Nahverkehr: Wie es mit dem Deutschlandticket weitergeht
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Die Verkehrsminister*innen der 16 Bundesländer drücken aufs Tempo. Noch im Oktober müssten die „erforderlichen Entscheidungen“ getroffen werden, damit überhaupt noch eine Chance besteht, das Deutschlandticket im nächsten Jahr weiter anbieten zu können. So steht es in der Abschlusserklärung, die die Verkehrsminister*innen nach einer Sonderkonferenz am Donnerstagabend veröffentlichten. Beim regulären Treffen am 11. und 12. Oktober in Köln verhandeln die Länder weiter. Im besten Fall bringen sie die Finanzierung in trockene Tücher.
Wissing blieb fern
Oliver Krischer (Grüne) ist der Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz (VMK) und hatte zu dem Vorabtreffen eingeladen. Auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte eine Aufforderung erhalten, bei der Video-Konferenz anwesend zu sein. Er war es nicht. So musste er sich berichten lassen, dass die Länder laut Krischer am Deutschlandticket festhalten – und das einstimmig, wie er betonte. Und sie sind bereit, höhere Kosten zu tragen.
Bund und Länder hatten sich im vergangenen Jahr darauf geeinigt, die Kosten für das Deutschlandticket bis zum Jahr 2025 jeweils zur Hälfte zu übernehmen. Kalkuliert wurde mit Ausgaben von jeweils 1,5 Milliarden Euro, also drei Milliarden insgesamt. Für das Jahr 2023 haben beide Seiten vereinbart, auch mögliche Mehrkosten hälftig aufzuteilen. Für das kommende Jahr gibt es dazu aber noch keine Verständigung. Dabei zeichnet sich ab, dass 2024 die veranschlagten drei Milliarden aus dem Bundeshaushalt und den Länderhaushalten nicht reichen werden. Das war allein wegen der allgemeinen Kostensteigerung länger schon erwartet worden. Nun hat der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen eine Prognose vorgelegt, nach der der Finanzierungsbedarf um 1,1 Milliarden anwachsen könnte.
Berg: „Planungssicherheit bedeutet Finanzierungssicherheit“
Die Verkehrsminister*innen erklärten bei ihrem Sondertreffen, dass die Bundesländer zu ihrer Finanzierungsverantwortung stünden und bereit seien, für mindestens die kommenden zwei Jahre Mehrkosten zu tragen. „Das ist eine klare Botschaft“, sagte Krischer. Zum jetzigen Zeitpunkt zu erklären, den Monatspreis für das Ticket teurer zu machen, lehnte die VMK ab. Ministerin Petra Berg (SPD) aus dem Saarland betonte, dass das Deutschlandticket ein Erfolgsmodell sei, das sich im Markt aber noch etablieren müsse. Eine Preiserhöhung bereits für das kommende Jahr würde jedoch genau das Gegenteil erreichen. Fahrgäste könnten ihr Abo kündigen.
Berg setzt stattdessen auf die Wirkung von Marketing und Werbung, um die Einnahmen weiter zu steigern. Dazu müssten die Länder aber wissen, ob der Bund zu seiner Nachschuss-Pflicht stünde. „Planungssicherheit bedeutet Finanzierungssicherheit“, so die Ministerin. Letzteres steht aus: das Bekenntnis des Bundes, Mehrkosten hälftig mitzutragen.
Spar-Vorschläge Wissings empören die Länder
In der Abschlusserklärung der Sonderkonferenz steht: „Ohne ein zügiges Bekenntnis zur Nachschusspflicht ist und bleibt die Fortführung des Deutschlandtickets ab dem Jahr 2024 ernsthaft gefährdet, weil die Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen nicht bereit sind, finanzielle Risiken für ein von Bund und Ländern beschlossenes Produkt zu tragen.“
Bislang habe der Bundesverkehrsminister lediglich erklärt, so Krischer, dass die Verkehrsunternehmen eben sparen müssten. Wissing hatte vorgeschlagen, beispielsweise die Digitalisierung voranzutreiben und Verkehrsverbünde zusammenzulegen. Darin sieht der Bundesminister ein Einsparpotenzial von zwei Milliarden Euro. Für den VMK-Vorsitzenden sind die Vorschläge unrealistisch und die Aussage von Wissing „zynisch“. Guido Beermann (CDU), Minister für Infrastruktur und Landesplanung in Brandenburg, sprach von einer „großen Luftnummer“. Wissing sollte „nicht weiter rumeiern“.
Umwandlung des Semestertickets weiter offen
Die Verkehrsminister*innen wollten bei ihrem Sondertreffen im Oktober mit dem Bundesminister auch über das Semesterticket sprechen. Aus Sicht der Länder muss es zu einem Deutschlandticket umgestaltet werden. Der Betrag von knapp 30 Euro, den Studierende monatlich zu zahlen hätten, wäre als Einnahme zu verbuchen. „Das wäre eine wichtige Einnahmequelle“, stellte Berg fest. Doch auch an diesem Punkt bewege sich der Bundesverkehrsminister nicht. „Es fehlt das Go vom Bund“, seufzte Krischer in der Pressekonferenz, die sich an das virtuelle Treffen anschloss.
Der Text erschien zuerst auf demo-online.de.
ist freier Journalist, unter anderem für die Stuttgarter Zeitung und die Deutsche Presseagentur. Er ist zudem Fachtexter für die Einfache Sprache/Plain Language.