Von „Merit Order“ bis „Redispatch“: Warum die Strompreise steigen
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Warum steigt der Strompreis überhaupt? Es gibt doch einen Gastnotstand.
Da in Deutschland, Europa, gar weltweit, Strom überwiegend aus fossilen Energieträgern erzeugt wird, hängt der Preis für die Kilowattstunde grundsätzlich auch vom Grundpreis von Gas, Kohle, Öl, in gewissem Maß sogar von Uran ab. Werden die teurer, wird auch der daraus erzeugte Strom teurer.
Und was ist mit Strom aus Erneuerbaren Energien?
Der ist in der Herstellung die mit Abstand günstigste Art der Stromerzeugung. Sind Windkraft- oder Solaranlagen erstmal gebaut, verbrauchen sie für die Stromproduktion keine Ressourcen – jedenfalls nicht direkt. Allerdings liefern sie nicht kontinuierlich Strom. Wenn keine Sonne scheint oder kein Wind weht, entsteht auch kein Strom. Damit ist die Energie aus diesen Quellen zwar günstig, aber ohne große Speicher und gut ausgebaute Stromnetze nicht konstant überall verfügbar wie es bei konventionellen Kraftwerken der Fall ist.
Also sinkt der Strompreis, wenn mehr Strom aus Erneuerbaren eingespeist wird?
So einfach ist es leider nicht. Denn der Strommarkt funktioniert nach dem Prinzip der „Merit Order“. Die bedeutet vereinfacht: Alle Kraftwerke bieten ihre Produktionskapazitäten an bis genügend Strom in Europa produziert wird, um den Bedarf zu decken. Dabei wird allerdings nicht der Art der Erzeugung unterschieden: Alle Anbieter erhalten denselben Preis, bestimmt durch das teuerste Kraftwerk am Netz. Es reicht also zurzeit ein einziges Gaskraftwerk am Netz, um den Preis für die Kilowattstunde Strom in die Höhe zu treiben, egal wie günstig alle anderen zu diesem Zeitpunkt produzieren. Die SPD drängt deshalb darauf, Gaskraftwerke aus dem Merit-Order-System zu nehmen, zumindest solange der Gaspreis so hoch ist wie zurzeit.
Warum gibt es überhaupt diese „Merit Order“?
Auf einem „normalen“ Markt würde Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen – bis ein Produkt ausverkauft ist. Dann würden Gaskraftwerke aber vermutlich fast nie laufen, weil nicht garantiert ist, dass ihr Betrieb auch kostendeckend ist. Über die „Merit Order“ wird das ausgeglichen, damit immer genügend Strom produziert wird und die Netze stabil bleiben. Denn das „Produkt“ Strom darf eben nicht ausverkauft sein, weil dann der „Markt“, also das Stromnetz, zusammenbrechen würde und es zu einem Blackout käme.
Warum müssen Gaskraftwerke überhaupt laufen? Reichen Kohle, Atomkraft und Erneuerbare nicht aus?
Leider nicht. Das liegt zum einen daran, dass die Kapazitäten von Wasser-, Windkraft und Photovoltaik weder in Deutschland noch in Europa insgesamt ausreichen, um den Strombedarf zu decken.Jedenfalls noch nicht. Hinzu kommt, dass viele Kraftwerke derzeit abgeschaltet sind: In Frankreich ist nach wie vor rund die Hälfte der Atomkraftwerke nicht am Netz, nach der Dürre fehlt außerdem Wasser in Wasserkraftwerken und zum Transport der Kohle. So summieren sich fehlende Kapazitäten, die im europäischen Verbund aufgefangen werden müssen – mit Erneuerbaren, aber eben auch mit fossilen Kraftwerken.
Und es kommt noch etwas hinzu: Es fehlt an Übertragungsnetzen in Europa. So können oft die Strommengen, die zum Beispiel an der windreichen Nordseeküste in Deutschland produziert werden, nicht in den energiehungrigen Süden transportiert werden, der Ausbau stockt seit Jahren, blockiert u.a. von der CSU. Die Bundesnetzagentur reagiert bei einem solchen Flaschenhals dann mit einem „Redispatch“: Dabei wird im Norden die Leistung von Windkraftanlagen reduziert und im Süden müssen Kraftwerke die Leistung erhöhen – sonst würde auf beiden Seiten eine Überlastung des Stromnetzes drohen. Oft genug springen in solchen Fällen dann ebenfalls Gaskraftwerke ein, da die ihre Stromproduktion besonders flexibel und schnell anpassen können. Auch solche Eingriffe treiben dann den Strompreis.