Lothar Binding: So kommen wir gestärkt aus der Corona-Krise
Dirk Bleicker
Eines unserer Hauptziele war und ist eine sozial-ökologische Zukunft – das erfordert eine große Transformation. Wir wollen die Armut in unserem reichen Land überwinden, wollen faire Löhne und faire Arbeitsbedingungen. Wir wollen auch den Schutz von Klima, Umwelt und Natur durch den Aufbau einer CO2-freien Energieversorgung und eine zukunftsfähige digitale Infrastruktur.
In der Krise: Rettung von Arbeitsplätzen und Unternehmen
Die Corona Pandemie stellt eine extreme Zäsur in der sozialen, kulturellen und ökonomischen Entwicklung unserer Gesellschaft dar. In der Krise finden sich Risiko und Chance. Wollen wir die Chancen der Krise nutzen, müssen wir einen Pfad für die große Transformation definieren.
Eine erste Voraussetzung dafür ist, dass in der Krise dauerhafte Folgeschäden vermieden werden. Das geht einher mit der Abwendung akuter Gefahren durch den Verlust von Arbeitsplätzen und Insolvenzen von Unternehmen. Diese erste Phase ist durch Zuschüsse für kleinere Unternehmen und Kredite für größere Unternehmen in Kombination mit Kurzarbeitergeld gut gelungen. In dieser konjunkturellen Ausnahmesituation konnten sich Arbeitnehmer*innen, Arbeitgeber*innnen und Unternehmen in größter Not auf die Gemeinschaft, unseren Staat verlassen.
Aus der Krise: Konjunkturbelebung in der Wiederanlaufphase
Eine zweite Voraussetzung ist, dass wir nach dem Shutdown – in der Wiederanlaufphase der Wirtschaft – konjunkturbelebende Elemente definieren, um die Unternehmenslandschaft in dieser fragilen Phase zu pflegen und Wachstumsimpulse möglich zu machen.
Neben der inneren Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen ist ihre Markteinbettung eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine sichere Zukunft. Das bedeutet, dass wir die Binnennachfrage stärken müssen, aber ebenso die internationale Nachfrage zur Sicherung des Exports. Deshalb erlangen einerseits die großen Hilfeprogramme zur Stärkung von Wirtschaft und Beschäftigung in Deutschland, andererseits die Hilfeprogramme der Europäischen Kommission, der Europäischen Investitionsbank und des europäischen Stabilitätsmechanismus große Bedeutung.
Binnennachfrage stärken
Familien mit Kindern sollen einen einmaligen Kinderbonus in Höhe von 300 Euro für jedes Kind erhalten. Die Senkung der EEG Umlage und der Stromsteuer sind weitere Elemente, Familien zu helfen und die Binnennachfrage zu stimulieren. Die Binnennachfrage wird eben nicht von jenen gesichert, die sich an der Aktenbörse in New York tummeln, sondern von jenen, die Ihr Einkommen ortsnah ausgeben.
Unternehmen werden möglicherweise noch einige Monate unter den Umsatzeinbrüchen der Krise zu leiden haben. Sie wollen wir mit der Möglichkeit eines verlängerten Bezuges von Kurzarbeitergeld unterstützen, Investitionen sollen sie degressiv und geringwertige Wirtschaftsgüter direkt bis 1.000 Euro netto sofort abschreiben können.
Für eine Vermögensabgabe zur Finanzierung
Saskia Esken hat kürzlich eine Vermögensabgabe zu Finanzierung der staatlichen Belastungen vorgeschlagen. Das Geschrei von liberaler und konservativer Seite entsprach unseren Erwartungen. Ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt aber, dass es eine solche Abgabe bereits gab, den Lastenausgleich, 1952 beschlossen von der kommunistischen CDU/CSU und FDP Bundesregierung und Konrad Adenauer. Damals mussten 50 Prozent des Vermögens abgegeben werden – verteilt auf 30 Jahre. Und erinnern wir uns nicht alle, wie damals, auch in Verbindung mit Einkommensteuersätzen von etwa 90 Prozent, massenweise Unternehmen ins Ausland abgewandert sind und die Wirtschaft zusammenbrach?
Ach nein, Moment! Im Gegenteil, in den Folgejahren erlebte die Bundesrepublik einen grandiosen Aufstieg. Wir sehen, eine Vermögensabgabe könnte ein geeignetes Mittel sein. Mit der Arbeitsgemeinschaft SPD 60 plus an meiner Seite und dem Parteitagsbeschluss im vergangenen Jahr denke ich auch an eine Vermögensteuer.
Nein zu Steuersenkungen für Konzerne
Was mit der SPD absolut unmöglich ist, ist eine statische Begrenzung der Sozialabgaben und damit der Sozialleistungen für die Beschäftigten und gleichzeitig massive Steuersenkungen für die Konzerne.
Es kann nicht angehen, dass Menschen, die massiv unter den Auswirkungen der Corona-Krise gelitten haben, zusätzlich dauerhaft unter gekürzten Sozialleistungen leiden, während die Reichen in aller Ruhe reicher werden. Aber wie weit es mit der Christlichkeit ohne Nächstenliebe bei der Union her ist, haben wir ja bereits bei den Verhandlungen über eine Erhöhung des Kurzarbeitergeldes gesehen. Millionen für die Arbeitnehmer sind ein riesiges Problem, Milliarden für die Lobby sind mühelos machbar.
Gewinnverschiebung in Steueroasen ächten
Wir wollen faire Löhne und Preise sowie eine gute soziale Sicherung – dann gibt es auskömmliche und ertragreiche Umsätze, Gewinne, Investitionsmöglichkeiten und schließlich auch wieder Steuereinnahmen. Und wie wichtig es war, den jahrelangen Forderungen „der Wirtschaft“ nach Steuersenkungen nicht nachzugeben, haben wir in der jüngsten Krise bemerkt: Unsere Standhaftigkeit ermöglichte es, in der Krise wirksam zu helfen. Die Einzelnen, die einzelnen Unternehmen, die einzelnen Arbeitnehmer,-*innen, die einzelnen Selbständigen – alle waren und sind plötzlich stärker auf das Kollektiv, den Staat angewiesen.
Deshalb haben wir auch die Erwartung, dass alle Einzelnen, denen nun geholfen wird, sich künftig mindestens so kräftig am Gemeinwesen beteiligen, wie in der Vergangenheit. Mit „mindestens“ ist gemeint: dass künftig Gewinnverschiebung in Null-Steuer-Jurisdiktionen entfällt und geächtet wird, dass Geldwäsche, Kassenbetrug und Schwarzarbeitgeber*innen der Vergangenheit angehören. Auch fairer Handel und nachhaltiger Anbau – Lieferketten – sind Zukunftsthemen.
war von 1998 bis 2021 Abgeordneter der SPD-Bundestagsfraktion und seit 2012 ihr finanzpolitischer Sprecher. Seit 2017 ist er Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft SPD 60 plus.