Kindergrundsicherung: Warum sie für die SPD ein Meilenstein ist
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Katja Mast ist die Freude über den bevorstehenden Beschluss des Bundeskabinetts während eines Pressegesprächs am Mittwochvormittag sichtlich anzumerken. Endlich geht es los. An diesem Tag soll der Entwurf zur Einführung einer Kindergrundsicherung von der Bundesregierung endlich final gebilligt werden. Danach kann das parlamentarische Verfahren beginnen, im Bundesrat, der in diesem Fall mitentscheiden muss, soll das Gesetz final Anfang Februar 2024 beschlossen werden, erläutert die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion. Sie spricht von einem historischen Meilenstein und verweist auf ihre eigene Familiengeschichte.
Mast: „Ich war eines dieser Kinder, für die wir jetzt die Kindergrundsicherung machen“
Die Einführung der Kindergrundsicherung sei ein bewegender Moment für sie. Denn: „Ich habe selbst als Kind von Sozialhilfe gelebt und war eines dieser Kinder, für die wir jetzt die Kindergrundsicherung machen, damit die Dinge einfacher, digitaler und unbürokratischer werden.“ Mast erzählt offen davon, wie sie schon mit zwölf Jahren als älteste von vier Geschwistern ihrer alleinerziehenden Mutter dabei half, Anträge auszufüllen. Ihre Mutter, die als Putzfrau in einer Schule arbeitete, habe sich lange geschämt, zum Amt zu gehen. „Irgendwann ging es nicht mehr anders“, sagt Mast.
Sie bezeichnet die Kindergrundsicherung als große Strukturreform. Solche Reformen hätten an sich, dass sie einerseits kompliziert seien, andererseits jedoch, dass sie für die Zukunft für lange Zeit etwas festlegten. „Wir machen das, um Kinderarmut zu bekämpfen, aber auch um das Leben in den Familien einfacher zu machen und damit das Land moderner und zugewandter wird“, sagt Mast. Die SPD habe sich schon auf dem Bundesparteitag 2019 in Berlin mit dem dort beschlossenen Sozialstaatskonzept für die Einführung einer Kindergrundsicherung ausgesprochen.
Nicht nur eine Geldleistung
Wichtige finanzielle Vorarbeiten seien die Erhöhung des Kindergeldes auf 250 Euro gewesen und die Einführung des Kindersofortzuschlags in Höhe von 20 Euro gewesen. Allerdings sei für die SPD wichtig, dass die Kindergrundsicherung nicht nur eine Geldleistung sei, sagt Mast. Sie verweist auf das Bildungs- und Teilhabepaket, mit dem sichergestellt werden solle, dass es sich Kinder beziehungsweise die betroffenen Familien leisten können, einen Schulranzen zu kaufen, auf ein Hüttenwochenende zu fahren oder diskriminierungsfrei in Vereinen mit dabei zu sein. Zusätzlich soll das geplante Startchancenprogramm der Bundesregierung bis zu 4.000 Schulen bundesweit unterstützen, die vor besonderen Herausforderungen stehen.
Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich begrüßt, dass das Bundeskabinett nun einen Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung auf den Weg gebracht habe. „Darauf haben wir lange gewartet“, sagt Mützenich. Er bedauert jedoch, dass die Bundesregierung die sogenannte Rechtsförmlichkeitsprüfung noch nicht abgeschlossen habe. Denn die Bundesregierung habe sich in ihrer Geschäftsordnung selbst zum Ziel gesetzt, jeden Gesetzentwurf einer rechtssystematischen und rechtsförmlichen Prüfung zu unterziehen.
Mützenich fordert rasche Rechtsförmlichkeitsprüfung von der Regierung
Daher kündigt Mützenich an: „Der Bundestag kann erwarten, dass eine solche Selbstverpflichtung vor der Zuleitung erfüllt wird, zumal die Kindergrundsicherung verschiedene Leistungen, die bisher in anderen Gesetzen geregelt waren, bündelt. Ich habe bereits vor Wochen angekündigt, dass ich Gesetzentwürfe, die das Bundeskabinett oder Teile von ihm unter Vorbehalt stellt, nicht im parlamentarischen Bereich akzeptieren werde. Deswegen wird die SPD-Fraktion bis zum Abschluss dieser Prüfung keine parlamentarischen Beratungen beginnen.“ Er erwarte, dass die Voraussetzungen dafür von Seiten der Bundesregierung rasch geschaffen würden. Dann könne auch der ambitionierte Zeitplan eingehalten werden.
Zwei von Mützenichs Stellvertreter*innen sind auf jeden Fall positiv gestimmt. So ist Dagmar Schmidt angesichts des Beschlusses zur Kindergrundsicherung überzeugt: „Nach Mindestlohnerhöhung, Bürgergeld und Wohngeld plus sorgen wir nun dafür, dass niemand wegen seiner Kinder arm wird und Familien es leichter haben, die Leistungen, die ihnen zustehen, auch zu erhalten.“ Für Sönke Rix ist die Kindergrundsicherung der entscheidende Schritt, um Kindern in Armut zu helfen. Das Ziel sei, mehr Familien in schwierigen finanziellen Situationen zu erreichen und den Zugang zu den Leistungen möglichst einfach zu machen. Zielgerichtet, digital und effizient.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo