Designierter Generalsekretär

Lars Klingbeil zur Erneuerung der SPD: „Ich werde jeden Stein umdrehen“

Paul Starzmann23. Oktober 2017
Lars Klingbeil Martin Schulz
Lars Klingbeil (r.) soll neuer SPD-Generalsekretär werden. Vorgeschlagen hat ihn Parteichef Martin Schulz.
Der niedersächsische Bundestagsabgeordnete Lars Klingbeil soll neuer SPD-Generalsekretär werden. Im Willy-Brandt-Haus in Berlin stellt er seine Ideen vor, mit denen er die Partei in Zukunft grundlegend verändern will.

„Das ist ein junger Mann, der mit beiden Beinen fest im Leben steht“, sagt SPD-Chef Martin Schulz am Montag im Willy-Brandt-Haus und zeigt auf Lars Klingbeil. „Genauso stelle ich mir die SPD vor.“ Geht es nach Schulz und dem Präsidium seiner Partei, dann wird Klingbeil beim Bundesparteitag im Dezember zum neuen Generalsekretär der Sozialdemokraten gewählt werden.

Klingbeil: „Ich werde zuhören“

Die zentrale Botschaft des designierten Generalsekretärs: „Ich trete für eine Erneuerung der SPD ein.“ Wie er die Partei genau umstrukturieren werde, sagt er allerdings noch nicht. Er habe keinen „20-Punkte-Plan“ vorbereitet, gesteht Klingbeil ein. „Ich bin jetzt erst einmal der Vorschlag des Präsidiums.“ Bis zum Parteitag im Dezember wolle er zunächst einmal durchs Land reisen, Gespräche mit den Mitgliedern und Funktionären auf allen Ebenen der SPD führen – und für eine Neuaufstellung der Partei werben. „Vor allem aber werde ich eins tun“, verspricht Klingbeil. „Ich werde zuhören.“

Er zeigt sich überzeugt, „dass sich die SPD neu aufstellen muss – organisatorisch, inhaltlich, aber auch personell.“ Doch die Erneuerung dürfe auf keinen Fall von oben verordnet werden. Stattdessen wünscht sich Klingbeil in der SPD „Lust auf Erneuerung“ – und mehr Vorschläge zur Modernisierung der Sozialdemokratie, wie etwa die Kampagne „SPD++“. Auch müsse analysiert werden, warum die Sozialdemokratie in den vergangenen Jahren zwar wichtige Themen angesprochen habe, ohne jedoch Wählerstimmen dazugewinnen zu können. Martin Schulz will hier vor allem die Meinung der SPD-Mitglieder hören, zum Beispiel auf verschiedenen „Dialogveranstaltungen“, die für die kommenden Wochen im ganzen Land geplant sind.

Lars Klingbeil erklärt die Einbindung der rund 30.000 Neuzugänge in den Reihen der Sozialdemokraten zu einer seiner Hauptaufgaben als zukünftiger Generalsekretär. Die SPD dürfe sich jedoch nicht auf die Neuen oder die Jungen in der Partei beschränken, keine „Partei des Entweder-oder“ sein, fordert er. Sowohl die Neumitglieder als auch altgediente Genossen müssten zukünftig mehr Möglichkeiten zur Teilhabe in der SPD bekommen.

Schulz: Klingbeil steht für den Generationswechsel in der SPD

Viel wurde über Lars Klingbeil geschrieben in den vergangenen Tagen: ein Mann so groß wie eine Schrankwand, aus dem einflussreichen SPD-Landesverband Niedersachsen, mit 39 Jahren weit unter dem Altersdurchschnitt der Sozialdemokraten, Verteidigungs- und vor allem: Digitalpolitiker. „Das stimmt alles,“ sagt Klingbeil mit einem ironischen Lächeln zu den versammelten Journalisten. „Können sie gerne alles übernehmen.“

Dass Martin Schulz ausgerechnet einen Politiker als Generalsekretär vorschlägt, der sich in den vergangenen Jahren speziell um Fragen der Digitalisierung gekümmert hat, scheint kein Zufall zu sein. Nach der verlorenen Bundestagswahl brauche die SPD einen Generationenwechsel, unterstreicht Schulz. Dazu zählten auch neue Themen. Mit Klingbeil soll dazu der Anfang gemacht werden. „Ich werde als Generalsekretär die SPD für das digitale Zeitalter aufstellen“, verspricht der. „Ich habe große Lust auf die Aufgaben, die vor mir liegen.“ Bezogen auf die Parteistrukturen sagt er: „Ich werde jeden Stein umdrehen“

Sofern der Bundesparteitag im Dezember zustimmt, wird Lars Klingbeil den Posten des Generalsekretärs in wenigen Wochen übernehmen – von Hubertus Heil, der einen „fließenden Übergang“ plane, so Klingbeil. SPD-Bundesgeschäftsführerin Juliane Seifert wird noch in dieser Woche ihren Posten räumen. Beiden sprechen sowohl Schulz als auch Klingbeil ihren Dank aus.

Neuaufstellung der Parteizentrale

Nun liegt es an Lars Klingbeil, das Willy-Brandt-Haus für die kommenden Jahre aufzustellen: organisatorisch, inhaltlich, personell und kommunikativ. Dabei will er nicht nur eng mit Parteichef Martin Schulz zusammenarbeiten, sondern die ganze SPD einbinden. „Das, was gut war, das bleibt“, sagt er. „Was schlecht war, werden wir gemeinsam erneuern.“

SPD erneuern

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Kommentare

Lars Klingbeil zur Erneuerung der SPD

„Was schlecht war, werden wir gemeinsam erneuern.“

Ich hoffe, dass dies nicht nur ein Versprechen ist. Vor allem sollte die SPD, wie von Martin Schulz nach der Wahl versprochen, die vergangenen Wahlergebnisse analysieren, dabei aber noch hinter 2005 zurückgehen. Denn die großen Fehler wurden schon in der ersten rot-grünen Regierung unter Schröder gemacht, wobei die Hoffnungen, die 1998 in die SPD gesetzt wurden, durch die Agenda 2010, den Niedriglohn, den Wegfall der Besteuerung von Einkünften aus Unternehmensverkäufen, die Herabsetzung des Einkommensteuerhöchstsatzes und die Unternehmerhörigkeit allgemein, bitter enttäuscht wurden.

Dass die SPD bei der Wahl 2002 noch mit einem blauen Auge davonkam, lag daran, dass man Stoiber verhindern wollte, aber Schröder schien dies nicht begriffen zu haben, sondern machte weiter mit seiner neoliberalen Politik, die nun schließlich viele Wähler in die Arme der AfD getrieben hat. Dass dies natürlich überwiegend der Politik von Merkel zuzuschreiben ist, liegt vor allem daran, dass die SPD-Wähler und Mitglieder wesentlich kritischer ihrer Partei gegenüberstehen als die der konservativen Parteien.

Erneuern der SPD, Fehler in vergangenen Jahre

Es ist richtig das wir weit zurück müssen, dann würde vielleicht einiges zum Vorschein kommen, denn dieses Thema der Erneuerung steht schon seit mind. 2005 den bereits hier wurde eine Facebookseite SPDerneuern gegründet.

Seit 2002, mit beginn des Euros ging die Schere arm und reich immer weiter auseinander und die SPD reagierte mit der Agenda 2010 noch verschärft auf allgemeine Stimmung der Wähler. Die Wähler hörten nur noch versprechen und die Analyse der Parteien, wo es den Bürgern so gut wie lange nicht gehen würde, vergessen aber die Erhöhungen MwSt, Krankenkassen, Rentenbeiträge, Gesundheit die man bezahlen musste und nicht konnte (Brille,Zähne, Krankenaufenthalt) dies sind Kosten die nicht berechnet wurden, somit hatten wir seit 2002 zwar eine Lohnsteigerung von ca. 57% aber die reinen Lebenshalungskosten stiegen um ca. 101%, jeder Bürger/in im Mittelstand merkte das, viele mussten Schulden machen.
Wir müssen mit vielen Bürgern reden und Meinungen einholen und diskutieren. Die Flüchtlinge waren nur der berühmte Tropfen der das Fass zum überlaufen brachte, wenn die Menschen oben niemanden erreichen dann treten sie nach unten. Dies haben bestimmte Parteien ausgenutzt

Die Diskussion begann schon 1982

Die Diskussion begann schon 1979.
„Für die schwedische Sozialdemokratie hat die Kulturchefin der sozialdemokratischen Zeitung ,Aftonbladet‘, Yrsa Stenius, die paradoxe Lage so beschrieben: Das gemeinsame praktische Interesse von Sozialdemokratie und Industrie an wirtschaftlichem Zuwachs habe den Blick der Sozialisten eingeengt und dazu geführt, daß die Arbeiterbewegung auf die Beunruhigung vieler Menschen bezüglich Umwelt, neuer Technologien, psychischer Gesundheit im großen und ganzen bisher nur dieselbe Antwort gegeben habe wie die ,vernünftige‘ Rechte."
Vorwärts v. 13.9.1979, S. 12 Per Nykvist, Holt euch eure Jobs zurück !
1982 schrieb Johano Strasser und Klaus Traube das Buch " Die Zukunft des Fortschritts - Der Sozialismus und die Krise des Industreialismus "
Die Themen damals wäre fast die Gleichen wie heute, Umweltschutz, Energiewende, Rationalisierung, Arbeitsdichte etc.
Doch es passierte nichts.
Unter Schröder wurde dann die Agenda 2010 umgesetzt, also eine Politik wie wir sie nur von der "vernünftigen Rechten" erwartet hätten.
Damit hatte die SPD alles Vertrauen verloren, bis heute !

Jeden Stein umdrehen ?

Aufgepasst beider Verwendung solcher Worthülsen und Metaphern - ich würde gerne lesen, dass nach fünf Jahren gesagt werden kann, wir haben jeden Stein umgedreht und haben den Bürgern unseres Landes Angebote gemacht, unsere Zivilgesellschaft weiter zu entwickeln. Digital ist nicht die Lösung, es kann nur ein Teil der Lösung sein - Algorithmen ersetzen nicht den engagierten Bürger, der sich mit seinen Anliegen einbringt. Ankündigungen sind nur Ankündigungen. Zuhören ist wichtig - die Bürger reden und die Partei hört hin und zu! Passen wir auf, dass wir uns nicht zu sehr auf die PR - Berater verlassen, wir verkaufen ja keine Pralinen!

Lars Klingbeil

Schön, dass Lars Klingbeil die Möglichkeiten der Teilhabe der Mitglieder, auch der älteren, verbessern will. Die Botschaft hör ich wohl ...
Die Zeit nach der Wahl von Martin Schulz war insofern ja alles andere als vorbildlich. An der Programmdiskussion konnten sich nur Gliederungen der SPD beteiligen, bei den Arbeitsgemeinschaften sogar nur die Bundesebene. Wenn man trotzdem als Mitglied einen durchaus konkreten Beitrag lieferte, erhielt man keinerlei Reaktion.
Und wenn man der Kampa einen Vorschlag machte, zum Beispiel eine wahlkampftaugliche Kurzfassung des Programms herauszubringen, wurde man per Standard-E-Mail damit abgefertigt, man möge das doch bitte beim Parteivorstand einbringen.
Da muss sich schon ganz gewaltig etwas ändern, damit man der Botschaft glauben kann.

Neuzugängen zuhören...

ok-ich bin ein Neuzugang.
Zum Zuhören: ich möchte anregen und fördern, dass die Pflege, Behandlung und Sorge für seelisch erkrankte Menschen durch die PO L I T I K verändert und verbessert wird.
Was Psychiater medizinisch ALLES dürfen angesichts der geringen Reliabilität ihrer Methoden und deren gravierenden, kurz- und langfristig schädigenden Wirkungen , ist zu überprüfen , da menschunwürdig.

„Ich werde jeden Stein umdrehen“

Da kann ich zuvörderst einen ordentlichen Felsbrocken empfehlen.
Den "Sanktionsstein", welcher Millionen von Hartz IV Betroffenen (in den Markt gepresste Leiharbeiter, Billiglöhner, 1-Euro-Jobber) auferlegt wurde um sie schier zu erdrücken.
Reichlich selbst vergrabenes Wählerpotential !

Allerdings hat doch seine Chefin Nahles erst kürzlich ne kräftige Schippe mittels ihrem 9. "Rechtsverschiebungsgesetz" SGB II drauf gepackt, auf das sich auch der unbeugsamste Grundrechtsträger noch unter der Laßt an Entbehrungen verbiegen möchte.

Beispiel :
https://dejure.org/gesetze/SGB_II/34.html

Ob der Lars Klingbeil diesen von neoliberalen "Eliten" hochgelobten Stein drehen kann oder will ?

"allein mir fehlt ....." na ja schaun mer mal