Hubertus Heil: Bei der Rente nicht Jung gegen Alt ausspielen
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Herr Heil, Sie sagen, die gesetzliche Rente sei ein „Kernversprechen unseres Sozialstaats“. Wie kann der Staat dieses Versprechen auch in Zukunft und für die nächsten Generationen halten?
Nach einem Leben voller Arbeit soll man eine ordentliche Altersabsicherung haben. Das muss immer die Grundlage unserer Rentenpolitik sein. Deswegen müssen wir jetzt dafür sorgen, dass die Jungen, die die heutige Rentnergeneration absichern, im Alter auch selber ordentlich dastehen. Wir stellen jetzt mit dem Rentenpakt die Weichen bis 2025.
Sie haben kürzlich den „Rentenpakt“ vorgestellt, der nach der Sommerpause vom Kabinett beschlossen werden soll. Was beinhaltet dieser Pakt?
Wir legen den Grundstein dafür, dass die Menschen wieder mehr Vertrauen in die gesetzliche Rente haben – für ein gutes Leben im Alter. Dafür stoppen wir das Absinken des Rentenniveaus – die Renten selbst sinken ja nicht, aber sie steigen langsamer als die Löhne. Damit sie wieder Anschluss an die Lohnentwicklung haben, ziehen wir eine Haltelinie. Damit gleichzeitig aber auch die Beiträge für die Jüngeren nicht zu hoch werden, halten wir sie unter der Grenze von 20 Prozent. So werden auch die Jungen nicht überfordert. Wir wollen eine solidarische Gesellschaft, die mit vereinten Kräften füreinander einsteht. Deshalb sichern wir im Rentenpakt auch diejenigen besser ab, bei denen die Gesundheit nicht mehr mitmacht und die deshalb früher in Rente gehen müssen. Künftig werden zudem Kindererziehungszeiten noch besser anerkannt. Hier hoffen wir allerdings, dass die CSU sich im Bundestag noch bewegt und eine Lösung akzeptiert, die allen Müttern und Vätern zugutekommt – unabhängig von der Anzahl der Kinder. Und wir werden Geringverdiener entlasten. Bisher werden ab einem Einkommen von 850 Euro die vollen Sozialversicherungsbeiträge fällig. Diese Grenze werden wir auf 1300 Euro anheben, so dass die Menschen netto mehr Geld in der Tasche haben – ohne dass es später negative Auswirkungen auf ihre Rente hat.
Warum ist es so wichtig, die gesetzliche Rente als zentrale Säule der Altersvorsorge zu stärken?
Die beste Absicherung ist eine solidarische – die Rente ist das Musterbeispiel. Die Arbeitenden zahlen in die Rentenkasse ein, damit die Älteren nach dem Arbeitsleben eine gute Rente bekommen – und zwar Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam. Das ist ein ausbalanciertes und solidarisches Sicherungssystem. Das setzt aber auf Vertrauen: Wenn ich alt bin, kann ich mich auch darauf verlassen. Wenn dieses Vertrauen an Boden verliert, verletzten wir das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen und gefährden den sozialen Frieden in unserem Land. Private Vorsorge kann und soll ein Zusatz sein – doch da stehen nicht Menschen für Menschen ein. Sie ist einerseits abhängig von den Finanzmärkten. Andererseits können sich viele Menschen mit niedrigem Lohn die hohe Belastung durch private Vorsorge nicht leisten. Die gesetzliche Rentenversicherung muss der zentrale Baustein der Alterssicherung bleiben.
Rechnen Sie mit Schwierigkeiten und Diskussionen bei der Verabschiedung des Rentenpakts?
Ich habe schon viele Diskussionen und harte Verhandlungen mit der CDU und der CSU hinter mir, und auch hier wird es nicht streitfrei gehen. Aber es gibt klare Verabredungen im Koalitionsvertrag. Ich bin optimistisch, dass wir die Änderungen zu Beginn nächsten Jahres in Kraft bringen können.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat bereits gefordert, das Rentenniveau auch über das mit der Union bisher vereinbarte Jahr 2025 hinaus zu garantieren – und zwar bis 2040. Aus der Union kam Widerspruch. Wie stehen Sie dazu?
Olaf Scholz hat völlig Recht. Wir wollen eine langfristige Lösung, auch über den Rentenpakt hinaus. Wie das konkret umgesetzt werden kann, diskutiert gerade die von mir eingesetzte Rentenkommission noch bis März 2020.
Auch in der Rentenpolitik setzt die SPD auf Solidarität. Was bedeutet das konkret?
Rentenpolitik geht alle an, Junge und Alte. Sie hat immer Auswirkungen auf alle Generationen. Sie muss Antworten finden für heute, morgen und übermorgen − und für einen fairen Ausgleich sorgen. Ich möchte, dass beim Thema Rente die Generationen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Trotz des demografischen Wandels müssen die Generationen von morgen darauf bauen können, auch im Alter abgesichert zu sein. Daran arbeiten wir mit vereinten Kräften.
Bisher basiert das deutsche Rentensystem darauf, dass Arbeitnehmer mit ihren Sozialbeiträgen die jeweils aktuelle Rentengeneration finanzieren. Doch die Gesellschaft wird immer älter, es fehlen jüngere Menschen und damit geht die Rechnung nicht mehr auf. Trotzdem soll laut Ihnen „Menschen für Menschen, Generationen für Generationen“ weiterhin das Motto der Rentenpolitik sein. Ist das nicht unrealistisch?
Nein. Entscheidend wird auch für zukünftige Rentnergenerationen sein, dass sie in gut bezahlten sozialversicherungspflichtigen Jobs arbeiten. Gute Löhne werden auch zukünftig für angemessene Renten sorgen.
Im Juni wurde eine Rentenkommission eingesetzt, bestehend aus Vertretern der Politik, der Gewerkschaften und Arbeitgeber. Diese soll ein zukunftsfähiges Rentenkonzept erarbeiten. Sie selbst haben die Kommission vor „Denkverboten“ gewarnt. Was erwarten Sie von ihr?
Die Aufgabe der Rentenkommission ist es, Möglichkeiten aufzuzeigen und Vorschläge zu machen, wie wir die Verlässlichkeit des Generationenvertrags auch über das Jahr 2025 hinaus sicherstellen können. Also soll sie eine langfristige Perspektive für die Rente erarbeiten – dass wir dabei auch langfristig auf eine doppelte Haltelinie für Rentenniveau und Beitrag setzen, steht so im Koalitionsvertrag. Ich bin gespannt auf die Vorschläge.