HartzIV-Sanktionen: So reagiert die SPD auf das Urteil
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Nachdem am Dienstagvormittag das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die HartzIV-Sanktionen teilweise für verfassungswidrig erklärt hat, will SPD-Bundesarbeitsminister Hubertus Heil die Empfehlungen aus Karlsruhe zeitnah umsetzen. Er bezeichnete das Urteil in einer ersten Reaktion als wegweisend und ausgewogen: „Das Urteil schafft Rechtssicherheit und bietet jetzt die Chance, eine gesellschaftliche Debatte zu befrieden, die unser Land lange gespalten hat.“ Für sein Ministerium kündigte er an: „Wir werden nach Auswertung des Urteils Vorschläge zu einer rechtskonformen Weiterentwicklung der Grundsicherung machen.“
Malu Dreyer sieht in dem Urteil eine Bestätigung der gegenwärtigen Haltung der SPD zu den Sanktionen: „Der Staat kann von Arbeitslosen verlangen, mitzuwirken, wenn sie staatliche Hilfe beanspruchen. Rechte und Pflichten sind zwei Seiten einer Medaille im Sozialstaat“, erklärte die kommissarische Parteivorsitzende. Das Urteil bestärke aber auch die Haltung der SPD, dass unsinnige und vor allem unwürdige Sanktionen abgeschafft gehörten. „Eine Streichung der Zuwendungen zum Beispiel auf Null darf es nicht mehr geben.“ Bezüglich der Weiterentwicklung der Grundsicherung sagte sie außerdem: „Die SPD hat sich schon auf den Weg gemacht.“ Mit dem Sozialstaatskonzept, das die Partei im Frühjahr vorgelegt habe, treffe die SPD den Kern der Vorgaben des Verfassungsgerichts. Entsprechend sieht die Parteichefin das Konzept als eine gute Grundlage für die weiteren Diskussionen.
Katja Mast: Keine Angst mehr vor Sanktionen
SPD-Fraktionsvize Katja Mast sieht die Entscheidung als Auftrag, die für verfassungswidrig erklärten Sanktionen abzuschaffen. „Wir wollen, dass alle Arbeitslosen jedweden Alters gleich behandelt werden und niemand mehr Angst vor Obdachlosigkeit wegen Sanktionen haben muss.“ Dafür sei, so Mast, die SPD sowohl in Bund als auch in den Ländern schon lange bereit. Auch weitere Bundestagsabgeordnete der SPD interpretierten das Urteil als Arbeitsauftrag, darunter Josephine Ortleb, die forderte: „Weg mit den Sanktionen, die Existenzen gefährden!".
Auch Thomas Kutschaty, SPD-Fraktionsvorsitzender in Nordrhein-Westfalen, sieht einen Arbeitsauftrag in dem Urteil: Das Karlsruher Urteil zu HartzIV ist der höchstrichterliche Beleg für die Position der Landtagsfraktion: Hartz IV muss weg und dringend durch ein zeitgemäßes und menschliches Sozialsystem ersetzt werden.“ Seiner Ansicht nach werde eine soziale Gesellschaft nicht durch Furcht vor Strafe , sondern durch solidarisches Miteinander zusammengehalten.
Dass mit dem Urteil das Forderungsprinzip nicht grundsätzlich gekippt wurde, sehen andere SPD-Politiker widerrum positiv. „Wer Regeln nicht einhält muss das merken!“, urteilte beispielsweise Andreas Schwarz, SPD-Bundestagsabgeordneter aus Bayern. Auch Wirtschaftsforscher Clemens Fuest, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Ifo, hält grundsätzlich das Sanktionsprinzip für sinnvoll: „Sanktionen sind notwendig, müssen sich aber im zulässigen Rahmen halten.“ Trotzdem hält er ein besseres Anreizssystem für sinnvoll, um Menschen wieder zum Arbeiten zu motivieren. Als Reaktion auf das Urteil verwieß er auf einen Vorschlag seines Instituts: Der Freibetrag von 100 Euro für Nebenjobs solle entfallen, höhere Nebenverdienste aber nicht im vollen Umfang auf den Regelsatz angerechnet werden.
Im Gegensatz dazu sprach sich Johanna Uekermann, Mitglied des SPD-Präsidiums und stellvertretende Vorsitzende der BayernSPD, für eine komplette Abschaffung der Sanktionen aus: „Jetzt heißt es weiterkämpfen: für einen starken Sozialstaat und für die Sanktionsfreiheit!“
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo