Lars Klingbeil erlebt im Südwesten, wie jung und digital die SPD ist
Fionn Grosse, Fionn Grosse
„Ich hätte nicht gedacht, dass er so jung ist“, raunt ein Schüler der Gutenberg-Gesamtschule. Hier im südhessischen Darmstadt, im Stadtteil Eberstadt, ist an diesem Montagmittag SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil zu Gast. Es ist die erste Station seiner zweitägigen Sommerreise durch Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Gemeinsam mit dem hessischen SPD-Landtagsabgeordneten Bijan Kaffenberger will er sich darüber informieren, wie digitale Bildung in der Praxis funktioniert.
Guter Unterricht in Corona-Zeiten
„Wir sind hier, weil es bei euch gut läuft“, sagt Klingbeil. Seit dem Schuljahr 2018/19 läuft an der Gutenbergschule das Projekt „Dotter Digital“, im Zuge dessen schon vor Corona umfangreiche Konzepte für digitalen Unterricht entwickelt wurden. Etwa 40 Laptops und mehr als 60 iPads stehen den 500 Schüler*innen dafür zur Verfügung. Auch weil Kaffenberger als Landtagsabgeordneter während der Corona-Pandemie schnell für finanzielle Unterstützung in Höhe von 12.000 Euro von verschiedenen Firmen gesorgt hatte und selbst zwei Laptops spendete. Wie der Unterricht während des Lockdowns funktionierte, berichten die Schüler*innen den SPD-Politikern. Sie loben: „Wir haben hier sehr motivierte Lehrer.“
„Musstet ihr das sagen?“, fragt Klingbeil schmunzelnd und wird anschließend selbst zum Schüler. Digitaler Matheunterricht. Auf einem iPad muss Klingbeil zwei parallele Geraden zeichnen und diese anschließend mit einer vorgegebenen Steigung drehen. „Das sieht doch schon sehr gut aus“, sagt der Mathelehrer, als er auf einem Bildschirm die Ergebnisse von Klingbeil und den mitreisenden Journalist*innen zeigt. Der SPD-Generalsekretär ist angetan vom pädagogischen Konzept. „Durch Corona haben alle gesehen, dass digitale Bildung funktionieren muss. Hier sieht man, dass es funktioniert“, sagt er, ehe sich der Tross auf den Weg zur nächsten Station der Sommerreise nach Mainz macht.
„Cyber-Sozen“ in Rheinland-Pfalz
In der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt funktioniert Digitalisierung auch auf einem anderen Gebiet sehr gut. Der SPD-Landesverband setzt für den bevorstehenden Landtags-Wahlkampf stark auf die Möglichkeiten der modernen Technik. Sie haben sogar ihren jüngsten Landesparteitag im August nur digital veranstaltet. „Ein digitaler Parteitag ist ein Element für moderne Parteiarbeit“, macht Generalsekretär Daniel Stich deutlich und ist sichtlich stolz auf diesen Erfolg. Familienfreundlicher sei ein solcher Kongress übrigens auch. Denn er müsse nicht mehr mit Anreise am Wochenende stattfinden, sondern an einem Wochentag – abends. Diesmal war es ein Montag.
Die rheinland-pfälzischen „Cyber-Sozen“ haben nicht erst mit der Corona-Pandemie auf digitale Elemente in ihrer Parteiarbeit gesetzt, sondern auch in den vergangenen Jahren schon einiges ausprobiert. Per Online-Voting etwa können die Mitglieder abstimmen, welche Anträge auf einem analogen Parteitag diskutiert werden sollen. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil verfolgt die Erfahrungen der Rheinland-Pfälzer mit großem Interesse. Schließlich wird auch der Bundeswahlkampf der SPD 2021 so digital wie nie zuvor ausgerichtet werden.
Dabei wird weder in Rheinland-Pfalz noch bei der Bundespartei in Berlin der direkte Kontakt zu den Mitgliedern und Wähler*innen vergessen. „Es muss immer eine inhaltliche Verbindung zwischen digital und analog geben“, betont Klingbeil an anderer Stelle. Und der rheinland-pfälzischer SPD-Landesvorsitzende, Roger Lewentz, macht klar: „Ich würde immer einen klassischen Parteitag bevorzugen, aber der digitale ist eine echt starke Alternative.“
Die „Kümmerer-Partei“
Ganz in diesem Sinne präsentiert sich die SPD im Südwesten auch weiter als starke „Kümmerer-Partei“. Etwa mit ihrem Mobilen Quartierbüro, das sie in Anwesenheit von SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil, Ministerpräsidentin Malu Dreyer und der rheinland-pfälzischen Finanzministerin Doris Ahnen in Mainz-Mombach einweiht. Der im Wandel befindliche Stadtteil mit dem einst dörflichen Charakter ist der Wahlkreis von Ahnen. Von hier aus geht das Gefährt quer durch das Land auf Reisen. Und die Genoss*innen werden sich vor Ort regelmäßig um die Belange der Bürger*innen kümmern. „Mindestens dreimal im Monat soll das Mobile Quartierbüro jeweils im gleichen Ort sein“, verspricht die Ministerpräsidentin.
Nach einem Abstecher im Industriehof Speyer mit der jüngsten Bürgermeisterin in Rheinland-Pfalz, Stefanie Seiler, trifft sich Klingbeil am Ende seiner Reise in Mannheim mit jungen Wahlkämpfer*innen aus Rhein-Neckar zusammen. „Lunch mit Lars“ ist das Motto eines Picknicks auf dem Schillerplatz mit Stadträtin und Bundestags-Bewerberin Isabel Cademartori, der örtlichen Juso-Vorsitzenden Annalena Wirth und dem Gemeinderatsmitglied Moses Ruppert. Wie sieht Politik von und für die junge Generation aus? Wie kann die SPD junge Menschen gewinnen? Soll man sie mehr im Netz ansprechen oder mehr vor Ort? Darum geht es.
Verantwortung macht Spaß
Lars Klingbeil erzählt von seinen eigenen politischen Anfängen, wie er sich in seiner ländlichen Heimat dafür einsetzte, dass die jungen Leute gefahrlos von der 20 km entfernten Disko nach Hause kamen und wie er sich gegen die Ansiedlung von Neonazis engagierte: „Es hat Spaß gemacht, Verantwortung zu übernehmen“, sagt er. Bei all dem, so Isabel Cademartori, sei digital oder analog gar nicht die Frage. „Entscheidend ist, dass wir was zu sagen haben.“
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo