Wie die NATO ihre 2-Prozent-Krise übersteht
US-Präsident Donald Trump verlangt, dass die Europäer mehr Geld für die NATO bezahlen. Diese Forderung ist so alt wie das Bündnis. Die USA übernehmen etwa 70 Prozent der Kosten der Allianz und stellen Fähigkeiten bereit, ohne die diese ihre Aufgaben nicht erfüllen könnte. Trump fordert von den Europäern höhere Verteidigungsausgaben und damit nichts anderes als seine Vorgänger auch.
2-Prozent-Ziel für alle bis 2024
Neu ist dagegen Trumps Warnung im Wahlkampf, die die Europäer aufrüttelte: Amerika werde seine Bündnisverpflichtung in der NATO nur wahrnehmen, wenn die Europäer ihren Anteil zahlen. US-Verteidigungsminister Mattis mahnte später nur etwas freundlicher: Die USA würden am Allianzartikel 5 der NATO zwar festhalten, doch würden sie ihr Engagements zurückfahren, wenn die Lastenteilung nicht gerechter würde.
Die NATO-Verbündeten haben im Konsens selbst eine Ziellinie beschlossen: Mitgliedstaaten sollen zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für die Verteidigung ausgeben – zunächst als Auflage für die Neumitglieder, ab 2002 als Ziel für alle Alliierten und 2014 als Zusage einer schrittweisen Umsetzung bis 2024.
Keine Aussage über Ziel der Investitionen
Diesen Anteil erreichen derzeit nur die USA, Griechenland, Großbritannien, Estland und Polen. Deutschland liegt mit 1,2 Prozent im unteren Mittelfeld. Zwar geben die Deutschen aktuell tatsächlich mehr Geld für die Verteidigung aus: 2016 lag der deutsche Verteidigungshaushalt bei 34,3 Milliarden Euro, er soll nach aktueller Planung bis 2020 auf 39,2 Milliarden Euro steigen. Aber Deutschlands Wirtschaft wächst eben auch. Um die zwei Prozent zu erreichen, müsste Deutschland aktuell etwa 25 Miiliarden Euro im Jahr mehr ausgeben. Stattdessen versucht Deutschland über höhere Effizienz das vorhandene Budget wirkungsvoller einzusetzen.
Das 2-Prozent-Ziel der NATO beschreibt nicht, wofür das Geld ausgegeben wird. Höhere Verteidigungsausgaben können auch in Polizei oder Grenzschutz fließen, oder einfach in ineffizienter Organisation versacken. Großbritannien oder Frankreich bezahlen Nuklearwaffenprogramme und eine globale Interventionsfähigkeit. Das kommt der NATO nicht immer zugute.
Unterschiedliche Positionen von CDU und SPD
In Deutschland könnte sich diese Frage zu einem Wahlkampfthema entwickeln. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bestätigen zwar, dass Deutschland an seiner Verpflichtung festhalten will. Sie schlagen aber keine Steigerungsraten vor, die das glaubwürdig machen. Außenminister Sigmar Gabriel wies bei der Münchner Sicherheitskonferenz darauf hin, dass eine Steigerung der Rüstungsausgaben nicht zulasten der sozialen Sicherheit gehen dürfe.
Nur darf Deutschland jetzt nicht so tun, als hätte es sein Versprechen nicht gegeben. Das würde uns den Ruf der Unzuverlässigkeit einbringen und Wasser auf die Mühlen der NATO-Gegner in den USA leiten. Der Verweis auf hohe Entwicklungshilfe hilft in der Bündnisdebatte auch nicht weiter, denn diese Ausgaben fallen nicht unter Verteidigungskosten. Wir brauchen Kompromisse, die die NATO stärken, unsere Interessen bewahren und die Amerikaner an Bord halten.
Entscheidend sind die Fähigkeiten
Wichtiger als die zwei Prozent, die ja kaum genau beschreiben, was der NATO zugutekommt, wäre ein Kriterienkatalog, der sich an den Fähigkeiten orientiert, die von den nationalen Streitkräften tatsächlich für die NATO bereitgestellt werden. Diese Fähigkeiten müssen aber auch konkret sichtbar werden. Deshalb ist es sinnvoll, dass die Europäer anteilig mehr Geld in Beschaffung, Forschung und Entwicklung von Waffen stecken und gemeinsame Rüstungsprojekte voranbringen. Dabei sollte es um Fähigkeiten gehen, die bislang nur die Amerikaner zur Verfügung stellen, vor allem bei der Verlegung von Streitkräften über weitere Distanzen.
Auch sollten die Europäer anbieten, bei der Rückversicherung ihrer osteuropäischen Verbündeten eine größere Rolle zu spielen. Es mag psychologisch beruhigend sein, dass auch amerikanische Truppen in Polen und im Baltikum stationiert sind, aber eigentlich sind das Aufgaben, die europäische Streitkräfte in weitaus stärkerem Maße erledigen könnten.
Es geht primär nicht um Geld
Nicht vergessen sollten wir, dass es für Deutschland sinnvoll ist, mehr Geld für die Verteidigung auszugeben. Wir haben von der Friedensdividende erheblich profitiert und lange an der Bundeswehr gespart. Das hat Folgen: Viele Systeme sind nicht mehr einsatzfähig, Kasernen sind in einem schlimmen Zustand, und Neuanschaffungen werden lange verzögert. Seit einigen Jahren verändert sich nun die Sicherheitslage Deutschlands: Der Krieg ist uns wieder näher gerückt, das zeigt die Ukraine-Krise deutlich. Dadurch wächst auch die Unterstützung für höhere Verteidigungsausgaben.
Aber es muss auch klar sein, dass es sich nicht um Geld, sondern um Einsatzbereitschaft geht. Dass wir Deutschen vergleichsweise wenig für die Verteidigung ausgeben, ist ja nicht die Ursache für unseren zögerlichen Umgang mit dem Einsatz militärischer Gewalt, sondern eine Folge davon. Wenn Deutschland auch mit militärischen Mitteln mehr Verantwortung in der Welt übernehmen soll, wäre eine Abstimmung mit den USA unter Trump sinnvoll, wie die NATO sich um die eigene und die internationale Sciherheit kümmern soll. Wird das vergessen, macht man den zweiten Schritt vor dem ersten.
ist Leiter des Programms USA / Transatlantische Beziehungen der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. (DGAP).