Debatte

Grundeinkommen: mit mehr sozialer Gerechtigkeit Eigeninitiative fördern

Statt die finanzielle Abhängigkeit von Leistungsempfängern zu fördern, könnten wir mit dem Grundeinkommen Eigeninitiative und unternehmerisches Risiko unterstützen. Ein Schritt zu mehr sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Selbstverwirklichung.
von Axel Berg · 4. Mai 2016
Ein Geschenk für alle: Das Grundeinkommen schafft die Möglichkeit zur individuellen wirtschaftlichen Selbstverwirklichung und leistet einen Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft
Ein Geschenk für alle: Das Grundeinkommen schafft die Möglichkeit zur individuellen wirtschaftlichen Selbstverwirklichung und leistet einen Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft

Im internationalen Wettbewerb werden die Karten ständig neu gemischt. Einen Bestandsschutz für hohe Wettbewerbsfähigkeit kennen die Weltmärkte nicht. Die beschleunigte Globalisierung, die Digitalisierung und fluktuierende politische Rahmenbedingungen verändern Wirtschaft und Gesellschaft in hohem Tempo. Alte Geschäftsmodelle werden über Nacht funktionslos und neue entstehen.

Vollzeitbeschäftigung war gestern

Entsprechend ändert sich die Arbeitswelt: Arbeit ist heute immer seltener eine organisatorisch und inhaltlich fixe Größe. Unbefristete Vollzeitbeschäftigungen mit fest umrissener Tätigkeitsbeschreibung treten zugunsten flexibler Projektarbeit in den Hintergrund. Die Zahl klassischer Arbeitsverhältnisse ist rückläufig. Betriebe verkleinern ihre Kernbelegschaft und arbeiten just in time mit externen Zulieferern, Agenturen und Projektteams. Arbeit bekommt einen fundamental anderen, flexibleren und selbständigeren Charakter. Prekäre Zeitarbeitsverträge nehmen zu. Schlimmer noch: Für einen ständig wachsenden Teil unserer Bevölkerung ist überhaupt keine Arbeit vorhanden. Die systemimmanente Arbeitslosigkeit ist nicht nur eine der Hauptursachen individueller Armut, sie belastet darüber hinaus mit knapp 20.000 € pro Kopf und Jahr auch empfindlich die öffentlichen Budgets.

Mehr soziale Gerechtigkeit wagen

Das während des größten Teils der Menschheitsgeschichte vorherrschende Prinzip lautete: „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen.“ Diese Drohung zwang den Menschen, so zu handeln, wie es von ihm verlangt wurde. Das mag seine Berechtigung gehabt haben, als alle auf niedrigem Existenzniveau lebten und es genug bezahlte Arbeit gab. Heute gibt es hochindustrialisierte Fertigungsprozesse, die zu geringen Kosten ausreichend materielle Güter herstellen können, um die Bedürfnisse aller zu befriedigen.

Wir leben sogar in Zeiten des Überflusses. Nur an der Verteilungsgerechtigkeit hapert´s. Doch für ein funktionierendes Sozialsystem, das Kranken, Alten und Arbeitslosen ein Auskommen ermöglicht, hat´s auch bei uns gereicht. Hungern lässt man selbst die Faulen nicht. Unser Sozialstaatsprinzip postuliert das Recht auf Leben, Nahrung und Unterkunft, auf medizinische Versorgung und Bildung, das unter keinen Umständen eingeschränkt werden darf, nicht einmal im Hinblick darauf, ob der Betreffende für die Gesellschaft „von Nutzen ist“.

Arbeit nicht um jeden Preis

Geld ist auch keineswegs der einzige Grund, um zu arbeiten und sich anzustrengen. Es gibt noch andere Motive wie Stolz auf die erbrachte Leistung, soziale Anerkennung oder Freude an der Arbeit selbst. Dies sieht man auch bei den kleinen Leuten, die  sich zu Anstrengungen alleine im Bereich des Sports und vieler Hobbys antreiben, wo keinerlei materielle Anreize gegeben sind. Nichts macht glücklicher, als die eigenen Kräfte und Möglichkeiten zu spüren. Die Freiheit des einzelnen könnte durch ein garantiertes Einkommen erweitert werden. Begabte könnten einen anderen Beruf erlernen, jeder hätte eine gewisse wirtschaftliche Unabhängigkeit und müsste sich nicht mehr um jeden Preis auf vorgegebene Arbeitsbedingungen einlassen.

Eigeninitiative fördern statt Nichtarbeit finanzieren

Nun könnte ein Grundeinkommen nur in sehr geringem Umfang bedingungslos gezahlt werden, ohne den Bundeshaushalt zu überfordern, die Mehrwertsteuer massiv zu erhöhen oder Fehlanreize zu setzen. Eine mögliche Lösung könnte ein geringes Grundeinkommen sowie eine negative Einkommensteuer im Niedriglohnbereich sein. Jeder Bürger bekäme ein Grundeinkommen etwa in Höhe des heutigen Sozialhilferegelsatzes und für Einkommen bis beispielsweise 1.000 Euro griffe eine negative Einkommensteuer, so dass jeder verdiente Euro vom Staat finanziell belohnt würde.

Auf diese Art und Weise würden insbesondere im Niedriglohnsektor nicht wie heute Kosten für Nichtarbeit aufgewendet, sondern Eigeninitiative durch starke Anreize gefördert. Außerdem würde durch die faktische Bereitstellung einer finanziellen Planungsgrundlage für alle Bürger auch die Bereitschaft zur Übernahme von Eigenverantwortung und unternehmerischem Risiko gefördert. Während das jetzige System eher die finanzielle Abhängigkeit der Leistungsempfänger fördert, würden wir durch ein Grundgeld die Möglichkeit zur individuellen wirtschaftlichen Selbstverwirklichung stärken und einen Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft leisten.

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Axel Berg

ist in der Friedens- und AKW-Bewegung politisch sozialisiert. Er war für die SPD Bezirkschef in Schwabing-Freimann (70.000 Einwohner) und gewann von 1998-2009 drei Mal das Direktmandat für den Bundestag im Münchner Norden, davon zwei Mal das einzige der SPD in Bayern. Er war Schüler von Peter Glotz und Hermann Scheer, seit dessen Tod er der deutschen Sektion von EUROSOLAR vorsteht. Er lebt als Rechtsanwalt und strategischer Berater für die Energiewende in München.

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