Inland

Krankenhaus-Finanzierung: System der Fallpauschalen hat sich überlebt

Im Moment wird in Krankenhäusern pro Leistung abgerechnet. Das sorgt gerade im ländlichen Bereich für eine Schieflage. Die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) Petra Grimm-Benne sagt, was sich ändern muss.
von Vera Rosigkeit · 18. November 2022
Wir müssen dabei immer von den Patient*innen ausgehen: Die Finanzierung der Krankenhäuser soll geändert werden.
Wir müssen dabei immer von den Patient*innen ausgehen: Die Finanzierung der Krankenhäuser soll geändert werden.

Die Gesundheitsminister*innen der Länder debattieren derzeit über eine moderne Krankenhausversorgung. Gibt es erste Ergebnisse?

Uns geht es darum, eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung zu schaffen. Die dafür notwendigen Reformen wollen wir in Etappen weiterentwickeln und haben mit der Pädiatrie, also der Kinderheilkunde und der Geburtshilfe, angefangen. Unser Ziel ist, gerade im ländlichen Raum, eine gute medizinische Versorgung hinzubekommen. In Pandemiezeiten haben wir gute Erfahrungen mit einer sogenannten Vorhaltevergütung gemacht. Die wollen wir in die Kinderheilkunde und Geburtshilfe einbringen und die Logik des ursprünglichen Vergütungssystems ändern. Dazu brauchen wir ein Umdenken, so ist es auch im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vorgesehen.

Wie sieht eine Vorhaltevergütung aus?

Unsere derzeitige Krankenhausfinanzierung sieht vor, dass pro Leistung abgerechnet wird. Damit braucht es aber auch eine ausreichende Fallzahl, um einen Betrieb aufrechtzuerhalten. Da in der Pädiatrie und Geburtshilfe die Anzahl an Fällen gerade im ländlichen Bereich nicht immer ausreichten, waren in der Vergangenheit Abteilungen in Krankenhäusern von einer Schließung bedroht. Das wollen wir ändern. Dafür, dass eine Abteilung mit Ärzt*innen und Pflegekräften vorgehalten wird, womit auch eine Notfallversorgung aufrecht erhalten bleibt, soll es künftig eine Vergütung geben, unabhängig von der Fallzahl.

Ist damit das System Fallpauschalen abgeschafft?

Unser System der Fallpauschalen hat sich überlebt. Da stimme ich mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach überein. Künftig soll es eine auskömmliche Finanzierung geben und eine medizinische Grundversorgung aufrechterhalten bleiben. Neben der Chirurgie und der Inneren Medizin zählen wir die Pädiatrie und die Geburtshilfe zu den Bereichen der Grundversorgung hinzu.

Welche Reformen sind darüber hinaus geplant?

Aktuell diskutieren wir gestufte Versorgungsmodelle. Fälle, die in einer Notaufnahme ankommen, sollen zunächst eingestuft werden. Für Patientinnen und Patienten kann so ein adäquater Platz in der Versorgung zugewiesen werden. Unser Ziel ist, Versorgungsketten zu entwickeln, sodass Patient*innen im Notfall z.B. gezielt in ein für sie passendes Krankenhaus gefahren werden, wo sie den kürzesten und besten Genesungspfad durchlaufen. Eingeschätzt werden soll künftig aber auch, welche Behandlungen stationär und welche ambulant vorgenommen werden können. Das bedarf einer ganz neuen Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzt*innen, z.B. in Fragen der Finanzierung.

Werden in Deutschland zu viele Behandlungen stationär behandelt?

Im Vergleich mit anderen Ländern schon. Aber das muss wohl ausgewogen werden, damit Patient*innen nicht das Gefühl bekommen, allein gelassen zu werden. Wir müssen dabei immer von den Patient*innen ausgehen. Gleichzeitig wollen wir aber auch Fachkräfte entlasten, indem Behandlungen, wo möglich, ambulant vorgenommen werden.

Was sind die nächsten Schritte, wie geht es mit der Krankenhausreform weiter?

Vorgesehen ist, das Krankenhausfinanzierungsgesetz zu überarbeiten. Wir haben mit Pädiatrie und Geburtshilfe begonnen, die nächsten Schritte werden sich mit Fragen der Grundversorgung und der Ambulantisierung beschäftigen. Zu diesen Punkten hat die Regierungskommission bereits am 15. November ihre Empfehlungen vorgestellt und die Länder, die die Regelungskompetenz haben, müssen nun entscheiden, ob sie mitgehen. Das bedeutet vielmals auch, zu investieren. Denn wir brauchen eine auskömmliche Finanzierung, damit sich gute und nachhaltige Strukturen entwickeln können. Zum Beispiel in der Geburtshilfe, wenn wir mehr hebammengeleitete Kreissäle entwickeln wollen, wie wir es in Sachsen-Anhalt bereits erfolgreich angeschoben haben. Das käme dem im Koalitionsvertrag vereinbarten Aktionsplan „Rund um die Geburt“ nahe. Mit mehr Hebammen in den Krankenhäusern kann die Geburtshilfe wieder attraktiv werden.

Wie wird die Finanzierung aussehen?

Krankenhäuser werden dual finanziert. Um es einfach zu beschreiben, könnte man sagen, dass alle Kosten, die im Krankenhaus aufkommen, von Krankenkassen getragen werden. Die Länder investieren in die äußere und innere Hülle, Gebäude und auch notwendige medizinische Ausstattung. In den Bereichen Pädiatrie und Geburtshilfe wird der Bund uns über das Krankenhausentgeltgesetz unterstützen. Wir wollen, dass sich schnell etwas ändert, denn wir haben aktuell auch eine Energiekrise und eine hohe Inflation zu bewältigen. Dadurch können Krankenhäuser schnell in Finanzierungsnot geraten. Daher soll es keinen kalten Strukturwandel vor allem bei kleineren oft kommunal geführten Krankenhäusern geben. Wenn sie insolvent werden, können wir aber nichts mehr gestalten. Auch nicht, wenn sie privatisiert werden. Dann wird dort nur noch behandelt, was lukrativ ist. Das müssen wir verhindern. Deshalb geht es im Augenblick auch darum, einen Rettungsschirm über die Krankenhäuser zu spannen. Hier hat der Gesundheitsminister bereits für Anfang 2023 schnelle Hilfen in Aussicht gestellt.

Was liegt der SPD besonders am Herzen?

Bereits die Koalitionsverhandlungen im vergangenen Jahr waren davon geprägt, Krankenhausversorgung wieder mehr als Daseinsvorsorge zu begreifen. Das heißt aber auch, die Ökonomisierung, die durch das System der sogenannten DRGs, also der Fallpauschalen, hineingekommen ist, zu durchbrechen und neu zu gestalten. Nur so können wir medizinische Felder, die den Patient*innen wichtig sind, gewährleisten. Für Eltern beispielsweise ist es wichtig, möglichst wohnortnah ein Krankenhaus aufsuchen zu können, gerade dann, wenn es ambulant keine entsprechende Versorgung gibt.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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