Kommentar

Merz im Bundestag: Ein erbärmlicher Hütchenspielertrick

Jonas Jordan23. März 2022
Friedrich Merz ist Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU.
Friedrich Merz ist Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU.
Friedrich Merz will die Abstimmung über das Sondervermögen zur Bundeswehr für parteipolitische Spielchen im Bundestag missbrauchen. Ein durchschaubares Manöver gegen die Ampel-Koalition.

Ein Sympathieträger war Friedrich Merz noch nie. Doch zumindest galt der Hoffnungsträger der Konservativen bislang als besonders gewievter Politiker. Ein Mann mit Ausdauer, kernigen Sprüchen und – zumindest behauptet er selbst das – ausgeprägten Wirtschaftskenntnissen. Von den Rechten der Abgeordneten scheint Merz aber wenig Ahnung zu haben (oder nichts zu halten). Denn nur so ist seine vollkommen absurde und in der Praxis nicht umsetzbare Ankündigung zu verstehen, die er am Mittwochvormittag im Bundestag gemacht hat. 

Der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU plant demnach, an der Bundestagsabstimmung zum Sondervermögen für die Bundeswehr nur so viele Unionsabgeordnete teilnehmen zu lassen, wie für die Zwei-Drittel-Mehrheit zur Änderung des Grundgesetzes benötigt wird. Der Gedanke dahinter ist klar: Merz will die Ampel-Fraktionen unter Druck setzen. Ohne alle Stimmen aller Abgeordneten von SPD, Grünen und FDP käme der Beschluss demnach nicht zustande. Doch das Manöver des Sauerländers ist so durchschaubar wie wirklichkeitsfern. Es widerspricht zudem dem grundgesetzlich garantierten freien Mandat der Abgeordneten. Diese dürften von niemandem daran gehindert werden, an einer Abstimmung des Bundestages teilzunehmen.

Muss Julia Klöckner kochen gehen?

Und wie soll das in der Praxis eigentlich funktionieren? Will Merz vorher in der Fraktion abzählen und alle, die „zu viel“ sind, wieder nach Hause schicken? Muss Jens Spahn dann in seiner Villa im Berliner Westen warten bis die Abstimmung vorbei ist? Muss Julia Klöckner zum Zeitvertreib wieder mit Nestlé kochen gehen? Und was sagt eigentlich Markus Söder dazu? Denn schließlich wären auch seine CSU-Abgeordneten betroffen und die Bajuwar*innen lassen sich doch bekanntlich eigentlich von niemandem etwas sagen.

Was ist eigentlich aus der staatspolitischen Verantwortung geworden, von der die Union früher bei jeder Gelegenheit so gerne gesprochen hat? Da wurden gerne mal Sozialdemokrat*innen als „vaterlandslose Gesellen“ hingestellt. Erst das Land, dann die Partei – das galt lange, für Friedrich Merz offensichtlich nicht mehr. Kein Wunder! Denn der 66-Jährige braucht dringend Erfolge, wenn er nicht wie seine Vorgänger*innen Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet den Posten als CDU-Vorsitzender schon nach kurzer Zeit wieder freimachen will. Auf Rückenwind aus der Landtagswahl im Saarland am Sonntag kann er auch nicht hoffen.

Merz schadet sich nur selbst

Schließlich schadet Merz sich mit seiner Ankündigung nur selbst. Denn das Signal in diesen schwierigen Zeiten mit einem Krieg mitten in Europa wäre doch viel größer und eindrucksvoller, wenn die Union als gesamte Fraktion Haltung zeigen würde und sich nicht auf taktische Spielchen einließe. Das wäre staatspolitische Verantwortung und konstruktive Oppositionspolitik. Merz' am Mittwoch angekündigtes Manöver ist jedoch nur ein erbärmlicher Hütchenspielertrick, bei dem schon vorher klar ist, wo die Erbse liegt.

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Kommentare

ja, nicht schön, und dennoch clever-

bei umgekehrten Vorzeichen würden wir uns einen feixen über einen solchen Dreh, der durch Artikel wie diesen hier noch unnötig erhöht wird. Je lauter und schriller das Wehklagen, desto wirksamer ist dann ja wohl die Ursache . Ich würde mir etwas mehr Gelassenheit wünschen, auch im Artikel, denn ich habe keine Zweifel, dass die Regierung steht, gerade dann, wenn es knapp wird. Das ist die Stunde der Fraktionsvorsitzenden, und trauen wir Mützenich nicht, die seinen bei der Stange zu halten? Ich traue ihm!