Warum Mitbestimmung Schlüssel für das Gelingen der Transformation ist
IMAGO/Hanno Bode
Wie wir leben und arbeiten, wandelt sich grundlegend. Diese Transformation wird durch die Digitalisierung, das Streben nach Klimaneutralität und den demografischen Wandel vorangetrieben. Veränderungen hat es zwar schon immer gegeben, sie gehören zum Leben – neu ist jedoch das hohe Tempo. Dies gilt auch für die Arbeitswelt. Durch die Transformation entstehen neue Arbeitsplätze, andere verändern sich oder fallen weg.
Als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bietet uns die betriebliche Mitbestimmung und die Mitbestimmung in Unternehmen die Möglichkeit, uns einzubringen. Sie hat in Deutschland eine lange und erfolgreiche Tradition. Studien zeigen, dass mitbestimmte Betriebe und Unternehmen langfristig erfolgreicher sind. Sie erwirtschaften höhere Gewinne und zahlen höhere Löhne.
Defizite in vielen Betrieben
Gerade die bessere Bezahlung und die Möglichkeit zur Mitbestimmung machen Arbeitgeber wiederum attraktiv. In Zeiten des Fachkräftemangels wird die Mitbestimmung zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil für Unternehmen. Gleichzeitig trägt die Mitbestimmung dazu bei, mögliche Vorbehalte der Beschäftigten gegenüber neuen Technologien abzubauen.
Dies ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Unternehmen die Herausforderungen des digitalen Wandels gut meistern. Denn ohne die Unterstützung der Beschäftigten, ohne ihr Wissen und ihre Erfahrungen wird es Unternehmen nicht gelingen, den komplexen Transformationsprozess erfolgreich zu gestalten.
Doch die Realität sieht oft anders aus. Die Interessen von immer weniger Beschäftigten werden durch einen Betriebsrat vertreten. Für die Beschäftigten bedeutet dies, dass sie ihre Interessen und Bedürfnisse nicht einbringen können. Für die Entscheidungsträgerinnen und -träger in den Betrieben und Unternehmen bedeutet es, dass wichtige Informationen aus der Belegschaft sie nicht erreichen, weil der Betriebsrat als vermittelndes Sprachrohr fehlt.
Kampf um Sozialpartnerschaft
In Zeiten der Transformation kann sich diese fehlende Kommunikation zu einem existenziellen Nachteil für den Betrieb entwickeln. Gerade vor diesem Hintergrund ist es nicht hinnehmbar, wenn Betriebsratsarbeit und gewerkschaftliche Interessenvertretung systematisch behindert werden. Immer häufiger werden Wahlen von Betriebsräten verhindert, Beschäftigte werden eingeschüchtert und Anwaltskanzleien beauftragt, um mitbestimmungsfeindliche Strukturen zu schaffen.
Aus amerikanischen Arbeitskämpfen wird für diese Praktiken auch in Deutschland mittlerweile der Begriff „Union Busting“ verwendet. Die Entwicklung zeigt, dass sich die Akzeptanz und der Wert der Sozialpartnerschaft in einem ständigen Kampf befinden. Dabei sind die Zeichen der Zeit andere: Im vergangenen Herbst beschloss die EU-Kommission eine Direktive, die alle Mitgliedsstaaten auffordert, einen Aktionsplan für mehr Tarifbindung zu entwerfen.
Das Ziel soll mittelfristig eine Tarifbindung von 80 Prozent sein. In Deutschland liegt diese Quote bei nur 44 Prozent, Tendenz sinkend. Eine Trendwende zu mehr Tarifbindung kann nur gelingen, wenn Beschäftigte sich in ihren Betrieben organisieren können. Auch hier ist die betriebliche Mitbestimmung deshalb ein entscheidendes Puzzleteil. Doch die Mitbestimmung wird auch dadurch erschwert, dass Arbeit zunehmend dezentraler erfolgt.
Einfluss von künstlicher Intelligenz auf den Arbeitsmarkt steigt
Viele Betriebe sind nicht mehr in nur einer Betriebsstätte zu Hause, sondern finden im digitalen Raum und im Homeoffice statt. Um Beschäftigte auch dort zu erreichen, brauchen die Gewerkschaften zum Beispiel Zugang zu E-Mail-Verteilern oder dem Intranet. Auf ein solches digitales Zugangsrecht hat sich die Ampel im Koalitionsvertrag bereits verständigt.
Das Online-Phänomen „Chat-GPT“ führt uns vor Augen, was künstliche Intelligenz (KI) leisten kann. Der Einfluss dieser Technologie auf unsere Arbeit wird in den nächsten Jahren spürbar steigen. Betriebsräte müssen einbezogen werden, um die Folgen abschätzen und die Funktionsweise von KI mitbestimmen zu können. Bei ihrem Einsatz, zum Beispiel im Bewerbungsverfahren, können nur so Diskriminierungsmuster und Ungleichbehandlungen verhindert werden.
Die Beispiele zeigen: Wie wir leben und arbeiten, wird sich im Zuge der Transformation weiter rasant verändern. Mitbestimmung trägt dazu bei, dass Beschäftigte und Unternehmen diesen Prozess gut gestalten. Damit der Wandel der Wirtschaft zum Fortschritt für alle wird, braucht die Mitbestimmung ein umfassendes gesetzliches Update!
Dieser Artikel ist in der vorwärts-Ausgabe 2/2023 erschienen. Unter diesem Link können Sie das E-Paper abonnieren.
ist Senatorin für Arbeit und Soziales in Berlin sowie Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Arbeit (AfA) der SPD.