und unsere Werte geben“, verspricht Lövfen den 280 Delegierten des SPE-Kongresses und kündigt an: „Ich möchte eine offene und inklusive SPE führen.“ Es werde nur mit gegenseitigem Vertrauen innerhalb der Parteienfamilie gelingen, das Vertrauen der Menschen in Europa zu gewinnen. „Unsere Stärke ist, dass wir so viele sind“, ruft Stefan Lövfen den Delegierten zu. „Jeder von euch ist einer unserer Anführer.
„Wir schreiben jetzt die Geschichtsbücher der Zukunft.“
Den sozialdemokratischen und sozialistischen Parteien komme in diesen Zeiten mit einem Krieg in Europa und den Folgen der Corona-Krise eine entscheidende Rolle zu. „Die Menschen suchen in diesen schwierigen Zeiten Antworten“, sagt Löfven. „Sie müssen wissen, dass wir diese Antworten haben.“ Die SPE müsse die verbindende Kraft sein, wenn Populist*innen und Rechtsextreme versuchten, Kapital aus der Verunsicherung der Menschen zu schlagen. „Wir schreiben jetzt die Geschichtsbücher der Zukunft“, sagt Lövfen. „Gemeinsam werden wir die Zukunft Europas mit Mut gestalten, sodass die besten Tage noch kommen.“
Die Delegierten quittieren das nicht nur mit großem Applaus, sondern auch mit einem überragenden Wahlergebnis ohne Gegenstimme. „Stefan wird ein exzellenter SPE-Vorsitzender sein“, hatte in seiner Abschiedsrede bereits Sergei Stanichev angekündigt. Der ehemalige bulgarische Ministerpräsident hatte die SPE seit 2011 geführt. „Unsere Parteien sind die Grundlage unserer Stärke“, rief Stanichev den Delegierten ins Gedächtnis. Mehr als 30 Parteien gehörten mittlerweile zur Parteienfamilie. „Allein können wir nichts erreichen, aber gemeinsam alles“, sagte Stanichev.
Und es sei einiges, was die europäische Sozialdemokratie in den vergangenen Jahren erreicht habe: ein sozialer Umgang mit den Folgen der Corona-Krise etwa. „Wir sollten sehr stolz auf unsere Errungenschaften sein“, sagte Stanichev. „Sozialdemokratische Politik macht das Leben der Menschen besser.“ Das müsse sich auch bei der 2024 anstehenden Europawahl bemerkbar machen. „Die Sozialdemokratie ist die Bewegung, die Europa besser macht.“
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.