Joachim Schuster: Wie der Bremer für eine neue Entspannungspolitik in Europa kämpft
Goetz Schleser
„Ich bin überzeugt davon, dass nur die Weiterentwicklung der Europäischen Union die Chance bietet, die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit zu meistern“, sagt Joachim Schuster. Der 56-Jährige ist seit 2014 für die SPD Abgeordneter im Europaparlament. Er ist der Ansicht, dass nationale Politik damit überfordert sei, eben jene Herausforderungen zu bewältigen. „Kaum ein Problem macht an nationalen Grenzen Halt. Deshalb braucht nationale Politik eine eurpäische Einbettung, um Bestand zu haben“, sagt Schuster.
Für eine neue Entspannungspolitik
Der Bremer verfügt über die notwendige Erfahrung in nationalen Parlamenten, um dies beurteilen zu können. Schuster war von 1999 bis 2006 Abgeordneter in der Bremischen Bürgerschaft. Anschließend wirkte er sechs Jahre lang als Staatsrat im kleinsten Bundesland. 2014 wurde er erstmals ins Europaparlament gewählt, im Mai zog der Politikwissenschaftler erneut über die Bundesliste der SPD ein.
Für die kommenden fünf Jahre in Straßburg und Brüssel hat sich Schuster vorgenommen, daran mitzuwirken, „dass die EU sich aktiv in die Weltpolitik einmischt, aber nicht als militärische Macht, sondern als konsequente Verfechterin einer neuen Entspannungspolitik“. Im Mittelpunkt seines politischen Handelns steht für Schuster die Frage der sozialen Gerechtigkeit. Diese beinhalte ebenso mehr Einnahmen durch die Bekämpfung von Steuervermeidung und -hinterziehung wie auch eine deutliche Steigerung der öffentlichen Investitionen in soziale und ökologisch nachhaltige Projekte.
Parlament soll Initiativrecht bekommen
Ebenso fordert Schuster eine Klimaschutzpolitik, die den notwendigen Wandel sozial begleite und eine faire Handelspolitik, die nachhaltige Entwicklungen nicht verhindere, sondern fördere. Zugleich will der Bremer wachsam sein angesichts zunehmender europafeindlicher Kräfte im Parlament und nach Mehrheiten unter den progressiven und europafreundlichen Parteien und Fraktionen suchen. „Die europafeindlichen und europaskeptischen Parteien haben mittlerweile eine beachtliche Anzahl an Abgeordneten. Wir müssen aufpassen, dass sie nicht die Politik des Parlaments dominieren und auch über die nationalen Regierungen und den Rat zu viel Einfluss nehmen“, sagt er.
Angesichts dessen fordert Schuster eine stärkere Demokratisierung der Politik auf europäischer Ebene, was er insbesondere am Prinzip der Spitzenkandidierenden festmacht: „Gerade nach dem Prozess um die Wahl von der Leyens können wir uns nicht mehr auf lockere Versprechungen des Rats verlassen. Wir brauchen jetzt eine feste rechtliche Verankerung.“ Zudem müssten die Rechte des Parlaments gestärkt werden, beispielsweise durch ein Initiativrecht zur Einbringung von europäischen Gesetzen.
Ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten
Gleichzeitig will Schuster, der Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung ist, seine parlamentarische Arbeit den Bürgerinnen und Bürgern näher bringen: „Wir müssen versuchen, die Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit wieder näher an die europäische Politik zu holen und einen neuen europäischen Geist entfachen.“ Dazu sei es dringend nötig, mit progressiven Partnern bei der Europäischen Integration voranzugehen. Schuster plädiert daher für ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten.
Gleichzeitig müsse jedoch sichergestellt sein, „dass wir die Mindeststandards für Rechtsstaatlichkeit nicht schleifen lassen, insbesondere mit Blick auf die Osteuropäischen Staaten“. Europa müsse der Garant für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit sein.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo