Klimaexpertin Brigitte Knopf: „Der CO2-Preis wird deutlich steigen.“
IMAGO/Sylvio Dittrich
Sie sehen die Klimapolitik in Deutschland auf keinem guten Weg. Woran hakt es besonders?
Wir sind an einem Punkt angekommen, ab dem es deutlich schwieriger wird, die Klimaziele einzuhalten. In den vergangenen 20 Jahren haben wir die tiefhängenden Früchte geerntet – also mit relativ wenig Aufwand viel CO2 einsparen können, indem wir etwa effizientere Gaskessel fürs Heizen eingebaut oder alte Autos ersetzt haben. Jetzt treten wir in die Phase der wirklichen Transformation ein. Es geht nicht mehr nur darum, Dinge effizienter zu machen, sondern um einen Umbau unserer Art zu leben und zu wirtschaften, und zwar im großen Stil. Während etwa der Umbau der Stromerzeugung hin zu Erneuerbaren Energien nur für wenige spürbar war, kommen wir jetzt in einen Bereich, der das tägliche Leben aller Menschen stark berührt und häufig auch verändern wird. Das sehen wir ja im Moment an der Auseinandersetzung ums Heizen.
Halten sie ein Verbot des Einbaus neuer Öl- und Gasheizungen für sinnvoll?
Prinzipiell ist das der richtige Schritt. Den Menschen jetzt zu sagen, dass der Einbau neuer rein fossil betriebener Öl- und Gasheizungen nicht mit den Klimazielen vereinbar ist und ihm perspektivisch einen Riegel vorzuschieben, ist aus meiner Sicht absolut sinnvoll. Leider wird in der Debatte sehr vieles vermischt, das gar nichts miteinander zu tun hat. Die Bundesregierung setzt zum Teil auch auf eine falsche Kommunikation.
Inwiefern?
Der CO2-Preis wird in den kommenden Jahren deutlich steigen. Das heißt, dass Öl und Gas absehbar deutlich teurer werden als heute und damit auch der Betrieb von Öl- und Gasheizungen. Wer heute noch solch ein System einbaut, hätte in spätestens zehn Jahren mit enormen Kosten zu rechnen. Leider wird die Debatte aber nur auf der Grundlage der Anschaffungskosten geführt, und da schneidet eine Wärmepumpe her natürlich deutlich schlechter ab. Die Politik sollte viel stärker betonen, um welche Kosten es im gesamten Zeitverlauf geht und sie sollte bei jedem Instrument von Anfang an dazu sagen, wie die soziale Entlastung aussieht.
Ist das Drängende der Transformation bei den Menschen insgesamt vielleicht noch nicht so richtig angekommen?
Zum Teil ist das sicher so. Eine Weile hat die Energiewende ja in der Bevölkerung eine hohe Zustimmung gehabt. In der Debatte, was künftig noch im Kampf gegen den Klimawandel passieren muss, sind die Bürgerinnen und Bürger aber möglicherweise bisher zu kurz gekommen. Bei vielen fehlt auch noch das Wissen, wie Dinge miteinander zusammenhängen – was nicht ihre Schuld ist! Aufgabe von Politik und durchaus auch Wissenschaft muss sein, diese Zusammenhänge so zu erklären, dass die Menschen sie verstehen, und sie als Akteure auch in Prozesse einzubeziehen. Das ist anstrengend, aber anders wird es nicht gehen. Wir sollten ganz deutlich machen: Es geht um mehr als nur die Energiewende – es geht jetzt wirklich um eine Transformation hin zu Null Emissionen, die für alle von uns eine Umstellung bedeutet.
Und am Ende auch Verzicht?
Zwischen den Jahren 2000 und 2010 hatten wir deutliche Effizienzgewinne und dadurch Emissionssenkungen. Zwischen 2010 und 2020 ist nicht mehr so viel passiert. Im Gebäudebereich blieb der CO2-Ausstoß konstant, im Verkehrsbereich hat er sogar zugenommen – und das liegt vor allem an einem durch die Effizienzsteigerung und Wohlstandseffekte induziertes geändertes Nutzer*innenverhalten. Wir bewohnen größere Wohnungen, die beheizt werden müssen. Bei den Autos sind die Motoren schwerer geworden und viele Familien können sich ein zweites Auto leisten. All das macht sich durch höhere Emissionen bemerkbar. Insofern geht es nicht unbedingt um Verzicht, aber schon um die Frage, wie wir mit einer Zunahme von Wohlstand so umgehen, dass sie sich nicht beim Klima bemerkbar macht. Das ist durchaus heikel, weil daraus schnell eine Verbotsdebatte werden kann.
Sie beschäftigen sich ja schon länger mit der Bepreisung von CO2. Inwieweit kann ein CO2-Preis ein gutes Steuerungsinstrument für den Klimaschutz sein?
Der CO2-Preis ist ein zentrales Instrument für den Klimaschutz. Man muss aber klar differenzieren, in welchem Sektor er welche Wirkung haben kann. Im Stromsektor zum Beispiel sind vor allem die Stromerzeuger und große Unternehmen die entscheidenden Akteure, nicht aber die privaten Verbraucher. In diesem Bereich hat ein CO2-Preis eine starke Lenkungswirkung, weil die Unternehmen zum Teil auf Jahre im Voraus kalkulieren. Deshalb wirkt der CO2-Preis über den europäischen Emissionshandel dort auch bereits sehr gut und führt zu massiven Einsparungen von Emissionen.
Anders ist es im Gebäude- und im Verkehrssektor. Hier haben wir es meist mit Einzelpersonen zu tun, die deutlich kurzfristiger und nach anderen Kriterien als Unternehmen entscheiden, welches Auto sie sich zulegen oder welche Heizung sie einbauen. An dieser Stelle lässt sich mit einem CO2-Preis deutlich weniger gut lenken. Da ist ergänzend beispielsweise eine Förderprämie für die Anschaffung eines Elektroautos sinnvoll. Grundsätzlich bin aber davon überzeugt, dass wir einen differenzierten CO2-Preis brauchen, weil wir sonst gegen die fossilen Energieträger immer anfördern müssen.
Kritiker*innen sagen, ein CO2-Preis sei unsozial, Reiche könnten ihn viel leichter bezahlen als Menschen, die ohnehin schon wenig Geld haben.
Ich halte einen CO2-Preis für äußerst sozial, wenn man ihn richtig ausgestaltet. Zum einen, weil er dem Verursacherprinzip entspricht: Wer CO2 ausstößt, bezahlt auch dafür, und nicht die Allgemeinheit. Außerdem haben Menschen mit weniger Geld häufig kleinere Wohnungen und kein Auto, sie bezahlen also deutlich weniger. Zum anderen sollte der Staat Einnahmen, die er über den CO2-Preis hat, über ein Klimageld an die Bürgerinnen und Bürger zurückgeben. Diejenigen, die wenig CO2 verbrauchen, könnten sich darüber also unterm Strich sogar besserstellen.
Aus der Wirtschaft kommt bereits seit einiger Zeit die Forderung nach einem „Industriestrompreis“, der Unternehmen den Übergang zu Erneuerbaren Energien erleichtern soll. Die Politik greift die Forderung mittlerweile mit eigenen Vorschlägen auf. Was halten Sie davon?
Der Vorschlag konterkariert aus meiner Sicht die die Anstrengungen beim Klimaschutz. Denn eigentlich müsste der Preis für den Ausstoß von CO2 höher liegen, damit die Transformation der Unternehmen einen weiteren Schub bekommt. Einige gehen da ja jetzt schon voran. Statt Energie staatlich zu subventionieren, wäre aus meiner Sicht ein Signal, dass fossile Energie teurer wird, der bessere Weg. Eine Transformationsprämie dagegen könnte ich mir durchaus vorstellen, je nachdem, was das jeweilige Unternehmen produziert und was es voraussichtlich kostet, auf eine Stromversorgung nur aus Erneuerbaren Energien umzusteigen.
Sie differenzieren sehr stark nach Sektoren – Industrie, Verkehr, Gebäude. Die Bundesregierung dagegen plant offenbar, die im Klimaschutzgesetz verankerten Sektorziele abzuschaffen. Wie bewerten Sie das?
Alles in einen Topf werfen darf die Bundesrepublik schon europarechtlich nicht. Aber auch das, was erlaubt ist, nämlich die Zusammenlegung des Verkehrs- und des Gebäudebereichs, halte ich nicht für sinnvoll. Beide Sektoren sind sehr unterschiedlich und haben spezifische Probleme, die dazu führen, dass die Latte der CO2-Obergrenze regelmäßig gerissen wird. Einen differenzierten Blick halte ich deshalb für notwendig. Ansonsten wird es mit der Steuerung schwierig. Klar ist aber auch, dass jeder Sektor weiter CO2 reduzieren muss.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.
Immer dieses laestige Klima
DAs Klima laesst sich auch spaeter nicht retten - wir haben dringlichere Probleme. Wie Hr. Scholz sagte: "Ohen Sicherheit ist alles nix" oder aehnlich. Die CO2 Abgaben werden nur als Steuererhoehung wahrgenommen und sind es ja im Grunde auch. Will man mir das Fliegen und Autofahren verleiden? In China und Indien faengt man gerade erst so richtig an und kommen man mir nicht mit "China baut die meisten Elektroautos" usw. Ja mit Kohlestrom, alten dort wiederaufgebauten Stahlwerken aus Duisburg Rheinhausen und riesigen Schrottplaetzen, wo die Autos abgestellt werden, um die Produktionsquoten hoch zu halten - dafuer gibt es dann Geld vom Staat - Betrug auf der ganzen Linie. Die ganze Welt dieseltvor sich hin und wir sollen das Klima retten - wenn's nicht mein Geld kosten wuerde, ich lachte mich schlapp ... der Green Deal wird grandios abgewaehlt werden, die Kosten sind vielzu hoch und jeder kleine Mann (u. Frau) part doch schon wo es geht ... und trotzdem ist Energie zu teuer.