Die Macht im Westen: Warum die SPD in NRW wieder stärkste Kraft ist
Leon Kuegeler/ photothek
Die SPD blickt in Nordrhein-Westfalen auf eine ruhmreiche Geschichte zurück. Sozialdemokratische Ministerpräsident*innen wie Johannes Rau, der von 1978 bis 1998 genau 20 Jahre lang regierte, prägten das bevölkerungsreichste Bundesland maßgeblich. Doch in der jüngeren Vergangenheit hatten die Sozialdemokrat*innen im Westen der Republik eine tiefere Talsohle zu durchschreiten. Bei der Bundestagswahl vor vier Jahren landete die SPD noch mehr als sechs Prozentpunkte hinter der Union, vor zwei Jahren bei der Europawahl waren es nur 19,2 Prozent in der viel zitierten „Herzkammer der Sozialdemokratie“.
Doch nun haben sich die Verhältnisse aus Sicht der Sozialdemokratie in Nordrhein-Westfalen wieder zurecht gerückt. Bei der Bundestagswahl lag die SPD mit 29,1 Prozeent fast zehn Prozentpunkte über dem Ergebnis der Europawahl. Vor allem aber wurde sie wieder klar stärkste Kraft, deutlich vor der CDU, die mit Ministerpräsident Armin Laschet als Kanzlerkandidaten ins Rennen ging und lediglich auf 26 Prozent kam. „Es gab keinen Heimvorteil für Armin Laschet“, sagt daher der SPD-Landesvorsitzende in Nordrhein-Westfalen, Thomas Kutschaty.
Früh auf dem Platz mit großer Geschlossenheit
Entscheidend für den Wahlsieg war aus Kutschatys Sicht, „dass wir früh auf dem Platz waren mit Olaf Scholz als Kandidaten, eine große Geschlossenheit gezeigt haben und ein gutes Programm hatten, bei dem wir mit wenigen Punkten sehr deutlich machen konnten, dass wir für soziale Gerechtigkeit stehen“. Die Forderung nach einem Mindestlohn in Höhe von zwölf Euro, das Versprechen einer sicheren Rente und die Bemühungen für bezahlbaren Wohnraum seien ganz entscheidende Punkte, die die Menschen in Nordrhein-Westfalen sehr beträfen, glaubt der Landes- und Fraktionsvorsitzende.
Ungefähr jede*r fünfte bundesweit Wahlberechtigte lebt in Nordrhein-Westfalen. Das überdurchschnittliche Ergebnis für die SPD dürfte also einen ganz entscheidenden Teil zur deutlichen Steigerung auf Bundesebene beigetragen haben. Das glaubt auch Kutschaty und lobt vor allem die Kandidierenden in den 64 Bundestagswahlkreisen, die eine sehr hohe Motivation gezeigt hätten: „Auch als die Werte noch nicht so positiv für uns waren, sind sie losgelaufen, haben Haustürbesuche und kleine Veranstaltungen gemacht, sich auf die Marktplätze gestellt, Betriebe besichtigt und einen engen Schulterschluss mit den Gewerkschaften gesucht. Das war einfach toll zu sehen.“
49 SPD-Abgeordnete aus NRW
Das zahlte sich aus. Denn der neuen SPD-Bundestagsfraktion gehören 49 Abgeordnete aus Nordrhein-Westfalen an, was fast ein Viertel aller SPD-Abgeordneten ausmacht. Als Sprecher der NRW-Landesgruppe wurde erneut Achim Post mit 97,8 Prozent gewählt, der im Wahlkreis Minden-Lübbecke I das Direktmandat gewann. „Die SPD, die Abgeordneten und die vielen Ehrenamtlichen vor Ort in ihren Wahlkreisen haben in den vergangenen Wochen eine beeindruckende Aufholjagd geschafft. Die SPD ist in NRW wieder stärkste Kraft und mit diesem Rückenwind gehen wir 2022 in die NRW-Landtagswahl“, lobt dieser.
Denn für die nordrhein-westfälische SPD heißt es jetzt: Nach der Wahl ist vor der Wahl. In ziemlich genau siebeneinhalb Monaten ist Landtagswahl. Dann will Thomas Kutschaty neuer Ministerpräsident des Landes werden und in die Düsseldorfer Staatskanzlei einziehen. Doch während die SPD die Kandidatenfrage bereits vor circa einem halben Jahr geklärt hat, ist die Lage bei der CDU – ähnlich wie im Vorfeld der Bundestagswahl – weiter diffus. Und das obwohl Laschet bereits vor Monaten angekündigt hatte, in jedem Fall nach der Bundestagswahl nach Berlin wechseln zu wollen. Deshalb kommt Kutschaty zu dem Schluss: „Dass die CDU es nicht geschafft hat, bis zum Wahltag eine Nachfolgefrage zu organisieren oder ein Verfahren zu finden, zeigt noch mal die innere Zerstrittenheit der Union. Eine solche Partei ist nicht in der Lage, das Land zu regieren.“
Vier zentrale Punkte für die Landtagswahl
Hingegen hat die nordrheinwestfälische SPD bereits vier zentrale inhaltliche Punkte identifiziert, mit denen sie in den Landtagswahl ziehen will. Es geht darum, die industrielle Transformation unter neuen klimapolitischen Voraussetzungen zu bewältigen, Chancengleichheit für Kinder im Bildungssystem zu schaffen, für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen und ein gutes Gesundheitssystem zu gewährleisten. Denn die Landesregierung unter Laschets Führung plane aktuell die Schließung von Krankenhäusern. „Das ist das Schlechteste, was man jetzt machen kann. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass wir lieber ein Bett zu viel als zu wenig frei haben sollten“, sagt Kutschaty.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo