Martin-Luther-King-Day: Der Traum ist noch nicht erfüllt
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Als sich rund eine Viertelmillionen Menschen am 28. August 1963 zum „Marsch auf Washington für Arbeit und Freiheit“ zusammenschlossen, war dies der Höhepunkt der Amerikanischen Bürgerbewegung. Ein breites Bündnis aus verschiedenen Bürgerrechtsorganisationen, Studentenvereinigungen und Gewerkschaften hatte den Marsch organisiert. Zuvor verbreiteten viele Medien die Angst, dass dieser in Gewalt enden könnte; bei Demonstrationen im selben Jahr hatten sich einige Teilnehmer dem Aufruf zur Gewaltfreiheit widersetzt. In den Washingtoner Gefängnissen war sogar Platz geschaffen worden um für mögliche Massenverhaftungen vorbereitet zu sein. Doch die Teilnehmer blieben friedlich.
Zu ihren Forderungen gehörten das Verbot von Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, die sofortige Aufhebung der Rassentrennung an Schulen, sowie Programme gegen Arbeitslosigkeit. Am Ende des Marsches bewegte Martin Luther King Jr. mit seiner berühmten „I have a dream“-Rede die Massen weit über Washington hinaus.
In den auf den Marsch folgenden Monaten und Jahren wurden die wichtigsten amerikanischen Bürgerrechtsgesetze verabschiedet, die zumindest legal die Rassentrennung und andere Formen der Diskriminierung beendeten. Noch heute begründen viele Bürgerrechtler die Motivation und den Mut für ihr Engagement mit diesem Erfolg.
Die Ursprünge der Bürgerrechtsbewegung
Die amerikanische Bürgerrechtsbewegung wurde als Reaktion auf die ab Ende des 19. Jahrhundert erlassenen „Jim Crow Laws“ geboren. Diese Gesetze schrieben eine strickte Rassentrennung zwischen schwarzen und weißen Bürgern fast allen Gebieten vor. Auch wenn die Trennung offiziell als „seperate but equal“ (getrennt aber gleich) bezeichnet wurde, waren Schulen, öffentliche Verkehrsmittel, Wasserspender oder Toiletten für Schwarze fast durchgängig schlechter als die für Weiße. Zusätzlich schlossen die Gesetze die meisten Schwarzen vom Wahlrecht aus und ermöglichten offene Diskriminierung durch Arbeitgeber.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts konnte die Bürgerrechtsbewegung, wegen geringer Beteiligung – selbst von Schwarzen – nur schleppend Fortschritte erzielen. Schrittweise wurden zwar in vielen Staaten mehr Schwarze zur Wahl zugelassen und 1954 die Rassentrennung in Schulen für verfassungswidrig erklärt, doch die Diskriminierung ging weiter. Bis zu dieser Zeit hatte die Bewegung an Mitstreitern gewonnen. Als Rosa Parks 1955 in Montgomery festgenommen wurde, weil sie sich geweigert hatte, einem Weißen ihren Sitzlatz im Bus zu überlassen, begannen zehntausende Schwarze in der Stadt die Busse zu boykottieren. Sie setzten damit ein Zeichen für zivilen Ungehorsam und sorgten für eine Aufbruchsstimmung innerhalb der Bürgerbewegung.
Die Forderungen nach Gleichbehandlung wurden besonders an Orten, an denen die Diskriminierung am stärksten auftrat mit gewaltlosem Widerstand in Form von Sitzblockaden und Protestmärschen begleitet. Die Polizei reagierte darauf nicht selten mit Gewalt und Verhaftungen waren an der Tagesordnung. Der Baptistenpastor Martin Luther King Jr., der sich als Anführer der Bürgerbewegung etabliert hatte, ermahnte die Beteiligten immer wieder den Provokationen zu widerstehen und auf Gewalt zu verzichten.
Der Traum ist noch nicht erfüllt
Fast 60 Jahre nach dem „Marsch auf Washington“ 1963 hat sich in Sachen Gleichberechtigung in den USA einiges getan – nicht zuletzt durch den ersten schwarzen Präsidenten Barack Obama. Trotzdem werden Amerikaner*innen mit afrikanischen Wurzeln im Alltag immer wieder diskriminiert und von der Polizei allein aufgrund ihrer Hauptfarbe unter Generalverdacht gestellt. Die „Washington Post“ hat ermittelt, dass schwarze Amerikaner*innen deutlich häufiger von der Polizei erschossen werden als weiße: Obwohl sie nur 13 Prozent der US-Bevölkerung stellen, hat jedes vierte Opfer eine schwarze Hautfarbe. Die Tötung von George Floyd durch den weißen Polizisten Derek Chauvin im Mai 2020 markierte einen traurigen Höhepunkt und sorgte für weltweite Anteilnahme und Proteste. Von der Erfüllung von Martin-Luther-Kings Traum sind die USA noch weit entfernt.Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.