Inland

Jamaika-Chaos: Warum Angela Merkel zurücktreten sollte

Die Kanzlerschaft Angela Merkels endet im Chaos von Jamaika. Sollte Merkel nicht in der Lage sein, eine stabile Regierung aus Union, FDP und Grünen zu bilden und nicht bereit sein, eine Minderheitsregierung zu führen, sollte sie die Konsequenz ziehen und zurücktreten.
von Lars Haferkamp · 17. November 2017
Angela Merkel bei den Sondierungsgesprächen von Union, FDP und Grünen in Berlin.
Angela Merkel bei den Sondierungsgesprächen von Union, FDP und Grünen in Berlin.

Der Verhandlungsmarathon der Jamaika-Parteien endete in Berlin ohne Ergebnis. Wieder einmal. Was CDU, CSU, FDP und Grüne mit ihren so genannten Sondierungsverhandlungen seit Wochen dem Land zumuten, wird von Tag zu Tag schwerer erträglich. Und dabei haben die Herrschaften mit den eigentlichen Koalitionsverhandlungen noch gar nicht angefangen, geschweige denn mit dem Regieren.

Das endlose giftige Aufeinandereindreschen der beteiligten Parteien, gut über sich selbst und schlecht über den anderen reden – das ist nicht nur höchst unsympathisch, es ist auch höchst unprofessionell. Es schafft eben kein Vertrauen in eine Partnerschaft, es unterminiert sie. Wie sollen die Bürger einer Regierung vertrauen, deren Partner sich selbst nicht über den Weg trauen?

Was will Merkel – außer regieren, egal mit wem?

Das Agieren von Schwarz-Gelb-Grün in den letzten Wochen ist ein Programm für noch mehr Politikverdrossenheit und Demokratieverachtung in Deutschland. Als hätte das Land davon noch nicht genug, seit die Rechtspopulisten erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik in den Bundestag eingezogen sind – und das auch noch zweistellig und als drittstärkste Kraft.

Immerhin, nach wochenlangem Sondierungsgezerre kann das Publikum nun ahnen, was CSU, FDP und Grüne wollen, beziehungsweise was sie auf gar keinen Fall wollen. Doch was wollen Angela Merkel und die CDU? „Ich will das“, soll Merkel gesagt haben und damit eine gemeinsame Regierung der Jamaika-Parteien gemeint haben. Das wussten wir auch schon vorher, dass sie vor allem regieren will und dass ihr die Inhalte und Partner dabei nicht so wichtig sind.

CSU, FDP, Grüne streiten – die CDU schaut zu

Es kann jetzt aber nicht mehr darum gehen, was Merkel will und was nicht, es muss jetzt darum gehen, was das Land braucht. Und das braucht eine Regierung. Nach den letzten Wochen dürfte niemand daran glauben, dass Union, FDP und Grüne in der Lage sein werden, vertrauensvoll und harmonisch zusammenzuarbeiten. Es gibt kein einziges Politikfeld, in dem diese vier Parteien in die gleiche Richtung wollen. Wo sollen da Stabilität und Vertrauen herkommen?

Angela Merkel kann beides offensichtlich nicht mehr herstellen. Ihr fehlt die nötige Autorität und Überzeugungskraft. CSU, FDP und Grüne prügeln sich in aller Öffentlichkeit wie die Kesselflicker und die Kanzlerin schaut schweigend zu oder weg, als ginge sie das Ganze nichts an, statt die kleinen Parteien zur Ordnung zu rufen.

Merkel hat viel Ansehen in der CDU verloren

Selbst in ihrer eigenen Partei hat die CDU-Chefin in einem Ausmaß an Durchsetzungskraft und Ansehen verloren, das vor der Bundestagswahl niemand für möglich gehalten hätte. So gelang es Merkel nicht, ihre Kandidatin für den Vorsitz der Konrad-Adenauer-Stiftung durchzusetzen, die wegen des Plagiats ihrer Doktorarbeit zurückgetretene ehemalige Bundesbildungsministerin Annette Schavan. Ehe der Entscheidungskampf in der Stiftung überhaupt begann, zog Merkel ihre Kandidatin zurück und Schavan räumte das Feld.

Und das ausgerechnet für den in der CDU als einen der wenigen verbliebenen Merkel-Kritiker hoch geschätzten ehemaligen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert, der nun an die Spitze der Adenauer-Stiftung rücken soll. Eine doppelte Ohrfeige für Merkel. Viele in der Union haben es ihr bis heute nicht verziehen, dass sie den Sozialdemokraten Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsidenten zuließ statt für den Christdemokraten Lammert an der Staatsspitze zu kämpfen.

Warum keine Minderheitsregierung?

Sollte Merkel ähnlich scheitern bei der Bildung einer Jamaika-Koalition, bliebe ihr noch ein Ausweg: eine Minderheitsregierung. Die möchte sie nicht, weil das Regieren mit klaren Mehrheiten für den Regierungschef viel bequemer ist. Das ist es wohl, aber kann das ernsthaft der Maßstab sein, nachdem sich das Schicksal der Bundesrepublik für die nächsten Jahre entscheidet?

Zahlreiche europäische Länder und auch deutsche Bundesländer haben es vorgemacht, dass es sehr wohl möglich ist, mit einer Minderheitsregierung gut und stabil Politik zu machen. Wie Merkel jetzt nicht einmal den Versuch dazu machen will, ist nicht nur sehr bequem, es ist geradezu verantwortungslos.

AfD blockiert einfache Mehrheitsbildung

Denn es waren ja nicht zuletzt die Union und Frau Merkel, die mit zu der schwierigen Lage beigetragen haben, unter der unsere Demokratie nun leidet. Hätte Merkel wie ihre christdemokratischen Vorgänger dafür Sorge getragen, dass rechts von der Union kein Platz für eine Partei im Bundestag ist, wäre die Mehrheitsbildung nicht blockiert: Es gäbe entweder eine Mehrheit für Schwarz-Gelb oder eine für Rot-Grün bzw. Rot-Rot-Grün. Solange die so genannte „Alternative für Deutschland“ im Bundestag sitzt, wird diese einfache Mehrheitsbildung nicht mehr funktionieren.

Sollte die Kanzlerin nach nun zwölf Jahren Amtszeit weder in der Lage sein, eine Mehrheit für eine Regierung im Bundestag zu erreichen, noch bereit sein, eine Minderheitsregierung zu führen, kann es nur eine Konsequenz geben: den Rücktritt. Es wird Zeit, dem ins Auge zu sehen. Die Zeit des Weiterwurstelns ist vorbei.

 

 

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