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Klimawandel: „Jedes zehntel Grad mehr kostet Menschenleben.“

Die Weltklimakonferenz endet enttäuschend. Kira Vinke, Leiterin des Zentrums für Klima und Außenpolitik bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, sagt, woran das liegt und warum es trotzdem einen großen Erfolg gab.
von Kai Doering · 21. November 2022
Zwei Wochen verhandelte die Weltklimakonferenz im ägyptischen Sharm el Sheikh. Am Ende ist die Enttäuschung groß.
Zwei Wochen verhandelte die Weltklimakonferenz im ägyptischen Sharm el Sheikh. Am Ende ist die Enttäuschung groß.

Die Weltklimakonferenz (COP27) hat sich auf den Aufbau eines gemeinsamen Fonds zum Ausgleich von Klimaschäden in ärmeren Ländern geeinigt. Ein Erfolg?

Ja, das ist ein großer Erfolg für die Klimagerechtigkeit und stärkt das Verursacherprinzip. Denn Staaten, die den Klimawandel maßgeblich mitverursachen, geraten nun unter Druck, Beiträge zu zahlen, um diese Schäden zu bewältigen. Dies muss für China genauso gelten wie für die USA oder Europa. Gleichwohl müssen Emissionen dringend gesenkt werden, ansonsten steigen Verluste und Schäden ins unermessliche. Bei den Emissionsminderungen gab es keinen Fortschritt seit der Vereinbarung der Verhandlungen in Glasgow.

Woran liegt das?

Die Verhandlungen liefen extrem schleppend und es gab von großen Emittenten und ölproduzierenden Staaten immer wieder den Versuch, selbst vergangene Vereinbarungen wieder aufzuweichen. Gleichwohl ist durch die vereinbarte Temperaturgrenze von 1,5 bis 2 Grad eigentlich schon indirekt festgelegt, dass der Ausstieg aus den fossilen Energien erfolgen muss. Insofern muss nun die Zeit bis zum nächsten Klimagipfel genutzt werden, um bilaterale und plurilaterale Partnerschaften zu schließen und die Klimaschutzambitionen zu erhöhen. Und der eigentliche Klimaschutz findet zuhause statt, im eigenen Haus, im Fußballverein und Theater. Überall dort, wo klimaschädliche Ressourcen verwendet werden, müssen neue Wege gegangen werden – unabhängig vom internationalen Konsens.

Im Abschlusstext wird dennoch das Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens bekräftigt, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Ist das noch realistisch?

Theoretisch ist es noch möglich, die Emissionen so schnell zu senken, dass während dieses Jahrhunderts die Temperaturen bei 1,5 Grad stabilisiert werden können. Allerdings weisen weder die nationalen Ziele, noch die Dynamik der internationalen Verhandlungen daraufhin, dass diese Grenze gewahrt wird. Trotzdem gilt: 1,7 Grad wäre besser als 2 Grad Erwärmung und 2,1Grad besser als eine 3 Grad wärmere Welt. Jedes zehntel Grad mehr kostet Lebensgrundlagen und auch Menschenleben. Es gilt also zu schützen, was wir noch schützen können.

Das Interview wurde schriftlich geführt.

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Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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