Losse-Müller: Könnte mir eine Ampel für Schleswig-Holstein vorstellen
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Am Samstag hat Sie die Landeswahlkonferenz der SPD Schleswig-Holstein zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl am 8. Mai gewählt. Ist damit der Startschuss für den Wahlkampf gefallen?
Das ist auf jeden Fall ein ganz wichtiger Punkt in der Kampagne. Es sind ja nicht mal mehr 100 Tage bis zur Landtagswahl. Die Aufmerksamkeit der Medien hat sich bereits deutlich erhöht. Innerhalb der SPD kann man die Landeswahlkonferenz durchaus als Wahlkampf-Auftakt bezeichnen. Wir haben 35 Direktkandidatinnen und -kandidaten für den Landtag und dabei einen ganz tollen Mix von Jüngeren und Älteren, 16 Frauen, 19 Männer, acht Kandidierende unter 35 Jahren – vor allem aber Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft. Ich freue mich total auf den Wahlkampf mit diesem tollen Team.
In der jüngsten Umfrage zur Wahl liegt die SPD drei Prozentpunkte vor der regierenden CDU. Gibt das zusätzlich Rückenwind für die kommenden Wochen?
Natürlich freut und motiviert uns das. Wir sind aber noch weit vom Wahltag entfernt. Da kann viel passieren. Viel entscheidender als die Frage, welche Partei in den Umfragen vorne liegt, finde ich, dass es bereits seit längerem stabile Mehrheiten für Koalitionen gibt, die das Land modernisieren wollen. Wir haben eine supergute Ausgangslage, die SPD hat mögliche Partner für eine gemeinsame Regierung.
An welche Koalitionen denken Sie dabei?
Ich selbst habe ja als Chef der Staatkanzlei gute Erfahrungen mit der Küstenkoalition aus SPD, Grünen und SSW gemacht, kann mir aber auch eine Ampel für Schleswig-Holstein gut vorstellen. Aus der Arbeitsgruppe zum Thema Forschung und Innovation in den Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene habe ich mitgenommen, dass SPD, Grüne und FDP eine starke Kombination sein können, die alle gesellschaftlichen Perspektiven gut abbildet und erfasst. Insofern könnte ich auch einer Ampel für Schleswig-Holstein sehr viel abgewinnen.
Obwohl es im Moment für die SPD sehr gut läuft, sind Sie in Schleswig-Holstein bisher nur jedem vierten bekannt. Wie wollen Sie das bis zur Wahl ändern?
Dafür, dass ich im vergangenen Jahr für viele überraschend als Spitzenkandidat nominiert worden bin, halte ich 26 Prozent Bekanntheit, die jüngst eine Umfrage ergeben haben, für eine gute Ausgangslage. Der Wahlkampf beginnt gerade erst. Mehr als das letzte halbe Jahr, werden die kommenden Wochen entscheidend sein. Ab jetzt zählen, was die Aufmerksamkeit angeht, alle Tage doppelt. Die Medienformate, in denen die Kandidatinnen und Kandidaten vorgestellt werden, fangen jetzt erst an. Auch die direkten Aufeinandertreffen der Spitzenkandidaten werden erst in den nächsten Wochen kommen. All das sind gute Gelegenheiten, bei denen ich mich bekannter machen kann und werde.
Nach der Landeswahlkonferenz am Samstag wird am 12. März ein Landesparteitag das Wahlprogramm beschließen. Welche Punkte sind aus Ihrer Sicht besonders wichtig?
Das sind für mich vier Themenblöcke. Der erste umfasst den Bereich gute Arbeit und faire Bezahlung. Dazu zählen ein Tariftreuegesetz, aber auch die Mietpreisbremse und gebührenfreie Kitas. All das sind letztlich soziale Themen. Um die hat sich die regierende Jamaika-Koalition nicht gekümmert und oftmals sogar Erfolge der Küstenkoalition wie die Mietpreisbremse oder das Tariftreugesetz zurückgedreht. Ein zweiter Bereich ist das Megathema Klimaschutz. Als Land zwischen zwei Meeren ist Schleswig-Holstein zum einen Betroffener, hat zum anderen aber auch größere Chancen als andere Länder, etwa was den schnellen Ausbau Erneuerbarer Energien angeht. Ein dritter Bereich ist die Digitalisierung, in der ich viele Chancen sehe. Da geht es zum Beispiel darum, die Schulen digital fit zu machen. Die CDU-Bildungsministerin verschläft das Thema komplett. Und schließlich möchte ich noch ein Projekt hervorheben, auf das ich immer stolzer werde, je mehr ich im Land unterwegs bin: Mit der Vor-Ort-für-dich-Kraft, die woanders z.B. Gemeindepflegerin oder Quartiersmanagerin genannt wird, haben wir ein neues Konzept, das soziale Verantwortung vor Ort nicht nur institutionalisiert, sondern sogar personalisiert. Sie denkt von den Menschen her und nicht von der Wirtschaftlichkeit. Damit schaffen wir es, die Ökonomisierung des Sozialbereichs ein gutes Stück zurückzudrehen.
Sie haben es bereits erwähnt: Bei den Koalitionsverhandlungen im Bund haben Sie den Bereich Innovation und Forschung mit verhandelt. Gerade haben Sie für Schleswig-Holstein ein Wissenschaftsministerium gefordert. Ist das ein Bereich, der Ihnen besonders am Herzen liegt?
Auf jeden Fall. Wissenschaft und Forschung sind der Motor für Fortschritt sozialen und gesellschaftlichen Fortschritt. Genauso ist das ein Wirtschaftsfaktor. Es gibt in Schleswig-Holstein viele kleine und mittelgroße Unternehmen. Dadurch gibt es eine Schwäche bei Forschungsausgaben, einfach weil große Konzerne anders investieren können. Deshalb muss der Staat in diese Lücke gehen. Noch wichtiger finde ich aber, dass wir vor dem Hintergrund der anstehenden Transformation sehr viel lösungsorientierter forschen müssen. In 80 Prozent aller Technologien wissen wir, wie wir sie klimaneutral gestalten können, aber eben in 20 Prozent nicht. Dafür brauchen wir Forschung. Deshalb haben wir bewusst den Wechsel zu einem missionsorientierten Ansatz in der Forschung, der Lösungen für gesellschaftliche Probleme liefert, in den Koalitionsvertrag der Ampel geschrieben. Dasselbe stelle ich mir auch für Schleswig-Holstein vor.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.