Inland

Kindergrundsicherung: So sieht das SPD-Konzept gegen Kinderarmut aus

Jedes fünfte Kind in Deutschland ist von Armut betroffen. Mit einer Kindergrundsicherung plant die SPD einen grundlegenden Wechsel in der Familienförderung. Das Ziel: Kinderarmut abschaffen!
von Vera Rosigkeit · 21. November 2019

Geht es nach dem Willen der SPD, soll es künftig für alle 17,8 Millionen kindergeldberechtigten Kinder und Jugendliche in Deutschland eine einfach zugängliche und verlässliche staatliche Leistung geben. Das geht aus einem Konzept zur Einführung einer Kindergrundsicherung hervor. Das Konzept, das von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Katja Mast und der Bundestagsabgeordneten Dagmar Schmidt für den SPD-Parteivorstand erarbeitet wurde, soll kommenden Montag eben dort beschlossen werden. Da „sozialer Zusammenhalt schon bei den Kleinsten beginnen muss“, soll jedes Kind und alle Jugendlichen unabhängig vom Geldbeutel der Eltern gleiche Chancen haben, ihre Potentiale zu entwickeln, „damit es jedes Kind packt“, so das dort formulierte Ziel.

250 Euro Basisbetrag pro Kind und Monat

Im Mittelpunkt der sozialdemokratische Kindergrundsicherung stehen zwei Säulen: Die eine besteht aus einer existenzsichernden Geldleistung, die andere beruht auf Investitionen in gute und gebührenfreie Bildung und Mobilität. Es nütze ja nichts, zehn Euro mehr zu haben, wenn es vor Ort keine Musikschule gibt oder keinen Bus, der das Kind zum Sportverein fährt, erklärt Dagmar Schmidt im Interview mit dem vorwärts. Für zehn Euro mehr ließe sich auch keine Betreuungsstruktur kaufen, fügt sie hinzu.

Doch zunächst zur Geldleistung: Die soll künftig aus einem Basisbetrag von 250 Euro für alle bestehen. Dafür wird der Steuerfreibetrag für Besserverdienende, die bisher ihren Kindergeldbetrag als Steuerfreibetrag bis zu 300 Euro geltend machen können, auf 250 Euro pro Kind und Monat reduziert. Für alle anderen wird der heutige Kindergeldbetrag von 204 Euro auf 250 Euro angehoben. Laut SPD-Konzept werde so „die derzeitigen Ungerechtigkeit bei den Familienleistungen“ beseitigt.

Höchstbetrag von 478 Euro möglich

Darüber hinaus wird es für finanzschwache Familien zusätzlich einen durchschnittlichen Wohnkostenzuschuss geben plus einen zusätzlichen Betrag für mehr soziale Teilhabe (46 Euro pro Kind). Das ergibt einen Höchstbetrag von 400 Euro für Kinder bis sechs Jahre, 458 Euro für Kinder zwischen sechs und 13 Jahre und 478 Euro für Jugendliche ab 14 Jahre.

Von den 250 Euro Basisbetrag sollen künftig automatisch 30 Euro auf eine Kinderkarte gezahlt werden, die jedes Kind erhält. Dieser Betrag könne für das öffentliche Schwimmbad, das Museum oder die Mitgliedschaft im Sportverein genutzt werden. „Wir möchten erreichen, dass Kinder Kultur- und Freizeitangebote gemäß ihren individuellen Interessen in Anspruch nehmen können und sie so in ihrer persönlichen Entwicklung gefördert werden“, heißt es dazu im Papier.

Kinderkarte und freie ÖPNV-Nutzung

Gleichzeitig sollen Kinder und Jugendliche mit dieser Karte den ÖPNV kostenfrei nutzen können. Für Dagmar Schmidt erfordert dieses Vorhaben eine gemeinsame Anstrengung zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Gefordert ist nicht nur kostenfreie Mobilität, sondern auch ein Rechtsanspruch auf Mobilität. „Es mag in Berlin toll sein, den ÖPNV kostenfrei zu nutzen, aber auf dem flachen Land nütze die Kostenfreiheit nichts, wenn kein Bus fährt“, sagt Schmidt dazu. Es müsse sichergestellt werden, dass Kinder und Jugendliche zum Sportverein fahren können. „Das ist gerade für Jugendliche im ländlichen Raum ein ganz wichtiger Punkt“, so Schmidt.  

Investitionen in die Infrastruktur sind auch notwendig, um weitere Forderungen des Konzepts umsetzen zu können: Den Rechtsanspruch auf gute und beitragsfreie Kitas und den Rechtsanspruch auf gute und beitragsfreie Ganztagsbetreuung im Grundschulalter. „Jedes Kind in Deutschland soll glücklich und unbeschwert aufwachsen können“, betont Katja Mast.

Wohlfahrtsverbände begrüßen Konzept

Mit der Kindergrundsicherung will die SPD nicht nur Kinderarmut bekämpfen, sondern auch die Mitte der Gesellschaft stärken, so das formulierte Ziel. Das Konzept soll am Montag vom Parteivorstand beschlossen und anschließend dem Bundesparteitag im Dezember zur Abstimmung vorgelegt werden.

Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) und das Zukunftsforum Familie e.V. (ZFF) begrüßten am Donnerstag die Reformideen als richtungsweisend. Das vorgelegte Konzept weise den richtigen Weg und „zeigt, wie die Bekämpfung der Kinderarmut in unserem Land gelingen kann“, erklärte der AWO Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler. Die Vorsitzende des ZFF, Christiane Reckmann, sagte: „Gleichzeitig nimmt die SPD mit dem Einbezug des Kinderfreibetrages aus dem Steuerrecht und der Forderung nach einer Neubemessung des Existenzminimums unsere Forderung, dass jedes Kind gleich viel wert sein soll, endlich ernst.“

Autor*in
Avatar
Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare