Inland

Wie Martin Schulz im Bundestag mit der AfD abrechnet

Während die Kanzlerin die AfD ignoriert, geht Martin Schulz die Rechtspopulisten im Bundestag frontal an. Für seine bemerkenswerte Replik auf die Rede von Alexander Gauland erhält Schulz im Plenum fraktionsübergreifenden Applaus und stehende Ovationen.
von Lars Haferkamp · 12. September 2018
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In der Generaldebatte des Bundestages zum Kanzlerhaushalt nutzte die AfD erneut die Chance, ihre Themen Migration und Kriminalität in den Mittelpunkt zu stellen. Das zeigte die Rede von AfD-Chef Alexander Gauland überdeutlich, der als Vorsitzender der größten Oppositionsfraktion die Aussprache eröffnete und nahezu ausschließlich zu diesen Themen sprach.

Merkel ignoriert, Schulz attackiert

Gauland warf der Bundesregierung vor, rechtsextreme Taten hoch und Gewalt von Migranten herunterzuspielen. Zu den Ereignissen in Chemnitz sagte er: „So widerlich Hitlergrüße sind: Das wirklich schlimme Ereignis war die Bluttat zweier Asylbewerber.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel griff Gauland namentlich an, weil sie mit der Bezeichnung der Demonstrationen in Chemnitz als „Zusammenrottung“ im „Duktus eines totalitären Staates“ gesprochen habe, ganz so wie die damalige DDR-Führung auch von regimekritischen Demonstrationen gesprochen habe.

Doch während die Kanzlerin auf die direkten Angriffe auf ihre Person und Politik in der Debatte nicht einging, platzte nach der Rede Gaulands einem Abgeordneten der Kragen: Martin Schulz. Da Gauland zuvor eine Zwischenfrage von Schulz nicht zuließ, meldete sich der frühere SPD-Chef nach der Gauland-Rede zu einer Zwischenbemerkung. Und die hatte es in sich.

Rhetorische Aufrüstung führt zu Gewalt

„Die Reduzierung komplexer politischer Sachverhalte auf ein einziges Thema, in der Regel bezogen auf eine Minderheit im Land, ist ein tradiertes Mittel des Faschismus. Das haben wir heute erneut vorgeführt bekommen“, begann Schulz und erhielt sogleich langanhaltenden Applaus im Plenum. Er warf der AfD Parolen wie ‚Die Migranten sind an allem schuld!‘ vor. Eine „ähnliche Diktion“ habe es im Reichstagsgebäude schon einmal gegeben.

„Ich finde, es ist Zeit, dass die Demokraten in diesem Lande sich gegen diese Art der rhetorischen Aufrüstung wehren, die am Ende zu einer Enthemmung führt, deren Resultat Gewalttaten auf den Straßen ist. Es ist Zeit, dass sich die Demokratie gegen diese Leute wehrt!“, so der leidenschaftliche Appell von Martin Schulz. Stehende Ovationen bei SPD und Grünen, Applaus von Union und FDP.

Gauland auf den Misthaufen der Geschichte

Die Zwischenfrage, die Schulz zuvor stellen wollte, bezog sich auf eine Aussage Gaulands, der das Zeigen des Hitlergrußes ‚unappetitlich‘ nannte. „Das Zeigen des Hitlergrußes ist eine Straftat, die strafrechtlich verfolgt werden muss“, stellte Schulz unter Applaus klar. „Die Art der Rede, die wir hier gehört haben, die Reduzierung auf ein einziges Thema, das ist ein Stilmittel, das bekannt ist“, so Schulz. „Das wird kombiniert mit Aussagen wie das tausendjährige Reich sei ‚ein Vogelschiss‘. Herr Gauland, die Menge von Vogelschiss ist ein Misthaufen und auf den gehören Sie in der deutschen Geschichte!“, rief der Sozialdemokrat dem AfD-Chef zu.

Der antwortete auf die Zwischenbemerkung: „Das hat mit Faschismus überhaupt nichts zu tun, was ich gesagt habe.“ Gauland sprach dagegen vom Versuch, die AfD aus dem demokratischen Konsens auszugrenzen. „Das machen Sie. Aber das wird Ihnen nicht gelingen, Herr Schulz“, so der AfD-Chef. In der anschließenden Debatte zeigten die Redner von Union, SPD, FDP, Linken und Grünen, bei aller Unterschiedlichkeit der Standpunkte, dass man sich in einer Analyse einig ist: Es ist die AfD selbst, die sich aus dem Grundkonsens der Demokraten ausgrenzt.

2016 verwies Schulz einen Neonazi des Sitzungssaals

Schulz ist für seine klare Linie gegen Rechts bekannt. Im März 2016 verwies er, damals noch als Präsident des Europaparlaments, einen Abgeordneten der griechischen Neonazi-Partei "Goldene Morgenröte" des Sitzungssaals in Straßburg. Dieser hatte in einer Debatte zur Flüchtlingsfrage die Türken als „geistige Barbaren“, „Schwindler“ und „schmutzig“ bezeichnet. Schulz bezeichnete den Ausschluss des Abgeordneten damals als eine „Grundsatzentscheidung“. Er habe den Eindruck, dass „systematisch der Versuch unternommen“ werde, rote Linien zu überschreiten, „um den Rassismus salonfähig zu machen“. Schulz’ klare Botschaft damals wie heute: „Nicht mit mir.“

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