Wie Kanzler Scholz die Bürger*innen „sehr effizient“ entlasten will
IMAGO/Political-Moments
Es war Olaf Scholz' erster Auftritt als Kanzler in der Bundeskonferenz in Berlin. Hier hatte er zuvor bereits 33 mal der Hauptstadtpresse Rede und Antwort gestanden. Und diese große Erfahrung merkt man an diesem Donnerstag seinem Auftritt an: Gelassen, professionell und souverän beantwortet der Kanzler fast zwei Stunden lang alle Fragen der Journalist*innen aus dem In- und Ausland.
Er zeigt sich in der Sommerpressekonferenz „gut erholt“ von seinem kurzen Urlaub, wie er selbst sagt. Und auch erkennbar gut gelaunt. Immer wieder lächelt er freundlich, macht den ein oder anderen kleinen Scherz, um dann wieder schnell zur Sache zurückzukehren. Die Journalist*innen lachen oder schmunzeln mit. Keine ihrer Fragen im Saal kann Scholz auf’s Glatteis führen oder gar in Bedrängnis bringen.
Scholz: Haben uns auf die Krise vorbereitet
Gleich zu Anfang macht der Bundeskanzler deutlich: „Wir haben ernste Zeiten. Das weiß, glaube ich, jede und jeder in diesem Land. Ernste Zeiten, die uns auch noch viel abverlangen werden.“ Etwa mit Blick auf den kommenden Winter und das kommende Jahr. Gemeint sind die steigenden Energiekosten, die Probleme mit der Energiesicherheit sowie die Inflation, die die Bürger*innen sorgen.
Die Bundesregierung habe sich „genau auf diese Situation intensiv vorbereitet“, betont Scholz. So habe er bereits Monate vor Kriegsausbruch, im Dezember des vergangenen Jahres, – „kaum dass ich Kanzler geworden war“ – im Wirtschaftsministerium nach Alternativen im Falle ausbleibender Gaslieferungen gefragt. Durch gute Vorbereitung seien so die Gasspeicher jetzt schon voller als im vergangenen Jahr.
Scholz: Wir lassen niemanden alleine
In der Vorbereitung seien auch weitere Entlastungen der Bürger*innen. Scholz kündigt nach den ersten beiden Entlastungspaketen der Bundesregierung im Umfang von 30 Milliarden Euro ein „weiteres Paket“ an. „Und dazu ist die Regierung auch fest entschlossen“, so der Kanzler. Er bekräftigt sein Versprechen „You’ll never walk alone“: Scholz stellt klar: „Die Bürgerinnen und Bürger können sich darauf verlassen, dass wir sie nicht alleine lassen.“ Trotz großer Schwierigkeiten gebe es in Deutschland eine hohe weiter steigende Beschäftigung. „Deshalb haben wir alle Chancen, gut durch diese Zeit zu kommen – auch wenn es schwierig wird.“
Beim weiteren Hilfspaket gibt der Kanzler bereits konkret die Richtung vor: „Mir geht es um die, die ganz wenig haben.“ Sie sollen etwa profitieren beim Wohngeld und beim Bürgergeld, sowie bei der Kindergrundsicherung. „Wir sind dabei, diese Reformen gründlich vorzubereiten.“ Die Regierung wolle aber auch denen helfen, die zwar ein mittleres Arbeitseinkommen, aber keine Ersparnisse haben, um auf die Preissprünge, etwa im Energiebereich, reagieren zu können. Das betreffe etwa Menschen mit einem Bruttoeinkommen von 2.800 oder 3.000 Euro im Monat. „Deshalb ist klar, dass zu dem Gesamtpaket, dass wir ergreifen werden, sicherlich auch steuerliche Entlastungsmaßnahmen dazu gehören.“ Das sei ihm „ein persönliches Anliegen“, so Scholz.
Verbesserungen für Rentner*innen und Studierende
Entsprechende Vorschläge von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) in diese Richtung nennt der Kanzler „sehr sehr hilfreich“ und spricht von einem guten ersten Aufschlag. Das werden die Ampel-Parteien nun „zusammenbinden zu einem sehr effizienten Paket“. Dazu gehörten auch Verbesserungen für Rentner*innen und für Studierende.
Die Regierung werde ihre im Koalitionsvertrag fest vereinbarten weiteren Ziele angesichts der komplexen Krise nicht aufgeben. Das gelte für die beschlossene Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohnes im Oktober, die ebenfalls verabschiedete Erhöhung der Erwerbsminderungsrenten, die Stabilisierung der Renten, die massive Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus. „All diese Dinge kommen“, betont Scholz. Dazu gehöre als zentrales gemeinsames Reformvorhaben der Ampel-Regierung die „industrielle Modernisierung“ und die „Wohlstandssicherung“ des Landes.
Kanzler: Russland kein sicherer Gaslieferant
In der Energiepolitik gehe es jetzt um den schnellen Ausbau der Erneuerbaren Energien und die rasche Befreiung von der Abhängigkeit von russischem Gas. „Wir arbeiten sämtliche Versäumnisse der letzten Jahre ab“, so der Kanzler. Und das mit großem Tempo. Man wolle sogar noch mehr Tempo machen. „Mit jeder Windmühle, mit jeder Solaranlage, mit jeder neu in Betrieb genommenen Stromtrasse sinkt die Abhängigkeit Deutschlands von fossilen Ressourcen“ – und damit auch von russischem Gas.
Der Kanzler sieht Russland nicht länger als sicheren Energielieferanten. „Weil wir uns eben nicht auf die Sätze der letzten Jahrzehnte verlassen können: Egal was los ist, Russland wird Gas liefern.“ Obwohl es keine Gassanktionen der EU gebe, reduziere Russland seine Gaslieferungen an Deutschland. Das zeige, „dass wir das Richtige getan haben“, als sich die Regierung bereits seit Ende letzten Jahres um Alternativen zu russischem Gas zu bemühe.
Ukraine-Krieg bleibt größte Herausforderung
„Die größte Herausforderung ist natürlich der furchtbare Krieg, den Russland gegen die Ukraine begonnen hat,“ betont der Kanzler. Er lässt keinen Zweifel daran, dass Deutschland die Ukraine weiter tatkräftig unterstützen werde. „Wir tun das durch einen massiven Bruch mit der bisherigen Praxis“ keine Waffen in Kriegsgebiete zu liefern. Nun liefere Berlin Waffen: „sehr sehr viele, sehr weitrechende, sehr effiziente“. Das werde die Bundesregierung auch weiter tun. Das gelte genauso für die finanzielle Unterstützung der Ukraine.
Zu Russland stellt Scholz klar, er habe ganz bewusst von einer „Zeitenwende“ gesprochen. Man habe es mit einer neuen Realität zu tun. Denn Russland denke und agiere weiter „in den Kategorien des 19. Jahrhunderts“. Scholz spricht von „imperialistischer Machtpolitik“ des Kreml. Denn weiter behalte es sich Moskau ausdrücklich vor, Nachbarländer anzugreifen und sich neue Territorien „unter den Nagel zu reißen“.
Sondervermögen Bundeswehr „gutes Zeichen“
Deshalb gebe es keine Alternative, als „für unsere eigene Sicherheit mehr zu tun“. Er habe daher das 100 Milliarden Euro teure Sondervermögen für die Bundeswehr vorgeschlagen. Das sei die Konsequenz der Zeitenwende. „Dass wir das schnell entschieden haben, ist ein gutes Zeichen für diese Koalition“, so der Kanzler. Dass es dafür eine 2/3-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat gegeben habe, „ist ein gutes Zeichen für unser Land“.