Maja Wallstein, Erik von Malottki: Mit ostdeutscher Stärke nach Berlin
Zwei junge Sozialdemokrat*innen, Jahrgang 1986, ostdeutsch – und auf dem Weg in den Bundestag: Auf der digitalen Couch der „Sozen-WG“ standen Maja Wallstein und Erik von Malottki „vorwärts“-Redakteurin Daniela Sepehri Rede und Antwort – und kamen schnell auf ihre Gemeinsamkeiten zu sprechen. Beide Jahrgang 1986 – „Scherzkeks“ Malottki wurde im April geboren, wie Wallstein weiß, die Brandenburgerin selbst im März. Damit gehören sie zu der jungen Generation, die für ihre Region kämpfen und streiten wollen. Die in ihrer Heimat geblieben sind, während andere der Lausitz und Vorpommern den Rücken kehrten – so wie in vielen anderen Regionen Ostdeutschlands nach der Wende. Maja Wallstein tritt im Wahlkreis Cottbus-Spree-Neiße die Nachfolge von SPD-Urgestein Ulrich Freese an, Erik von Malottki will im Wahlkreis Vorpommern-Greifswald-Mecklenburgische Seenplatte Philipp Amthor (CDU) Konkurrenz machen.
Doch Malottki und Wallstein treten nicht nur für ein gutes SPD-Ergebnis in ihren Wahlkreisen an, sondern auch für einen Wandel, eine große Hoffnung: Sie finden beide, dass ihre Regionen mehr können, dass die Menschen in der Region mehr Gehör finden sollten. Die Region solle wieder „Enkeltauglich“ werden, meint Wallstein, wenn sie mehr Digitalisierung und Investitionen in Bildung fordert. Für von Malottki steht im Vordergrund „dass wir die Region wieder so gestalten, dass man bleibt.“ Beide hegen die Hoffnung, dass Menschen wieder in ihre Heimat zurückkehren. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, beispielsweise durch ortsunabhängiges Arbeiten, neue Perspektiven und gute Infrastruktur, könne das klappen.
Alles andere als unpolitisch
„Menschen interessieren sich extrem für Politik“, räumt Wallstein dabei auch mit einem Klischee auf. Sie kann aus eigener Erfahrung bei ihrer Zuhörtour von zahlreichen Gesprächen berichten, was die Menschen umtreibt, was sie ärgert. Die Anwohner*innen sprachen sie auch auf tagesaktuelle Nachrichten an. Und Erik von Malottki kann aus seinem mobilen Café in Vorpommern ähnliches berichten: „Corona und Klima spielt hier keine so große Rolle“, sagt er im Gespräch, „Löhne, Rente, Kita und Schule“ aber eben schon.
Während in anderen Teilen des Landes die Türen im Wahlkampf gezählt werden, zählen die beiden allerdings lieber Gespräche, Begegnungen, setzen auf andere Wahlkampformate. Und sie verkörpern den gläsernen Abgeordneten: Erik von Malottki initiierte die Aktion „#unbestechlich“, auch als Gegenentwurf zu seinem CDU-Konkurrenten Philip Amthor. Der Sozialdemokrat verpflichtet sich, seine Steuererklärung zu veröffentlichen, keine bezahlte Lobbytätigkeit anzunehmen und Kontakte auch transparent machen. Alles über seine Diät als Abgeordneter hinaus will er spenden. Dieselbe Selbstverpflichtung haben neben Wallstein bereits weitere rund 100 Abgeordnete unterschrieben. Und von Malottki setzt erfolgreich auf Kleinspenden für den Wahlkampf, wirbt um ein paar Euro von Einzelpersonen – statt Großspenden von Unternehmen einzusammeln wie Amthor. Über 20.000 Euro hat von Malottki so schon gesammelt, einen Teil davon will er ebenfalls spenden.
Treuhand als ostdeutsche „Wunde“
Doch beide reden nicht nur über Mut und Hoffnung, sondern auch über Ärger. „Wunden“, nennt Wallstein die Erfahrungen in der Zeit nach der Wende, die immer noch schmerzen. De-Industrialisierung, Massenarbeitslosigkeit, das sind die Erfahrungen, die die älteren Menschen nach der Wende gemacht hätten. „Die Menschen hier sind wahnsinnig enttäuscht“, berichtet Wallstein, „da müssen wir nacharbeiten.“ Deswegen fordert auch von Malottki einen Untersuchungsausschuss über die Treuhand, die damals die staatliche DDR-Industrie privatisierte – „verscherbelte“, würde es in Ostdeutschland wohl eher heißen.
„Viele Arbeitsplätze sind quasi über Nacht verschwunden“, sagt Wallstein. Ganze Straßenzüge habe das mancherorts getroffen. Und trotzdem seien Menschen bis heute zu stolz gewesen, um dann „zum Amt“ zu gehen und sich arbeitslos zu melden.
Erst zuhören, dann urteilen
Stattdessen ist es Wallstein, die zu diesen Menschen geht und zuhört – auch wenn die auf die SPD vielleicht nicht gut zu sprechen sind oder offen kundtun, dass sie zuletzt die AfD gewählt haben. Zuhören, das falle Politiker*innen oft schwer, sei aber gerade in ihrem Wahlkreis wichtig. Davon ist sie überzeugt. Ebenso müsse man nicht bei jedem „Spiegelstrich“ einer Meinung sein, gibt Erik von Malottki zu bedenken. Unterstützung bekommt er dann nämlich manchmal trotzdem – so wie der eine Bürger, der ihm trotz unterschiedlicher Ansichten sagte: „Ich find’s toll, dass du dich für die Region einsetzt und deswegen wähle ich dich.“
In der „Sozen-WG“ des „vorwärts“ kommen junge Genoss*innen ins Gespräch. Vernetzt, digital, live – bei Instagram. Für alle zum Zuhören und mitreden.