Adenauers Machtmissbrauch

Kevin Kühnert: Spionage gegen SPD ist ein „beispielloser Vorgang“

Karin Nink09. April 2022
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert reagiert fassungslos auf Veröffentlichungen, wonach Kanzler Konrad Adenauer fast zehn Jahre lang die damalige SPD-Spitze systematisch hat ausspionieren lassen.

Der Historiker Klaus-Dietmar Henke hat es aufgedeckt und die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet in ihrer Ausgabe vom 9. April 2022 über diesen schier unglaublichen Vorgang: Konrad Adenauer, der erste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland hat von 1953 bis 1962 den SPD-Parteivorstand systematisch ausspionieren lassen. Er wusste so oft noch am gleichen Tag genau Bescheid darüber, was man in der damaligen SPD-Spitze dachte und sagte. Er wusste, welche Strategien die Genoss*innen verfolgten und wer für welchen Posten gehandelt wurde.

Dies belegen neben Material aus dem BND-Archiv auch Akten der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, die Henke ausgewertet und die die „Süddeutsche Zeitung“ eingesehen hat. Henke ist Sprecher der Unabhängigen Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes (BND).

Zwei Sozialdemokraten lieferten Informationen

An der Affäre waren zwei Genossen beteiligt. Die Informationen aus dem Parteivorstand gab Siegfried Ortloff an Siegfried Ziegler weiter, der damals schon für die „Organisation Gehlen“ arbeitete, dem Vorläufer des BND. Reinhard Gehlen, der Chef der Organisation Gehlen und des späteren BND, reichte die Berichte über Adenauers Staatssekretär Hans Globke an den Kanzler weiter.

Ortloff war im Widerstand gegen Hitler aktiv und zeitlebens ein Nazi-Gegner. Er war im SPD-Parteivorstand verantwortlich für die Abwehr kommunistischer Unterwanderung.  Ziegler war SPD-Kreisvorsitzender in Starnberg. Insgesamt gelangten so rund 500 vertrauliche Berichte über die SPD-Spitze in die Hände des damaligen Kanzlers.

Kühnert: CDU muss Vorgänge aufarbeiten

In einer ersten Reaktion sprach SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert von einem „ungeheuerlichen und in der bundesrepublikanischen Geschichte beispiellosen Vorgang“. Adenauer habe als Kanzler „seine Macht systematisch unter Missachtung rechtsstaatlicher und demokratischer Prinzipien“ ausgebaut und gefestigt. Kühnert forderte die CDU auf, daraus Konsequenzen zu ziehen: „Es wird Zeit, sich als deutsche Christdemokratie einer kritischen Aufarbeitung zu stellen. Nicht etwa zum Wohle der Sozialdemokratie, die nach dem entbehrungsreichen Kampf gegen den Nationalsozialismus die Bundesrepublik auf den Trümmern von Krieg und Völkermord half neu aufzubauen, sondern zum Wohle der Wahrhaftigkeit, unserer Demokratie und ihres Ansehens.“ Die CDU schulde „eine ehrliche Aufarbeitung“.

Es ist nicht neu, dass Adenauer mit Hilfe von Hans Globke – einst Kommentator der Nürnberger Rassengesetze unter den Nazis – und Gehlen innenpolitische Gegner ausspionieren ließ. Bekanntestes Beispiel dafür ist der langjährige SPD-Vorsitzende und Bundeskanzler Willy Brandt. Die nun vorliegenden Erkenntnisse über das Ausspähen der damaligen SPD-Spitze aber zeigen, dass Adenauer und seine Adlaten es hier offenbar zu einer ganz neuen Dimension und Qualität der Spionage der politischen Konkurrenz brachten.

Spurensuche bei den Söhnen

Die „Süddeutsche Zeitung“ versuchte, auch der Frage nachzugehen, warum ein Nazi-Gegner wie Ortloff an Beamten wie Gehlen oder Globke Informationen aus seiner Partei lieferte. Beide waren Teil von Hitlers Machtmaschinerie. Ortloffs Söhne, die die Zeitung aufsuchte, können sich nicht erklären, wie es dazu kam, dass ihr Vater seine SPD für Adenauer ausspionierte. Er „war doch ein aufrechter Sozialdemokrat bis in seine letzten Tage“, werden sie zitiert.

Für Kühnert ist es „schwer erträglich“, dass es mehr als 60 Jahre dauerte, um diesen Skandal aufzuklären. „Viele seinerseits aktive Sozialdemokraten können nicht mehr erleben, wie ihnen und ihrer Partei späte Gerechtigkeit widerfährt.“

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Kommentare

Standard..

Na wenn man unbequeme Akten gezielt für Jahrzehnte sperrt oder gleich schwärzt oder vernichtet darf man sich nicht wundern, wenn Peinlichkeiten erst nach Jahrzehnten offenbar werden.
Vielleicht mag Herr Kühnert ja sein offenbar lückenhaftes Wissen um politische Skandale ein wenig aufbessern, wenn er mal die Aktivitäten von zum Beispiel den Herren Kohl,Schäuble,Franz-Josef Strauß,Roland Koch,Hartz, Maschmeyer, Schily,Rexroth, usw. nachschlägt oder die Damen von der Leyen,Birgit Breuel, Angela Merkel ein wenig auf ihren politischen Lebenswandel untersucht.
Um das dritte (?) Geschlecht nicht zu vernachlässigen gern auch Sachthemen wie Stuttgart21,Bahnprivatisierung,Contergan, "Treuhand"/Leuna/Zeiss,Flick-Affaire, usw.

Die Liste unappetitlicher politischer Fehlgriffe ist unerfreulich lang. Noch unerfreulicher ist natürlich, das Solchewelche meist gänzlich straffrei oder bestenfalls mit symbolischen "Sträfchen" davonkommen. Aber neu ist das alles nicht und irgendwie fehlt solchen Skandalen für mich persönlich auch der "Aufregewert", ich bin mein Leben lang mit regelmäßigen Skandalen seitens der "Vorbilder" im Bundestag aufgewachsen und dementsprechend abgestumpft.

ja, da ist was dran, man stumpft ab, und wer

erinnert sich noch an Typen wie Georg Leber, der persönliche Verantwortung übernahm, für Dinge, die seinem persönlichen Einfluss gar nicht zugänglich waren. So etwas (anständiges) gibt es nicht mehr

Spionage gegen SPD

Diese Spionage von der Adenauer-Regierung, vor allem, wenn man bedenkt, dass ein Nazi wie Globke zuständiger Staatssekretär war, ist bereits seit längerer Zeit bekannt. Wie groß wäre das Geschrei der rechten Szene, von Merz über Dobrindt bis zu Gauland, wenn die Ampel-Regierung Ähnliches täte?

In Regionen, die früher von der CDU/CSU majorisiert wurden, mussten noch in den siebziger Jahren Leute, die sich um eine Hausmeister-Stelle in Schulen beworben haben, CDU-Mitglied sein, um überhaupt eine Chance zu haben.

Plakate, die wir als Jusos Mitte der 70er Jahre zu einem Veranstaltungshinweis aufgehängt hatte, waren nach einer Stunde bereits entfernt worden. SPD-Mitglieder mussten aus der Partei austreten, damit ihre Kinder eine Lehrstelle bekamen.

Das war "christlich-demokratische" Politik.

Sie sagen es,

SPD gut!

Bekannt

Dass Kommunisten ausspioniert wurden, das hatten wir schon gehört, aber nun auch die SPD ??? Sind das die Grundlagen "unseres" demokratischen Rechtsstaates und tickt die CDSU auch heute noch so ?

Adenauer

nun ja, wie die CDU tickt, das ist

die eine Frage. Aber sind wir selber, bzw sind die unsrigen gefeit vor den Versuchungen, dem politischen Gegner mit Hilfe der Behörden, Rundfunkanstalten und sonstigen Organisationen, in denen sie unmittelbar oder mittelbar Einfluss nehmen können, den Garaus zu machen. Eine Frage, mit der sich derzeit die Gerichte befassen. Darf der Verfassungsschutz - um ein Beispiel zu geben, und beim hier diskutierten Casus zu bleiben- die AfD diskreditieren/überwachen/verfolgen? Wir werden es sehen.

AfD und das Fragezeichen

Ich habe bisher noch nicht feststellen können, dass die
AfD diskreditiert oder verfolgt wird. Dass die AfD überwacht wird,
ist bei deren Gebaren in struktureller, politischer, rechtlicher und praktischer
Hinsicht nur zu vernünftig und gerechtfertigt. Oder wollen wir vielleicht zuwarten,
bis z.B. das Bundesverfassungsgericht mehrheitlich mit Richter*innen besetzt ist,
die der AfD angehören bzw. deren Weltbild teilen ???

was in diesem Kontext fehlt, ist die

abstrakte Betrachtung dessen, was hier diskutiert wird. Für weite Teile der Bevölkerung, widergespiegelt im damaligen Bundestag, waren die Genossen der SPD in den 50er Jahren , was die Abgeordneten der AfD heute sind- "staatsfeindliches Gesindel" , um mal den Superlativ zu verwenden.
Ist, was damals unzulässig war, heute zulässig, nur aus der veränderten Position heraus? Ich will hier wahrlich keine Lanze brechen für die AfD, weit gefehlt- aber gleiches muss gleichbehandelt werden. Der politische Gegner ist zunächst einmal ein politischer Gegner, dem man sich inhaltlich stellt. Die Nutzung von Instrumenten, die einem mit der gerade verfügbaren Macht zur Verfügung stehen, verbietet sich jedenfalls abstrakt. Konkret wird das ja gerichtlich entschieden.

Generell sollte man nicht das, was man als zugefügtes Unrecht (richtigerweise) beklagt, anderen zuteil werden lassen,
Wer so verfährt, verspielt die Glaubwürdigkeit. Er läuft Gefahr, das, was hier als "historisch beispiellos" gebranntmarkt wird, als beispielgebend für das zu kennzeichnen, was in der Gegenwart praktiziert wird.

Die Macht ist immer "eine Gefahr"- sie bedarf der Kontrolle durch die Medien, der VORWÄRTS vorneweg

abstrakte Betrachtung

Sie weichen wieder aus.
Wann und Wo wurde die AfD diskreditiert, verfolgt???

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