Kritik am AfD-Gründer: „Lucke hat Nationalisten eine Plattform geboten“
Thomas Trutschel/photothek.net
Bernd Lucke soll an die Uni Hamburg zurückkehren. Wie ist Ihre Position dazu?
Wir kritisieren das scharf. Bernd Lucke hat als Gründer und Vorsitzender der AfD den Aufstieg dieser Partei mitgetragen, die sich nun in weiten Teilen zu einer rechtsradikalen und menschenverachtenden Partei entwickelt hat. Gleichzeitig beanstanden wir seine wirtschaftswissenschaftliche Ausrichtung. Viele seiner Thesen sind vollkommen unsozial und werden mittlerweile auch als überholt angesehen, sei es, dass die Senkung der Löhne zu weniger Arbeitslosigkeit führt, oder die rigide Sparpolitik im Sinne einer schwarzen Null. Wie man in Deutschland die Wirtschaft stark halten will, wenn wir unsere Infrastruktur kaputt sparen, sagt er dabei nicht. Der Kern unserer Kritik liegt in der Verbindung der beiden Punkte. Um seine unsoziale Wirtschaftspolitik durchsetzen zu können, hat er Nationalisten und Rechtsextreme toleriert und ihnen eine Plattform geboten.
Seit 2015 gehört Lucke nicht mehr der AfD an. Wieso reicht Ihnen das nicht als Abkehr?
Das Vorgehen von Lucke erinnert an Franz von Papen. Der hat Hitler 1933 aus eigenem Machtstreben ins Amt gehoben, weil er dachte, er könne die Nazis im Zaum halten. Was sich daraus ergeben hat, wissen wir alle. Lucke hätte wissen können, auf welche Gefahren er sich einlassen würde. Den Schaden anzurichten und sich hinterher zu distanzieren, reicht nicht.
Hat sich Lucke aus Ihrer Sicht zu wenig gegen rechtspopulistische Tendenzen in der AfD gestellt?
Ja, definitiv. In Hamburg sind zum Beispiel Jens Eckleben und Claus Döring in die AfD eingetreten, die aus der antimuslimischen Partei „Die Freiheit“ kamen. Ebenso Dirk Nockemann, der früher in der Schill-Partei aktiv war. Es gab zudem Eintritte früherer NPD-Funktionäre. Wenn man solche Leute aufnimmt, kann man schon sagen, dass Lucke mindestens eine Mitschuld trifft. Er hätte sicher auch die Leute um den rechtsextremen „Flügel“ aus der Partei draußen halten können, wenn er das gewollt hätte. Da standen aber möglicherweise die eigenen Ambitionen über den moralischen Ansprüchen.
Was erwartet Lucke denn von Seiten der Studierendenschaft, wenn er nun tatsächlich an die Uni Hamburg zurückkehrt?
Wir werden gesitteten Protest betreiben. Es könnte so aussehen, dass wir Flyer verteilen, um über seine Wirtschaftspolitik aufzuklären. Allerdings wird sicher auch Gegenwind aus der Stadt kommen, da Hamburg traditionell eine sehr linke Stadt ist.
Unter welchen Umständen wäre es für Sie grundsätzlich denkbar, dass Lucke an die Uni Hamburg zurückkehrt?
Er sollte sich vielleicht eine Auszeit nehmen und darüber reflektieren, was für einen Schaden er der Gesellschaft mit seiner ehemaligen Partei zugefügt hat. Auch darüber, dass er sich von rechtsradikalen Kräften hat mittragen lassen, und es möglicherweise nicht reicht, nun zu sagen, der Verfassungsschutz solle sich kümmern. Stattdessen hat er die Liberal-Konservativen Reformer gegründet und vertritt weiter enorm arbeitnehmerfeindliche Positionen. Auch wenn er immerhin darauf achtet, dort keine Rechtsradikalen aufzunehmen.
Was ist die Konsequenz aus Ihrer Kritik an Lucke?
Wir können natürlich nichts dagegen machen, dass er an die Uni zurückkommt. Dazu hat er als beurlaubter Professor leider das Recht, auch wenn uns das nicht gefällt. Unser Recht dagegen ist es, ihn für seine Thesen und sein politisches Handeln zu kritisieren und die neuen Studierenden aufzuklären, wer sie dort unterrichtet. Und obwohl wir unsere Kritik sachlich formuliert haben, kamen in den letzten Tagen einige Mails, in denen ich bedroht und beleidigt wurde oder uns als AStA Meinungsdiktatur vorgeworfen wurde. Immerhin konnten wir mit unserem Statement erreichen, dass die Verantwortung von Bernd Lucke breit und öffentlich diskutiert wird.
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ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo