Sozen-Wirtschaft

Nicht die Löhne, die Profite treiben die Inflationsspirale an

Gustav Horn03. April 2023
Traditionelle Sorge der Deutschen: Die Inflation – auch wenn sie aktuell ihren Höhepunkt überschritten hat, bleibt sie hoch.
Traditionelle Sorge der Deutschen: Die Inflation – auch wenn sie aktuell ihren Höhepunkt überschritten hat, bleibt sie hoch.
Die aktuellen Tarifverhandlungen rufen Warnungen vor einer Lohn-Preis-Spirale. Sie sind unbegründet. Sorge muss stattdessen eine Profit-Preis-Spirale – etwa bei Nahrungsmitteln – bereiten, die die Preise in die Höhe treiben.

Kein Tag vergeht ohne Warnungen vor einem Phänomen, das eigentlich längst begraben schien: Die Lohn-Preis-Spirale. Darunter versteht man jenen Prozess, bei dem sich   Preis- und Lohnsteigerungen wechselseitig hochschaukeln und an deren Ende eine verfestigte Inflationsentwicklung steht, die nur noch durch einen harten Bremskurs der Zentralbank mit anschließender Rezession durchbrochen werden kann. So geschehen in den Siebziger und Achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Damals war es vor allem ein Lohnabschluss im öffentlichen Dienst, der das Inflationsgeschehen überschäumen lies. Die Bundesbank erhöhte die Zinsen und die damals nur westdeutsche Wirtschaft stürzte in eine Rezession mit der für damalige Verhältnisse horrenden Zahl von über 2 Millionen Arbeitslosen. Dieses Ereignis prägt die Debatten um Inflation bis heute.

Gegenwärtig rufen schließlich erneut die Verhandlungen im öffentlichen Dienst allseitige Warnungen vor einer verheerenden Lohn-Preis-Spirale hervor. Auch wenn die Forderungen von Verdi in der aktuellen Tarifauseinandersetzung hoch erscheinen, lassen die Tarifabschlüsse der jüngsten Zeit – und nur die zählen - keine derartige Gefahr erkennen. Die bisherigen Abschlüsse waren aus gesamtwirtschaftlicher Sicht sogar ausgesprochen hilfreich.

Doppelte Gratwanderung der Tarifparteien gelungen

Den Tarifparteien ist schließlich bisher eine Gratwanderung gelungen, die tatsächlich nicht ganz einfach ist. Einerseits ist es sinnvoll, dass die Abschlüsse den Preisauftrieb in etwa nachzeichnen, andererseits sollen sie die Inflation nicht weiter antreiben und verfestigen. Ersteres ist wichtig, um die Kaufkraft der Konsumenten, die ja durch die höheren Preise massiv geschwächt wird, vor einem Einbruch zu schützen. Dies könnte direkt in eine Rezession führen. Letzteres ist wiederum wichtig, um die Inflation und damit die Belastung der Kaufkraft allmählich auslaufen zu lassen, ohne dass die EZB ihre Geldpolitik weiter stark straffen müsste, was ebenfalls leicht in einer Rezession enden kann. Schließlich lassen höhere Zinsen die Investitionen und die Bautätigkeit einbrechen.  Anzeichen hierfür sind bereits erkennbar. 

Zwei Faktoren haben maßgeblich dazu beigetragen, dass die Gratwanderung bislang ohne Absturz gelungen ist. Erstens haben die Gewerkschaften besonders starke Lohnzuwächse für die niedrigen Lohngruppen durchgesetzt. Dies stützt den Konsum besonders effektiv. Zweitens hat die Bundesregierung im Rahmen einer Konzertierten Aktion mit den Tarifparteien und der Bundesbank, die Steuerfreiheit von Einmalzahlungen bis zu einer Höhe von 3000 € gewährt. Einmalzahlungen vor allem in dieser Höhe sind ein probates Mittel kurzfristig die Kaufkraft zu stabilisieren, ohne die Inflation verfestigen. Schließlich erhöhen sie die Löhne nur einmalig und entfallen in den Folgejahren wieder.  Mit der Steuerfreiheit erhöhte die Regierung erfolgreich den Anreiz für die Tarifparteien, diesen Weg zu beschreiten. Wenn sich diese Linie der Lohnentwicklung auch im öffentlichen Dienst fortsetzt, ist die Lohn-Preis-Spirale kein Thema von Bedeutung.

Darum bleibt die Inflation hoch

Dies führt zu der Frage, warum dann die Inflation so hartnäckig hoch bleibt, obwohl die Energiepreise mittlerweile sogar gesunken sind. Dies lenkt den Blick auf eine andere Spirale, die häufig übersehen wird: Die Profit-Preis-Spirale. Isabella Weber zeigt in ihrem Papier (Weber), dass Unternehmen in einem Umfeld steigender Preise einen Anreiz haben, ihre Gewinnmargen zu erhöhen und dass sich dieser Anreiz nahezu epidemisch ausbreitet.  Weist ein Unternehmen eine höhere Rentabilität aus, weil es ihm gelungen ist, die Preise über die Kostensteigerungen hinaus zu erhöhen, steigt Druck auf andere in der gleichen Branche, sich ähnlich zu verhalten. Die Inflation verfestigt sich. Das ifo Institut zeigt, dass dies z.B. bei der Nahrungsmitteln auch tatsächlich der Fall ist (ifo).

Mit anderen Worten, es gibt eine Spirale, die die Inflationsrate hochhält. Nur sind es nicht die Löhne, sondern die Gewinne. Hier liegt derzeit das eigentliche Problem der hartnäckigen Inflationsentwicklung und nicht bei Verdi.  

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Kommentare

Wie positioniert sich die SPD dazu?

Guter Artikel und zutreffende Analyse. Wie positioniert sich die Bundes-SPD dazu als größte Regierungspartei? Wäre doch mal interessant zu erfahren...

Sprachlosigkeit der SPD!!

Der Verfasser ist selbst Mitglied im SPD Vorstand. Wie lange will die Partei noch zu der himmelschreienden Ungerechtigkeit in der Vermögensfrage schweigen? Eines steht fest: Die Bürger, deren einzige Einkommensquelle vom Faktor „Arbeit“ gespeist wird. sind die völlig falschen Adressaten, an vorderster Front für die Lösung der öffentlichen Finanzprobleme verantwortlich gemacht zu werden. Die Hilfsorganisation Oxfam hat erst vor zwei Monaten dazu die unbestreitbaren Fakten geliefert. An das reichste eine Prozent der Menschheit sind während der Coronakrise, also seit 2020,insgesamt 26 Billionen Dollar gefallen und 16 Billionen Dollar an die restlichen 99 Prozent. Es hat rasante Gewinne der Lebensmittel-und Energiekonzerne gegeben. Zugleich leben mindestens 1,7 Menschen in Ländern mit hohen Einkommensverlusten durch Inflation. 828 Millionen Menschen hungern. Laut Weltbank handelt es sich um die größte Zunahme von weltweiter Ungleichheit von Armut und Reichtum seit 1945.

Korrektur

Es leben 1,7 Milliarden Menschen in Ländern mit hohen Einkommensverlusten..........

Statt die Bürger durch die

Statt die Bürger durch die völlig chaotische Heizungsaustauschdebatte zu verunsichern, sollte die Parteiführung endlich zur Kenntnis nehmen, dass die Klimarettung nicht zu den prioritären Sorgen vieler SPD Wähler zählt. Weil sie wie die Mieter nur sehr beschränkten Einfluss auf die CO2 Reduzierung nehmen können. Wie kann ich mein Girokonto über das Monatsende retten, damit ich nicht vom Automatismus der Überziehungszinsen in eine unentrinnbare Schuldenkrise gerate, das ist eine sehr existenzbedrohende Frage.

Was taten Bundesregierungen

um so eine Gewinninflation [Profit-Preis-Spirale] zu ermöglichen, zu verhindern oder zu stoppen und umzukehren?

Übrigens sind auch heute über 2 Millionen Arbeitslose eine horrende Zahl für Deutschland.

zwei Mio? Schön wäre es, wenn man

die Unterbeschäftigten mitzählt (das sind Arbeitslose in Maßnahmen), dann haben wir gut 5 Mio Arbeitslose

das stimmt so nicht , mit Verlaub- die Inflation ist angetrieben

zunächst durch die Geldpolitik der EZB- Immer mehr Geld in den Markt, ohne daraus resultierendes Wachstum an Produkten.... Das Geld wurde in Aktien und Beton angelegt, Wohnungen kaufen, koste es was es wolle. Dadurch, und die gleichzeitig angeheizte Nachfrage nach Wohnraum (Neubürger) wurden die Mieten in die Höhe getrieben und nunmehr die Bauwirtschaft zum Erliegen gebracht. Dann die Maßnahmen zur Verknappung der Energie (Atomstrom), bei gleichzeitiger Steigerung der Nachfrage (eMobilität, eHeizung- ein Preistreiber par Excellence. Dann der Gaseinkauf nach Ru- Boycott, zu jedem geforderten Preis. Nachfrage größer Angebot, was passiert dann üblicherweise, Herr Dr. Horn? Zwischenzeitlich gibt es wieder Gas im Überfluss, nun muss der Verbraucher die Fehlbeträge aus dem teuer eingekauften, nun aber billig in den Verbrauch gebrachten Gas bezahlen. Ähnliche wirtschaftliche Debakel der Politik finden sich bei Thema Impfstoff. Und hier wird was von Profitgier fabuliert. Natürlich verkauft, wer verkauft, zu Marktpreisen. Die Marktpreise der Preistreiber verdanken wir aber allein der EZB und unserer Regierung, da hilft nun alles nicht. Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar.

Wahrheit

Weil Sie ja auf die Wahrheit pochen: Es gibt keinen Boykott russischen Gases. Stattdessen hat sich Russland entschieden, entgegen bestehender Verträge kein Gas mehr an Deutschland zu liefern.

das mag sein, ist in diesem Kontext aber nicht von Belang

was hinten rauskommt, ist wichtiger- also vom Ergebnis her betrachtet- und da widersprechen Sie nicht, wenn ich Sie richtig verstanden habe

auf die Wahrheit pochen, ist das verwerflich, und habe ich das

? Ich poche nicht, ich stelle nüchtern fest. Ist die Wahrheit etwas, vor dem man scheuen sollte? Dann brauchen wir keine Debatten mehr, dann folgen wir, was Führer oder Führerin vorgibt und stellen das selbständige Denken ein. Vollbetreutes Leben mit A R D und Z D F.

Für mich ist das nichts. Abgesehen davon mögen sie recht haben mit dem Einwand, es kommt in diesem Kontext nicht darauf an, aus welchen Gründen wir das nicht benötigte und nicht gelieferte russische Gas mehr verbrennen . Wir haben ausreichend gas auf den USA und von sonstwoher.

Russisches Gas wäre zu liefern über verschiedene Pipelines.

Jamal (über Belarus + Polen) Kapazität ca. 30 Mrd. m² jährl.; bis Ende 2022 lieferte Deutschland darüber russisches Gas nach Polen, weshalb gleichzeitig kein Gas an Deutschland geliefert werden konnte.

Transgas (über West- und Ost-Ukraine) Kapazität West-Ukraine ca. 40 Mrd. m³ jährl., Kapazität Ost-Ukraine ca. 80 Mrd. m³. Ab 13.5.2022 stoppte die Regierung der Ukraine die Lieferung über die Ost-Ukraine.

Nord Stream I, Kapazität ca. 55 Mrd. m³ jährl., wurde von Kanada mittels zunächst nicht zurückgelieferter Turbinen blockiert; Russland nahm dann die von Kanada an Deutschland gelieferten Turbinen wegen fehlender Dokumente nicht zurück.

Nord Stream II, Kapazität ca. 55 Mrd. m³ jährl., wurde von Deutschland gestoppt. Am 16. 11. 2021 teilte die Bundesnetzagentur mit, dass sie das Verfahren zur Zertifizierung der Nord Stream 2 AG als Transportnetzbetreiber ausgesetzt hat ... . Bundeskanzler Scholz erklärte am 22. 02. 2022 in Berlin seine Entscheidung, aufgrund des erwarteten Krieges das Zertifizierungsverfahren zur Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 zu stoppen.

NS 1 + 2 wurden im Sept. 2022 von Terroristen gesprengt.

Da waren/sind einige Blockaden und Boykotte im Spiel.