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Klausur in Schwante: Ost-SPD stimmt sich aufs Wahljahr ein

In drei ostdeutschen Bundesländern wird 2019 gewählt. Vertreter der Ost-SPD treffen sich an diesem Wochenende im brandenburgischen Schwante, um sich darauf vorzubereiten. Am Freitagabend zogen sie eine Bilanz nach 30 Jahren Friedlicher Revolution.
von Kai Doering · 26. Januar 2019
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Schwante ist ein eher unscheinbarer Ort vor den Toren Berlins. Bei Sozialdemokraten allerdings schlägt das Herz höher, wenn sie den Namen hören. Am 7. Oktober 1989 wurde im dortigen Pfarrhaus mit der SDP die Sozialdemokratische Partei der DDR gegründet. Knapp 30 Jahre später sind die ostdeutschen Landesverbände für ein Wochenende nach Schwante zurückgekehrt – diesmal allerdings ins Schloss. „Aufarbeitung. Anerkennung. Aufbruch.“ lautet der Titel ihrer Klausur, mit der sich die Ost-SPD auf das Jahr mit Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg einstimmt.

Die „besondere Ostsicht“ in die SPD einbringen

„Hier in Schwante sind unsere Wurzeln“, betont Martin Dulig gleich zu Anfang. „Wir wollen unsere Geschichte mit dem verbinden, was wir an Erwartungen haben“, gibt der Ostbeauftragte der SPD die Richtung vor. Und die sind groß. So wollen die ostdeutschen Landesverbände ihre „besondere Ostsicht“ noch stärker als bisher in die Debatten innerhalb der SPD einbringen.

„Mut und Zuversicht haben die Stimmung während der Friedlichen Revolution geprägt“, blickt auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig zurück auf die Ereignisse von 1989. „Das ist ein Gefühl, das uns auch gut durch dieses Jahr tragen kann.“ Das ist nicht nur von den Wahlen in drei ostdeutschen Bundesländern geprägt, sondern auch vom 30. Jahrestag der Friedlichen Revolution. „Wir können stolz sein auf das Erreichte, müssen aber auch kritisch auf das gucken, was nicht gelungen ist“, meint Manuela Schwesig.

SDP-Gründung zentral für Friedliche Revolution

Dem stimmt auch Markus Meckel zu. Der frühere Pfarrer und spätere letzte Außenminister der DDR war einer der Initiatoren der SDP-Gründung in Schwante. Für die Parteigründung hätten er und seine rund 40 Mitstreiter „eigentlich eine Kneipe gesucht, wie es sich gehört“. Doch das sei schwierig gewesen, hätte man den Wirt doch in die Pläne einweihen müssen. So wurde es schließlich das Schwanter Pfarrhaus. „Wir wollten bewusst diese Partei gründen, da die SPD die älteste Partei der Bundesrepublik ist“, betont Meckel. Warum dann aber der Name SDP und nicht gleich SPD? „Es sollte deutlich werden, dass wir ein eigenes Gewächs sind und kein Ableger der westdeutschen SPD.“

Die Rolle der SDP für die Entwicklung 1989 sei ganz entscheidend gewesen, ihre Gründung „ein zentraler Teil der Friedlichen Revolution“, die schließlich zum Mauerfall führte. Deshalb, so Meckel, sei es zwar wichtig, sich die Fehler der Einigungspolitik genau anzusehen, aber die Wiedervereinigung – „die Glücksstunde der Deutschen im 20. Jahrhundert“ – auch nicht kleinzureden.

Das Grundgesetz um die Nachwendeerfahrungen ergänzen

„Die wunden Punkte der Demokratie hätte man 1989 diskutieren müssen“, meint dagegen die Historikerin Christina Morina – und zwar in einer gesamtdeutschen Debatte. „Was bedeutet es für die künftige politische Partizipation, wenn man die Macht, nachdem man sie erobert hat, wieder an Parteien abgibt“ – über diese Frage wünscht sich Morina „eine Diskussion, die nach vorne weist“.

Ein Punkt, den Markus Meckel gerne aufnimmt, indem er auf die Vorläufigkeit des Grundgesetzes verweist, die in Artikel 146 geregelt ist. „Wir haben ein Verfassungsjahr“, erinnert Meckel. „Lasst uns nochmal über das Grundgesetz reden, es um die Erfahrungen der letzten 30 Jahre ergänzen und die Vorläufigkeit beenden.“

Bei Manuela Schwesig stößt Meckel damit auf offene Ohren. „Eine Wertediskussion könnte unsere Gesellschaft voranbringen“, ist die Ministerpräsidentin überzeugt. Intensiv über das Grundgesetz zu diskutieren, „wäre auch eine gute Antwort auf die immer wieder aufkommenden Forderungen nach einem Leitbild“. Bis eine veränderte Verfassung im Bewusstsein der Menschen angekommen ist, könne es allerdings dauern. Darauf weist Christina Morina hin. „Ein gelebtes Grundgesetz ist etwas, das dauert“, sagt die Historikerin. „Am Ende gewinnt die Demokratie nur, wenn sie möglichst vielen Menschen möglichst viel Gutes bringt.“

Die Klausur wird am Samstag fortgesetzt. Auf dem Programm stehen Fragen wie die Gestaltung des Strukturwandels, Rente und die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse. Außerdem soll ein Konzept für einen Ostkonvent der SPD-Mitglieder im April erarbeitet werden.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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