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Marco Bülow zur Ungerechtigkeit: Politik muss handeln, jetzt!

Erst Oxfam, jetzt das Arbeitsministerium für Arbeit und Soziales: Untersuchungen zur sozialen Gerechtigkeit in Deutschland liefern erschreckende Ergebnisse. Der SPD-Abgeordnete Marco Bülow warnt vor gesellschaftlichem Sprengstoff und fordert entschiedenes Handeln der Politik.
von Marco Bülow · 25. Januar 2016
Die Schere zwischen arm und reich
Die Schere zwischen arm und reich

Oxfam meldet, dass die 62 reichsten Personen der Welt mittlerweile so viel besitzen wie die 3,5 Milliarden Menschen der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung. Während das Vermögen der ärmeren Hälfte in den letzten fünf Jahren um 41 Prozent gesunken ist, haben die Reichsten der Reichen ihr Vermögen um 44 Prozent erhöht.

Ungleichheit gefährdet den sozialen Frieden

Diese Zahlen müssten uns schockieren, doch Politik und Medien führen die Debatte über die wachsende Ungleichheit schon seit Jahren nicht mehr. Dabei geht es um nichts weniger als um den sozialen Frieden. Warum haben Pegida, die AfD und andere Rechtspopulisten in ganz Europa so viel Zulauf? Es sind in erster Linie nicht die Vorbehalte vor zu vielen Flüchtlingen, sondern die Angst den sozialen Staus zu verlieren oder endgültig zu „den Verlierern“ zu gehören.

In der Eurozone sind die größten Vermögensunterschiede ausgerechnet in Deutschland zu finden. Laut der neuesten Oxfam-Studie besitzen hier 10 Prozent der Haushalte 63 Prozent des Vermögens. Tendenz steigend. Wie beschämend ist diese soziale Ungleichheit für ein solch reiches Land! Als Hauptursache benennt Oxfam die unzureichende Besteuerung von Vermögen und Kapitalgewinnen. Doch all dies ist in Deutschland kaum eine Diskussion wert. Dabei wäre genau das ein wichtiger Grund mit Merkel unzufrieden zu sein, nicht die Scheingefechte, die vor allem die CSU und Teile der Medien mit ihr gerade ausfechten.

Experten warnen schon lange vor Folgen der Ungleichheit

Eine genauere Analyse zeigt, dass in Deutschland die frühere Annahme eines möglichen Aufstiegs durch gute Arbeit hinfällig geworden ist. Der Ökonom Thomas Piketty hat dies eindrucksvoll beschrieben. Reicher wird man durch Erbschaften und durch bereits vorhandenes Kapital. Der Reichtum bleibt bei dem obersten Segment der Wohlhabendsten. Diese Gruppe wird zudem durch weitere Steuerentlastungen bevorzugt. Die Mittelschicht schmilzt und rasch steigt die Zahl derer, die als „arm“ gelten. Besonders Alleinerziehende und Erwerbslose sind betroffen. Dies wird auch der diesjährige Reichtums- und Armutsbericht bestätigen.

Diese Entwicklung gefährdet unser demokratisches System. Bereits 2010 hat Wilhelm Heitmeyer in einer Studie festgestellt, dass Werte wie Gerechtigkeit, Solidarität und Fairness in der Mitte der Gesellschaft immer weniger Anklang finden. Gerade bei Menschen aus der unteren Soziallage sei die Bereitschaft stark gesunken, sich überhaupt noch aktiv an demokratischen Prozessen zu beteiligen. Stattdessen habe sich eine „wutgetränkte politische Apathie“ ausgebreitet, von der vor allem der neue Rechtspopulismus profitiere. Wie Recht er hatte, zeigt sich aktuell.

Gerechtes Steuersystem als „Schlüssel zur Gleichheit“

Dabei ist es gar nicht so schwer, die soziale Ungleichheit zu verringern, Aufstiegschancen zu verbessern ohne den Vermögenden zu viel abzuverlangen. Dazu müssten wir aber mutig und ohne Rücksicht auf Lobbyinteressen eine Reihe von Maßnahmen ergreifen, in deren Mittelpunkt ein gerechteres Steuersystem stehen müsste. Wirksam wären zudem die moderate Erhöhung des Mindestlohns, die Verhinderung des Missbrauchs von Werkverträgen, eine Stärkung des sozialen Arbeitsmarktes und die Ausrichtung des Soli nach Bedürftigkeit und nicht nach Himmelsrichtung. Das müssen Hauptziele der Sozialdemokratie werden, um der sozialen Ungleichheit entgegenzutreten. Aber auch unbequeme Entscheidungen gilt es zu treffen: Beispielsweise statt den sehr großen Wehretat noch weiter erhöhen, das Geld lieber für Bildung, Schulsozialarbeit und sozialen Wohnungsbau verwenden.

Autor*in
Marco Bülow

Marco Bülow ist seit 2002 SPD-Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Dortmund I und ­darüber hinaus stellvertretender energiepolitischer ­Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.

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