Italien: Was droht, wenn Mussolini-Fan Meloni Regierungschefin wird?
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Unerwartet kam der Wahlsieg nicht, aber das Ausmaß, in dem die sogenannte Mitte-Rechts-Koalition um Melonis Fratelli d’Italia (FdI) die Abstimmung gewonnen hat, ist erschreckend. Noch liegt kein offizielles Ergebnis vor, was dem hochkomplizierten italienischen Wahlsystem geschuldet ist, sicher ist aber schon jetzt, dass das rechte Parteienbündnis im Parlament über eine absolute Mehrheit mit mindestens 237 der 400 Sitze verfügen wird. Sicher ist ebenfalls, dass die FdI allein ebenso viele Stimmen geholt hat, wie das Mitte-Links-Bündnis zusammengenommen. Das Desaster wird erst recht deutlich, wenn man sieht, dass die FdI mit mindestens 120 Abgeordneten über knapp die doppelte Anzahl von Mandaten der Sozialdemokrat*innen verfügen wird.
In Italien ist La Meloni – auch wenn sie lange im Schatten von Silvio Berlusconi und Matteo Salvini segelte – seit vielen Jahren eine bekannte Person. Die 45jährige saß bereits von 2008-2011 im vierten Kabinett Berlusconi, damals als jüngste Ministerin zuständig für Jugend und Sport. Ihre politische Laufbahn begann die Römerin noch viel früher.
Ungebrochene faschistische Tradition
Giorgia Meloni wurde 1977 in Rom geboren und wuchs bei ihrer alleinerziehenden Mutter im Stadtteil Garbatella auf. Das bildschöne Stadtquartier im Zentrum von Rom, wurde in den 1920er Jahren als moderne Gartenstadt auf den Hügeln keine drei Kilometer vom Kolosseum entfernt errichtet. Es gilt als traditionell links bis kommunistisch. Anders Giorgia Meloni. Mit 15 Jahren trat sie der Jugendfront (Fronte della Gioventú) des Movimento Social Italiano (MSI) bei.
Der MSI wurde 1946 vom faschistischen General und Kriegsverbrecher Rodolfo Graziani und dem bekennenden Rassisten und Antisemiten Giorgio Almirante gegründet. Almirante war Kabinettschef in der mit den Nazis verbündeten Republik von Salò. Der MSI ist weder post- noch neofaschistisch, sondern wurde in voller Absicht und ungebrochener faschistischer Tradition gegründet und aufgebaut. Mussolinis Enkelin war ebenso Mitglied, wie schon Melonis Mutter. Auch im Alter von 15 wusste Giorgia Meloni ganz genau, welcher Partei sie da beitrat.
Meloni lobt Mussolini und den Faschismus
Ihre Karriere verlief steil: Mit 21 saß sie im Rat der Provinz Rom und mit 23 war sie Chefin der Jugendorganisation der Nationalen Allianz, der Nachfolgerpartei des MSI. Mit 29 wurde Meloni Parlamentsabgeordnete und Vizepräsidentin der Deputiertenkammer. Und immer wieder lässt sie mit Zitaten über Mussolini und dem Faschismus aufhorchen. Sie habe „ein unbeschwertes Verhältnis zum Faschismus“ erklärt sie etwa, und „Mussolini sei ein guter Politiker gewesen, der beste der letzten 50 Jahre“. Als 1977 geborene Frau habe sie keine Berührungspunkte mit dem Faschismus, sagt sie auch, nur um dann wieder einen Kranz am Grab von zwei Neofaschisten niederzulegen, die in den 70er Jahren in Rom erschossen worden waren.
Im jetzigen Wahlkampf 2022 lautete ihr Slogan „Gott, Familie und Vaterland“. Es ist eben kein Zufall, dass eben diese Reihung auch permanent wiederholte Phrase in den Reden von Benito Mussolini war. Es ist ebenso wenig Zufall, dass eine Flamme in den Farben der italienischen Tricolore und das Symbol des MSI auch das Logo ihrer Partei ziert. Und natürlich ist das Flammensymbol sehr eng an die faschistische Bildsprache angelegt. Die Verbindung ist in Italien jedermann völlig klar.
Kommt jetzt „Italien zuerst“?
Meloni formuliert in Anlehnung an Donald Trump Thesen von „Italien zuerst“, fordert italienisches Recht über EU-Recht zu stellen – wohl wissend, dass das nicht geht, weil es gegen die Verträge verstößt. Sie wettert gegen illegale Einwanderung und Abtreibungen, polemisiert gegen Homosexuelle und LGTBQ und bekundet, ihr Ziel sei, dass „Italiener wieder stolz sein können, Italiener zu sein“.
Gewählt wurde sie zum Teil trotz solcher Aussagen, zum Teil aber auch gerade deswegen. Wie alle Rechtspopulist*innen in Europa fischt sie in den Lagern der Unzufriedenen unterschiedlicher ideologischer Provenienz.
Gewählt von Nationalisten und Klerikalen
Da sind die Nationalist*innen und Reaktionäre, denen Melonis Nähe zur faschistoiden Programmatik mehr als nur Recht ist ebenso, wie die Konservativen, die sie unterstützen, weil sie – im krassen Gegensatz zu Berlusconi und Salvini – eben keine Putin-Freundin ist, sondern vehement für die auch militärische Unterstützung der Ukraine eintritt.
Da sind die Klerikalen, die Abtreibung, Homosexuellen-Ehe und ähnliche Bürgerrechte rigoros ablehnen, wie diejenigen, die sich selbst ökonomisch an den Rand gedrängt fühlen und in ihr eine Vertreterin der Interessen der sogenannten kleinen Leute zu erkennen glauben. Und da sind auch die, denen ihre Anti-Emigrant*innen-Politik in Relation zu der des absoluten Hardliners Matteo Salvini fast schon liberal erscheint, weil sie sich weder prinzipiell gegen alle Emigrant*innen ausspricht noch damit droht, Flüchtlingsschiffe auf dem Mittelmeer zu versenken.
Unbestrittene Führung im rechten Lager
All das zusammen hat ihr einen mächtigen Vorsprung eingetragen. Gegen die rund 26 Prozent ihrer Fratelli d’Italia nehmen sich die je etwa 8,5 Prozent von Salvinis Lega und Berlusconis Forza Italia selbst zusammen noch klein aus. Ihr Führungsanspruch ist zumindest aktuell unbestritten. Das kann sich in Italien zwar schneller ändern als anderswo, aber Meloni dürfte ziemlich sicher die nächste Ministerpräsidentin Italiens werden und der rechts-extremsten Regierung vorstehen, die das Land seit dem Weltkrieg und Mussolini erlebt hat.
Unklar ist dagegen, welche Politik Giorgia Meloni tatsächlich betreiben wird, sowohl was die italienische Innenpolitik angeht als auch das Verhältnis zu den Nachbarn in der EU. Die drittgrößte Wirtschaft der EU ist seit Jahren in schwerem Fahrwasser und das Land hat zudem enorme Staatsschulden und ist von daher abhängig von Krediten und Hilfsleistungen aus Brüssel. Meloni darf sich schon aus Eigennutz also nicht komplett mit den Partnern überwerfen, obwohl sie ihre Anti-EU und vor allem Anti-Deutschen Ressentiments pflegt und betont. Sie kann allerdings versuchen, die EU zu erpressen.
Victor Orban als Vorbild
Sie teilt weitestgehend die staats- und gesellschaftspolitischen Vorstellungen eines Victor Orban, aber da sie im Gegensatz zu Orban keine Freundin Putins ist, kann sie sich schwerlich mit ihm zusammentun. Sie dürfte ihn aber als Vorbild nehmen, wie mit gezielten Provokationen, Regelverstößen und Erpressung möglichst viel Geld aus den gemeinsamen Töpfen zu ziehen ist.
Auch intern könnte ihr Triumph kleiner ausfallen als er den Anschein erweckt. Berlusconi wird ihr permanent vorhalten, sein Geschöpf zu sein und ihr seine „große Erfahrung“ aufzudrängen versuchen, während Salvini sein Wahlergebnis als Schlappe begreift, die es gilt, Meloni als Verursacherin heimzuzahlen. Giorgia Meloni zeichnet in ihrer Autobiografie das Selbstbild, eine angstfreie, taffe Kämpferin zu sein. Den Beweis wird sie nun antreten müssen. Erst recht den, ob sie tatsächlich Politik gestalten kann.