Die Sozialdemokraten haben einen neuen Arbeitskreis. Am Freitag gründete sich der AK von Muslimen in der SPD. Neben Christen- und Judentum hat nun auch der Islam eine Vertretung innerhalb der Sozialdemokratie.
Es war kurz nach dem Jahrtausendwechsel als die Bürgerschaftsfraktion der Hamburger SPD erstmals zu einem Ramadan-Empfang ins Rathaus einlud. Den Abschluss des islamischen Fastenmonats wollte man nutzen, um mit Muslimen ins Gespräch zu kommen. "Was war das für eine Aufregung damals", erinnert sich Aydan Özoguz am Freitag Abend. Manch einer habe sich gefragt, ob das Rathaus heil bleibt. "Mittlerweile ist die Veranstaltung etwas vollkommen Normales."
Özoguz erzählt die Geschichte zum Anlass eines besonderen Ereignissen. Am Nachmittag hat sich im Willy-Brandt-Haus ein neuer Arbeitskreis gegründet. Davon gibt es in der Partei einige, doch dieser könnte zu deutlichen Reaktionn führen. "Es ist kein Geheimnis, dass alles, was mit Religion zu tun hat, auch in der Partei zu heftigen Diskussion führt", sagt Özoguz. Das hat der Arbeitskreis der Christen in der SPD bereits erfahren ebeno wie der der jüdischen Sozialdemokraten. Seit Freitag gibt es nun auch den "AKMS" - den Arbeitskreis von Muslimen in der SPD.
politische Heimat der Muslime
"Der Arbeitskreis will sich dafür einsetzen, dass die SPD als politische Heimat für Musliminnen und Muslime wahrgenommen wird und will eine sozialdemokratische Stimme sein, um unseren muslimischen Mitmenschen sozialdemokratische Inhalte und Themen zugänglich zu machen", sagt Özoguz. Die stellvertretenden SPD-Vorsitzende ist so etwas wie die Geburtshelferin des Arbeitskreises - betont aber, dass sich der AK selbst "von unten" gegründet habe und nicht von der Parteiführung "von oben" übergestülpt worden sei.
"Religionsfragen sind in Parteien gut aufgehoben", sagt Mathias Rohe. Der Jurist ist Experte für die rechtliche Stellung des Islams in Deutschland und betont am Freitag Abend im Willy-Brandt-Haus: "Säkularität bedeutet nicht die Trennung von Religion und Politik." Die Menschen müssten selbst entscheiden, wieviel Religion sie in ihrem Alltag wollten. Mit Blick auf den Islam werde Deutschland "langsam erwachsen". So würden inzwischen in immer mehr Bundesländern Staatsverträge mit muslimischen Religionsgemeinschaften unterzeichnet. Dies mache deutlich: "Der Islam gehört in all seinen Facetten dazu."
über alles sprechen, was Muslime in Deutschland betrifft
Allerdings könnten die Muslime selbst noch aktiver werden. Das zumindest meint der Journalist Eren Güvercin. "Es wird zu wenig die Frage gestellt, was man der Gesellschaft als Moslem anzubieten hat", sagt er am Freitag Abend. Islam bedeute "zuallerst Wohlfahrtspflege", doch müssten sich die Moscheen dafür weiter öffnen. "Warum sollte der nicht-muslimische Nachbar nicht das Hamam mitbenutzen?", fragt Güvercin.
Über Fragen wie diese wird künftig der neue Arbeitskreis muslimischer Sozialdemokraten diskutieren. "Wir werden über alles sprechen, was die Muslime in Deutschland betrifft", betont Tuba Isik, eine der fünf Sprecherinnen. Das könnten übrigens auch auf den ersten Blick eher unerwartete Themen wie etwa die Bespitzung der Deutschen durch die NSA sein.
Isik wurde von der Gründungsversammlung für zwei Jahre gewählt, ebenso wie ihre vier Mitstreiter Mohamed Ibrahim, Lydia Nofal, Atila Ülger und Selma Yildiz Ilkhan. Sie sind zwar alle Sozialdemokraten, doch der Arbeitskreis steht auch Nicht-Mitglieder ausdrücklich offen. Sie werden sicher alles dafür tun, dass das Besondere ihres Arbeitskreises bald ganz normal ist.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.