Interview mit Johannes Kahrs

Aus für Jamaika: „Christian Lindner hat wohl Angst bekommen.“

Kai Doering20. November 2017
„Merkel kann es nicht.“ Johannes Kahrs, Sprecher des Seeheimer Kreises, sieht den Grund für das Scheitern der Jamaika-Gespräche in der Bundeskanzlerin.
Johannes Kahrs ist Sprecher des Seeheimer Kreises.
Das Scheitern der Jamaika-Gespräche ist ein Scheitern von Angela Merkel. So sieht es der Sprecher des Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs. Der SPD rät er, die nächsten Schritte in Ruhe zu überlegen. Gespräche mit CDU und CSU seien nur unter einer Bedingung möglich.

Als Reaktion auf den Abbruch der Jamaika-Sondierungsgespräche haben Sie getwittert: „In der Ruhe liegt die Kraft.“ Wie bewerten Sie das Scheitern der Verhandlungen?

Merkel kann es einfach nicht. Das haben diese Sondierungsgespräche wieder eindrucksvoll gezeigt. Als Bundeskanzlerin reicht es nicht zu moderieren. Normalerweise ist es so, dass man in Sondierungen oder Koalitionsverhandlungen die dicken Brocken am Anfang wegräumt. Hier war es genau andersherum. CDU, CSU, FDP und Grüne haben vier Wochen über dieselben Themen geredet, ohne, dass es irgendwelche Fortschritte gegeben hätte. So kann man keine Gespräche führen. Da hätte Merkel ein Machtwort sprechen müssen, hat aber stattdessen die Dinge laufen lassen. Deshalb sind am Ende alle wuschig geworden.

In der Kritik steht vor allem Christian Lindner. Meinen Sie, die FDP wollte vielleicht von Anfang an gar keine Jamaika-Koalition bilden?

Ich nehme der FDP ab, dass sie eine Koalition mit CDU, CSU und Grünen bilden wollte, denke aber, dass sie während der Gespräche schnell gemerkt hat, dass sie mit Regierungsverantwortung überfordert wäre. Die FDP, die wir gerade erleben, ist ja nicht die alte liberale Partei von Scheel oder Genscher, sondern ein Konstrukt von PR-Beratern und Werbeagenturen. Da ist keinerlei Substanz. Wäre es zu Jamaika gekommen, hätte Christian Lindner als Finanzminister ins Kabinett gemusst. Davor hatte er wohl Angst.

Nach der Absage der FDP blicken nun alle auf die SPD. Sollten die Sozialdemokraten bei ihrem Nein zum Eintritt in eine große Koalition bleiben?

Es war goldrichtig, gleich am Wahlabend klar zu sagen, dass wir als SPD in die Opposition gehen und dass es Jamaika machen soll. Die haben alle vor der Bundestagswahl rumgehupt und Jamaika als fortschrittliches Bündnis der Bürgerlichen gepriesen. Jetzt sind sie gescheitert. Damit gibt es eine neue Lage, in der die SPD genau überlegen muss, was sie tut. Es gibt die Option für eine Neuwahl, es gibt die Möglichkeit einer Minderheitsregierung und die einer großen Koalition. Alle Parteien sollten sich nun intern sortieren und dann die Situation in Ruhe bewerten.

Welches Szenario bevorzugen Sie?

Ich bevorzuge, dass wir uns nun erstmal Zeit nehmen. Niemand treibt uns. Deutschland hat eine funktionierende Bundesregierung, die geschäftsführend im Amt ist. Wir haben einen beschlossenen Haushalt. Deshalb sollten wir uns nicht vorab auf eine Option festlegen, sondern Vor- und Nachteile in Ruhe abwägen. Gespräche mit CDU und CSU sind aber auf jeden Fall nicht möglich, bevor sie ihre Personalprobleme nicht gelöst haben.

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Kommentare

Personalprobleme?

Ich sehe die "ungelösten Personalprobleme" nicht so sehr bei der CDU/CSU als bei uns, der SPD. Für Merkel ist in der CDU keine Nachfolge in Sicht und resigniert klingt sie auch nicht. Das wir mit der gleichen Thematik und den gleichen Spitzenpersonen bei einer Neuwahl ein besseres Ergebnis einfahren werden, bezweifele ich. Die einzige Partei, die ganz gewiß ihren Nutzen aus dem Scheitern einer Regierungsbildung ziehen wird, ist die AfD.

Angst bekommen?

Eher das Gegenteil- gestanden wo andere gefallen wären, naturgesetzlich gesprochen den Weg des geringsten Widerstands gegangen wären.
Glaubt Hr Kahrs, dass es im Wahlkampf ausreicht, den Gegner zu diskreditieren und zu verunglimpfen- auch noch auf derart billige Art und Weise. Das ist Wahlkampf wie in Zeiten der Weimarer Republik- damit locken sie heute niemanden mehr hinter dem Ofen hervor, wenn Sie dies auch noch als Aufmacher im Titel zitieren. Oder ist dass eine Art von Traditionspflege in der Redaktion?

Angst

Ich denke er hat Manschetten bekommen weil er damit wiederum rechnen muss, das Mutti Merkel die kleine FDP aufreibt, zerreibt und diese wieder ihre Mandate im Bundestag verliert. Der Grund liegt offen zu Tage.

ich glaub eher , dass die FDP

ich glaub eher , dass die FDP auf AFD Wähler schielt, haben in der "Flüchtlingsfrage " ja die CSU rechts überholt, der hat keine Angst, sondern ist clever. Wenn die SPD ne Groko macht, hat sie 2022 def. 18%!

18% !

Sie sind ein hoffnungsloser Optimist

Johannes ist nicht gleich Johannes

Der Johannes Rau hätte den Mund nicht so voll genommen, aber dem Johannes ist das eigen, gerne nimmt er den Mund ganz voll und versprüht gerne seine demagogisch anmutenden Statements.

Es ist müßig sich über die psychologische Befindlichkeit von Herrn Lindner den Kopf zu machen. Fakt ist, er hat kein Vertrauen in den Prozess der Regierungsbildung und es wäre dann unvernünftige nicht den Stecker raus zu ziehen. Angst hin oder her, wuschig oder nicht wuschig – Johannes mag Adjektive, dabei braucht es passende Verben, denn wir werden an unserem Tun gemessen und nicht an unseren Bewertungen!

Übrigens das Stammhirn lässt dreierlei Optionen offen mit Angst umzugehen – Flucht, Angriff und Standhalten. Wobei alle drei keine Schwächen sondern Stärken sind – Es ist manchmal wirklich gut das Weite zu suchen und sich von einer Gefahr in Sicherheit zu bringen – Wer die Flucht ergreift braucht Mut und die Angst kann ihm dabei helfen die Gefahr richtig einzuschätzen! Politiker sollten aufhören in ihrer Rhetorik zu psychologisieren.

Dabei sollte dem Johannes die Ungeduld von Lindner über die Kanzlerin doch vertraut sein, ihr Zögern u. Hinausschieben von Entscheidungen (Ehe für alle).