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„Knackpunkt Qualifizierung“: SPD beschließt Konzept ALG-Q

Mit einem Recht auf Qualifizierung und einer verlängerten Bezugsdauer des ALG I will die SPD arbeitssuchenden Menschen helfen. Andrea Nahles lobt das Konzept als zukunftsweisend und wehrt sich gegen „Kritik von gestern“.
von Robert Kiesel · 6. März 2017

Einstimmig hat der Parteivorstand der SPD am Montag einen Entwurf beschlossen, der eine deutliche Stärkung der Qualifizierung von arbeitssuchenden Menschen vorsieht. Unter dem Titel Arbeitslosengeld-(ALG)-Q will die SPD eine Leistung für Menschen einführen, die sich während der Arbeitssuche weiterbilden. Die Bezugsdauer des ALG I soll dadurch nicht gemindert werden. Machen Arbeitssuchende künftig von ihrem Rechtsanspruch Gebrauch und beziehen ALG-Q, verzögert sich der Wechsel vom ALG I in ALG II (Hartz IV).

Konzept ALG-Q: Rechtsanspruch und längerer Bezug von ALG I

Konkret will die SPD folgende Punkte umsetzen:

  • Arbeitssuchende Menschen haben künftig ein Recht auf Qualifizierung. „Aus einer Kann-Leistung wird eine Muss-Leistung“, so Arbeitsministerin Andrea Nahles. Wer drei Monate nach Ende des Arbeitsverhältnisses keine neue Anstellung gefunden hat, kann sich auf den Rechtsanspruch auf Qualifizierung berufen.
  • Für die Dauer der Qualifizierung erhalten Arbeitssuchende ALG-Q statt ALG I. Der Auszahlungsbetrag bleibt gleich, der Anspruch auf ALG I erhalten. Aktuell halbiert sich für die Zeit der Qualifizierung die Bezugsdauer des ALG I. Beim ALG-Q soll das nicht der Fall sein. Arbeitsuchende können damit länger ALG beziehen als zuvor – im Höchstfall jedoch 48 Monate.
  • Die Gruppe der Menschen, die ein Anrecht auf den Bezug von ALG I haben, wird größer. Statt wie bisher mindestens 12 Monate sozialversicherungspflichtige Beschäftigung innerhalb von zwei Jahren vor Bezug von ALG I, reichen künftig zehn Monate sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in drei Jahren aus, um ALG I beziehen zu können. Schätzungen zufolge profitieren davon rund 100.000 Menschen, so Nahles.
  • Zusätzlich will die SPD das Schonvermögen der Menschen erhöhen, die Grundsicherung erhalten. Statt bislang 150 Euro pro Lebensjahr sollen die Menschen künftig 300 Euro pro Lebensjahr als Rücklage behalten dürfen. Darüber hinausgehende Rücklagen müssen aufgebraucht werden, ehe Grundsicherung ausgezahlt wird.
  • Im Zuge der Einführung des Rechtsanspruchs auf ALG-Q soll der Titel „Bundesagentur für Arbeit“ erweitert werden. Sie soll künftig „Bundesagentur für Arbeit und Qualifikation“ heißen.

Nahles: „Der Knackpunkt heißt Qualifikation“

Den unter ihrer Führung erarbeiteten Vorschlag sieht Andrea Nahles als „Reaktion auf den tiefgreifenden Wandel in der Arbeitswelt“. Weil sich Anforderungen stark veränderten und der Bereich qualifizierter Arbeitsplätze anwachse, müssten die Leistungen der Bundesagentur für Arbeit den Anforderungen angepasst werden. „Der Knackpunkt heißt Qualifikation“ sagte Nahles und bezeichnete den Beschluss als Konzept, „das die zukünftigen Herausforderungen des Arbeitsmarktes im Blick hat. Ziel ist immer die Vermittlung in den Arbeitsmarkt“, so Nahles weiter. Zu den erwarteten Kosten der Einführung von ALG-Q konnte Nahles keine konkreten Angaben machen. Auf Nachfrage erklärte sie: „Die Zahl von einer Milliarde Euro halte ich für realistisch.“

Auf die bereits vor dem offiziellen Beschluss durch den Parteivorstand einsetzende Kritik an ihren Plänen reagierte Nahles gelassen. „Das ist Gerede der achtziger oder neunziger Jahre“, sagte Nahles unter anderem in Richtung CDU-Vize-Chefin Julia Klöckner, die der SPD vorgeworfen hatte, mit ihren Plänen eine „Frühverrentungswelle“ loszutreten. „Wenn Menschen immer länger arbeiten sollen, dann müssen sie sich auch bis zum Ende ihres Erwerbslebens qualifizieren können“, so Nahles dazu. Die Sorge vor vermeintlichen Frühverrentungen nannte sie „Kritik von gestern“. Ihr eigenes Konzept dagegen sei Teil einer „Arbeitsmarktpolitik der Zukunft“.

Autor*in
Robert Kiesel

war bis März 2018 Redakteur des vorwärts.

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