Familienpolitik

Klausur der Bundestagsfraktion: SPD plant Kindergrundsicherung

Jonas Jordan10. Januar 2019
Franziska Giffey fordert bedarfsgerechte Kindergrundsicherung
Familienministerin Franziska Giffey spricht sich für eine bedarfsgerechte Kindergrundsicherung aus.
Die SPD plant, noch in diesem Jahr ein Modell für eine Kindergrundsicherung vorzulegen. Das geht aus einem Papier für die Klausurtagung der SPD-Bundestagsfraktion vor, die am Donnerstag beginnt. Unterstützung gibt es aus den Ländern und von Sozialverbänden.

„Das ist die Basis, um eine Kindergrundsicherung auf den Weg zu bringen“, sagte Familienministerin Franziska Giffey am Mittwoch bei einer Pressekonferenz zur Vorstellung des Starke-Familien-Gesetzes. Wie eine solche Kindergrundsicherung aussehen könnte, dazu will die SPD noch in diesem Jahr ein Modell vorlegen. Das geht aus einem Papier für die Klausurtagung der SPD-Bundestagsfraktion vor, die am heutigen Donnerstag beginnt. Darin heißt es: „Um in Zukunft alle finanziellen Leistungen für Kinder klarer und einheitlicher zu fassen, arbeiten wir in der SPD an einem Modell für eine zuverlässige und bedarfsgerechte Absicherung von Kindern.“

Nahles forciert Familienpolitik

Die Partei- und Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles schrieb am Donnerstagvormittag auf Twitter: „Wir wollen das kinderfreundlichste Land werden: gute Kitas, starke Familien, faire Löhne in der Ausbildung und genug BAföG fürs Studium. Für die Kinder, die momentan von Hartz IV leben, brauchen wir eine eigene Absicherung. Denn unsere Kinder verdienen die besten Startchancen.“ Im Morgenmagazin sagte Nahles außerdem, es sei ein unhaltbarer Zustand, dass mehr als drei Millionen Kinder in Deutschland in Grundsicherung leben: „Wir wollen eine Politik, die wirklich bei den Familien ankommt und bei den Kindern wirkt.“

Die Berliner SPD hatte sich bereits im November auf ihrem Landesparteitag für die Einführung einer Kindergrundsicherung ausgesprochen. In einem entsprechenden Antrag, der auf Initiative der SPD Friedrichshain-Kreuzberg eingebracht wurde, heißt es: „Die Schere zwischen Arm und Reich verfestigt sich in Deutschland immer mehr. Mittlerweile lebt jedes 5. Kind in Armut oder ist von Armut bedroht. Die aktuellen bundespolitischen Mittel und Transferleistungen für Kinder begünstigen dabei vor allem gutverdienende Familien und schreiben damit die ungleichen Chancen fort. Deshalb fordern wir ein neues Konzept: die Kindergrundsicherung.“

Auch Dulig und Weil für Kindergrundsicherung

Auch der Vorsitzende der sächsischen SPD und Ostbeauftragte der SPD Martin Dulig befürwortet die Einführung einer Kindergrundsicherung: „Eine Kindergrundsicherung würde nicht nur Kinderarmut stärker bekämpfen, sondern sie würde für mehr Gerechtigkeit für all jene sorgen, die wie die Kassiererin oder der Paketbote gerade so viel verdienen, dass sie kein Wohngeld, keine Teilhabeförderung oder keine Übernahme vom Kitabeitrag erhalten. Sie erhalten nur das Kindergeld. Diese Eltern verdienen also ,zu viel' für Förderung, zahlen aber gleichzeitig keine oder sehr wenig Steuern und erhalten so auch keine Entlastungsbeträge für die Kinder. Damit bekommen diese Kinder am wenigsten.“

Deshalb brauche es die Kindergrundsicherung für Deutschland, die jedem Kind ein Existenzminimum und Teilhabe zusichere. „Die Entwicklung und Perspektiven von Kindern sollten nicht von der finanziellen Situation der Eltern abhängig sein“, so Dulig. Ähnlich äußerte sich auch Familienministerin Giffey. Sie forderte, dass eine Kindergrundsicherung nicht mit der Gießkanne ausgeschüttet werden dürfe, sondern auf die Bedürfnisse von Familien angepasst sein müsste. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sagte: „Wir brauchen ein einfaches und bürgerfreundliches System, das insbesondere Kinderarmut wirksam bekämpft.“

Bündnis begrüßt SPD-Vorstoß

Das Bündnis Kindergrundsicherung, ein Zusammenschluss von Sozial-, Wohlfahrts-, Fachverbänden und Wissenschaftlern, begrüßt die Ankündigung von Andrea Nahles, dass sich auch die SPD hinter das Konzept einer Kindergrundsicherung stellen wolle. Das Bündnis fordert die CDU auf, sich einem solchen Konzept für die konsequente Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland ebenfalls nicht weiter zu verschließen. „Wir erwarten, dass die SPD dieses Konzept nun in die Koalition einbringt und sich auch die CDU konstruktiv damit auseinandersetzt“, erklärte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands und neuer Sprecher des Bündnisses Kindergrundsicherung.

Die Bekämpfung von Kinderarmut könne nicht mehr warten, denn aus armen Kindern würden oft arme Jugendliche und später arme Rentner, sagte Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes und Bündnis-Koordinator. Aktuell leben rund drei Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland in Armut – jedes fünfte Kind. Das Bündnis fordert daher eine Kindergrundsicherung in Höhe des jeweils aktuellen Existenzminimums, die mit steigendem Haushaltseinkommen sozial gerecht abgeschmolzen wird. Im Gegenzug schlägt das Bündnis vor, dass Kinderfreibeträge, Kindergeld, Sozialgeld und weitere pauschal bemessene Transfers in der neuen Leistung aufgehen.

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Kommentare

Kinder brauchen eine Bedarfsgerechtigkeit

Nach dem Positionspapier des Seeheimer Kreises zur Reform des Sozialstaates ist dies die zweite erfreuliche Idee in kurzer Zeit. Es war nicht zu erwarten, dass die Unionschristen i.S. einer sozialen Gerechtigkeit eine Bedarfsgerechtigkeit für Kinder erkennen. Sie glauben, dass allein der Kampf gegen die Verarmung der Familien an sich im Blickfeld bleiben müsse [und damit der faktische Stillstand]. Die blumigen Ausschmückungen von Gesetzen wie "Gute Kita" und "Starke Familien" sind natürlich albern, oberflächlich und gefährden das DGB Projekt "Gute Arbeit", zumal im Rahmen vom Koalitionskleinklein nur Minimalkompromisse verabschiedet werden.

Die Überlegung, Minderjährige eigenständig abzusichern und ein zunehmendes Einkommen von Eltern entsprechend gegenzurechnen führt zu einer "Netto-Gerechtigkeit". Es ist nicht wichtig, dass der Vorschlag weder konkret ausgestaltet ist, noch gegenfinanziert, noch koalitionsfähig. Allein er zeigt, dass die SPD beginnt zu verstehen, dass ihre Zukunftsfähigkeit allein von der morgigen Ausgestaltung der sozialer Kohäsion abhängig ist. Es ist zu hoffen, dass sie infolge auch verstehen wird, wie bei Erwachsenen prekäre Beschäftigung abzuschaffen ist.

Sind Kinder kein Teil der Familie mehr ?

Die zum Scheinargument verkommene Betrachtung einer isoliert diskutierten "Kinderarmut" erweckt den Eindruck, das Erwachsenen- und Familienarmut nicht von Interesse sind.
Wenn es denn tatsächlich geplant ist, "Kinderarmut" zu vermindern ohne das man die Elternarmut mit bedämpft wäre zwangsläufig das Konstrukt der "Bedarfsgemeinschaft" aufzuheben und eine individuelle Berechnung der Lebensgrundlagen einzuführen, sowie die durchgehende Anrechnung jedweden Einkommens wie zum Beispiel Kindergeld aus dieser Berechnung auszugliedern. Das widerspricht der politischen Zielrichtung der letzten Jahrzehnte, in der der Staat die Familien immer mehr in die Haftung nimmt und Unterstützung einspart.

Ich werde den Verdacht nicht los das wie bei den politisch verzerrten "Arbeitslosenzahlen" sowie beim "Armutsbericht" nicht etwa mehr Mittel den Betroffenen zugute kommen werden sondern nur die gleichen Mittel umbenannt und aufgesplittet werden, um mit viel unsinnigem und teurem Aufwand ein positiveres Scheinbild der tatsächlichen Situation zu generieren.
Hat man die "Kinderarmut" dann statistisch kleingerechnet braucht man sich also nicht mehr um die Erwachsenen- und Familienarmut zu kümmern ?