Soziale Politik

Kompromiss: Welche Sanktionen beim Bürgergeld nun möglich sind

Der Kompromiss von Ampel-Koalition und CDU/CSU beim Bürgergeld ist mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Begrenzung von Hartz-IV-Sanktionen vereinbar. Was jetzt möglich ist und was nicht.
von Christian Rath · 23. November 2022

Wenn es um Hartz IV-Sanktionen geht, sind stets zwei Typen von Pflichtverletzungen zu unterscheiden. Bei der Verletzung von Meldepflichten verpasst die Leistungs-Empfänger*in einen Termin im Jobcenter. In der Praxis sind das rund 75 Prozent der Fälle. Die öffentliche Diskussion konzentriert sich aber meist auf die Verletzung von Mitwirkungspflichten, weil hier die Sanktionen drastischer sind. Eine Mitwirkungspflicht ist etwa die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, einer Aus- oder Fortbildung.

Sanktionen im Hartz IV-Bezug

Bis 2019 wurde bei einem Meldeversäumnis das Arbeitslosengeld II um zehn Prozent gekürzt. Bei der Verletzung einer Mitwirkungspflicht waren die Sanktionen gestaffelt. Beim ersten Mal wurde die Leistung um 30 Prozent gekürzt, beim zweiten Mal um 60 Prozent, anschließend wurde die Leistung total gestrichen. Die Sanktion galt jeweils drei Monate lang.

Daran gab es Kritik. Der Staat müsse das menschenwürdige Existenzminimum immer sichern, deshalb sei eine Kürzung dieser Leistungen auch bei einem Pflichtverstoß nicht möglich.

Das Bundesverfassungsgericht sah dies im November 2019 in einem Grundsatzurteil aber anders. Der Staat könnte von Hilfsbedürftigen durchaus verlangen, dass sie an der Überwindung ihrer Hilfsbedürftigkeit mitwirken. Entsprechende Aktivitäten könnten auch mit Sanktionen durchgesetzt werden, so die Richter*innen. Allerdings sei hier die Prüfung der Verhältnismäßigkeit besonders streng, weil es um Eingriffe ins Existenzminimum geht.

Vorgaben vom Bundesverfassungsgericht

Daraus leitete das Bundesverfassungsgericht drei Vorgaben für den Gesetzgeber ab, die auch beim Bürgergeld zu beachten sind: Erstens ist die Kürzung der Leistungen um 60 Prozent oder die Totalstreichung unzulässig, es sei denn Forschungsergebnisse belegen die Erforderlichkeit (was bisher nicht der Fall ist). Zweitens muss es bei bei der Kürzung der Leistung um 30 Prozent Ausnahmen für Härtefälle (etwa psychisch Kranke) geben. Und drittens muss das Geld sofort wieder bezahlt werden, wenn der/die Arbeitslose der Pflicht doch noch nachkommt oder glaubhaft versichert, dazu bereit zu sein.

Karlsruhe verlangte vom Bundestag nicht, das Gesetz bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu ändern. Vielmehr machte das Bundesverfassungsgericht seine Vorgaben mit sofortiger Wirkung zu einer gesetzlichen Übergangsregelung. Diese Übergangsregelung galt bis zum 1. Juli 2022. Seitdem gilt ein einjähriges Moratorium, das der Bundestag für Sanktionen wegen Verletzung der Mitwirkungspflichten beschlossen hat. Bei Meldeversäumnissen sind Sanktionen aber möglich, allerdings erst ab dem zweiten Verstoß. Der Bundesrat hatte diesem Moratorium zugestimmt.

Sanktionen beim Bürgergeld möglich

Im Bürgergeld-Konzept der Ampel waren ab 1. Januar auch wieder Sanktionen für die Verletzung von Mitwirkungspflichten vorgesehen, aber erst nach einer „Vertrauenszeit“ von einem halben Jahr. In diesen sechs Monaten sollte es nur bei wiederholten Meldeversäumnissen Leistungskürzungen von zehn Prozent geben.

Diese Vertrauenszeit wurde im Kompromiss von Ampel und CDU/CSU nun jedoch gestrichen. Bei Verletzungen der Mitwirkungspflichten soll es schon ab dem ersten Tag des Bürgergeldbezugs Sanktionen geben, allerdings gestaffelt: beim ersten Verstoß zehn Prozent Kürzung für einen Monat, beim zweiten Verstoß 20 Prozent Kürzung für zwei Monate und für weitere Verstöße 30 Prozent Kürzung für drei Monate.

Es dürfte bei diesem Kompromiss keine Probleme mit Karlsruhe geben, da die Sanktionen maximal 30 Prozent betragen und sie nach Erfüllung der Pflicht enden und es auch eine Härtefallregelung gibt.

2 Kommentare

Gespeichert von Johann (nicht überprüft) am So., 31.12.2023 - 10:20

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Ein guter, informativer Artikel. Warum wird die Regelung dann zwei Tage nach Weihnachten vom SPD Arbeitsminister so heftig kritisiert und wieder eine 100 % Sanktion geplant ?
Wovon soll sich dann ein Sanktionierter ernähren ? Wovon soll er / sie Strom und Telefon oder eine Fahrt mit dem Bus zum Arzt bezahlen ?

Gespeichert von Rudi Wieting (nicht überprüft) am Do., 04.01.2024 - 16:37

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Hier ist ein Uhrteil von Bundegericht und weiter gibt es nichts . SPD und CSU solde mal ihr S wie Sozial raushollen.