Kaweh Mansoori: „Es tut uns gut, das Ehrenamt auch in der Spitze abzubilden“
peter-juelich.com
Wie viele Jahre haben Sie bisher für die SPD Bratwürste gegrillt?
Ich bin seit 2008 in der SPD. An so furchtbar viele Bratwursterlebnisse erinnere ich mich nicht, aber die klassische Basisarbeit habe ich die allermeiste Zeit gemacht – bei allen Temperaturen Wahlkampf gemacht und Plakate geklebt.
Die Frage zielte auf ein Zitat von Kevin Kühnert ab, der gefordert hat, junge Leute sollten in der SPD nicht erst 20 Jahre Würstchen grillen müssen, bevor sie mitreden dürfen.
Ganz häufig ist in den Ortsvereinen Würstchen grillen und Bierbänke aufstellen ein notwendiger Zwischenschritt, um mit Menschen in Kontakt zu kommen. Und das ist das Wichtigste bei dem, was wir tun. Deswegen darf das nicht als Herabwürdigung der Arbeit verstanden werden, die wir an der Basis leisten. Trotzdem müssen wir in vielen Strukturen innovativer werden und müssen gute Ideen erkennen; unabhängig davon, von wem sie kommen. In der Hinsicht stimme ich Kevin absolut zu.
In Ihrer Bewerbungsrede auf dem Bezirksparteitag haben Sie gesagt, dass Erneuerung nicht immer „jung und hip“ sein müsse. Mit 30 sind Sie für SPD-Verhältnisse noch relativ jung. Sind Sie auch hip?
Ich habe meine Bewerbungsrede in Sneakers gehalten. Aus dem Blickwinkel vieler ist das schon sehr hip. Wir haben Leute, die für uns in Kommunalparlamenten und in Ortsvereinen aktiv sind. Sie sagen seit 20 Jahren, dass wir die Fragen von sicheren Jobs und Wertschöpfung in den Regionen mit Umweltaspekten zusammen denken müssen. Deswegen habe ich von Traditionslinien gesprochen, an die wir anknüpfen müssen. Wir müssen zurück zu unseren Wurzeln, unabhängig davon, ob das heute als modern gilt oder nicht. Es ist einfach Teil unserer DNA. Das herauszubilden, ist ein notwendiger Schritt, um wieder als SPD erkennbar zu werden.
Ist Ihre Wahl auch ein Zeichen von Erneuerung, das von Südhessen ausgeht?
Außerhalb der SPD ist es schon lange so, dass man auch mit 30 Jahren Verantwortung übernehmen kann, wenn man bereits viel Erfahrung gesammelt hat. Ich habe mit 16 Jahren mit politischer Arbeit in Schülervertretungsstrukturen begonnen und bin später erst zur SPD gekommen. Meine Wahl ist aber eine sehr individuelle Entscheidung, die wir als südhessischer Bezirk getroffen haben. Es würde mich freuen, wenn das andere dazu bewegt, sich auch mutig in personalpolitischen Fragen aufzustellen. Das heißt aber nicht, dass die Partei jetzt nur noch von 30-Jährigen geführt werden kann. Und es heißt nicht, dass wir das, was andere an coolen Ideen mitbringen, nicht mehr wertschätzen, nur weil sie nicht ins Altersportfolio passen.
Sie sind gleichzeitig hessischer Juso-Landesvorsitzender. Wie bekommen Sie das zeitlich hin?
Das geht nur, indem ich mich diszipliniere und neben meinem Beruf einen sehr eng getakteten Tag habe. Mit Blick auf die nächsten Monate werden wir diese Aufgaben voneinander trennen. Denn aus dem Ehrenamt heraus ist das auf Dauer so nicht zu schaffen.
In der SPD wird eine Ehrenamtsquote für Führungspositionen diskutiert. Fänden Sie das sinnvoll?
Es tut uns gut, das Ehrenamt auch in der Spitze abzubilden. Als Ehrenamtlicher bin ich viel weniger flexibel, mir meine Zeit für politische Arbeit einzuteilen. Der Mehrzahl unserer Mitglieder geht es ähnlich. Deswegen kann ich deren Bedürfnisse viel stärker berücksichtigen, weil sie bei mir selbst im Alltag eine Rolle spielen. Wir können nicht jeden Abend irgendeine Sitzung abhalten. Diesen Sitzungswahn in der Partei müssen wir reduzieren und projektorientierter arbeiten. Wir werden die Beteiligung nur dann auf Dauer hochhalten können, wenn wir uns auf die individuelle Lebenssituation von Menschen einstellen, die Vollzeit etwas anderes machen als Parteiarbeit.
Sie haben neulich gesagt: „Soziale Demokratie und demokratischer Sozialismus – das ist das Begriffspaar, das zusammen gehört.“ Was bedeutet das inhaltlich?
Die Debatte, die Kevin Kühnert angestoßen hat, ist kein Hirngespinst, sondern Teil unserer sozialdemokratischen Tradition. Der demokratische Sozialismus ist in unserem Grundsatzprogramm verankert. Wir brauchen solche Langzeitvisionen und roten Linien, anhand derer wir Einzelentscheidungen im Alltag treffen. Das ordnet unsere Politik in größere Zusammenhänge ein. Das heißt für mich, wie wir die Beteiligung von Menschen – unabhängig vom Geldbeutel – gewährleisten können; wie wir Durchlässigkeit in unserer Gesellschaft schaffen; wie wir dafür sorgen, dass Menschen die gleichen Chancen haben, unabhängig davon, aus welchen Elternhäusern sie kommen. Konkret heißt das, dass ich mich für eine stärkere Umverteilung einsetze, dass wir stärkere Regeln für die Wirtschaft brauchen und dass wir Teilhabe und Demokratie stärken sollten, indem wir die Menschen im Land unterstützen, die Verantwortung im Ehrenamt übernehmen oder sich um Angehörige kümmern.
Der demokratische Sozialismus ist für Sie also kein Schreckgespenst?
Nein.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo