Debatte

Das Grundeinkommen löst kein einziges Problem – sondern schafft neue

Die Sozialdemokratie steht für einen Sozialstaat, der Chancengleichheit schafft. Das bedingungslose Grundeinkommen scheint in diesem Zusammenhang auf den ersten Blick attraktiv zu sein. In Wahrheit löst es aber keine Probleme, sondern schafft neue, meint Johannes Kahrs.
von Johannes Kahrs · 15. Juni 2016
Grundeinkommen 500-Euro-Scheine
Grundeinkommen 500-Euro-Scheine

Heute wird die Diskussion über das bedingungslose Grundeinkommen sowohl von arbeitgebernahen Kräften bis hin zu kirchlichen Verbänden und den Gewerkschaften forciert. Trotz unterschiedlicher Konzepte geht es im Kern um eine Sache: ein Transfereinkommen für alle, egal ob bedürftig oder nicht, egal ob arm oder reich. Mithilfe des Gießkannenprinzips sollen alle Herausforderungen, vor denen unsere Sozialstaat steht, bewältigt werden.

Geld ist keine Eintrittskarte in die Gesellschaft

Der Sozialstaat hat nicht nur die Aufgabe Armut zu verhindern, sondern soll ebenso Freiheits- und Beteiligungschancen sicherzustellen. Bereits hier wird klar, dass eine Geldüberweisung des Staates allein diese Aufgaben nicht bewältigt. Geld alleine ist noch lange keine Eintrittskarte in unsere Gesellschaft. Durch ein bedingungsloses Grundeinkommen besteht sogar die Gefahr, dass soziale Verwerfungen nur noch weiter bestärkt werden und der Sozialstaat unterwandert wird.

Gerade jene, die einen erhöhten Bedarf an Beratung, Begleitung und Unterstützung haben, könnten mit einem bedingungslosen Grundeinkommen durch das soziale Netz fallen. Soziale Dienste haben eine Schlüsselstellung für die Beratungs- und Förderleistungen.  Als SPD stehen wir für den Ausbau in Richtung sozialer Dienste, statt für die pauschale Ausweitung von Sozialeinkommen.

Das bedingungslose Grundeinkommen schafft keine Gerechtigkeit

Auch finanziell schafft das bedingungslose Grundeinkommen keine Gerechtigkeit. Die reiche Familie legt sich das Geld beiseite, während die sozialpolitische Handlungsfähigkeit des Staates eingeschränkt wird. Denn wie sonst sollte sich dieses Grundeinkommen finanzieren, wenn nicht durch den Abbau anderer sozialer Dienste? Dabei sind die richtige Höhe und regelmäßige Anpassung eines Grundeinkommens weiterhin offene Fragen.

Eines ist jedoch klar: Je höher das Grundeinkommen, umso weniger Spielraum hätte der Staat bei der Erfüllung seiner anderen Aufgaben. Die Finanzierung eines bedingungslosen Grundeinkommens würde gerade für sozial Schwächere weniger Kitas, keine Ganztagesbetreuung und weniger gute Schulen bedeuten. Dabei ist doch gerade Bildung der Schlüssel für den sozialen Aufstieg in unserer Gesellschaft.

Ein Grundeinkommen setzt neue Migrationsanreize

Für den Arbeitsmarkt schafft das bedingungslose Grundeinkommen darüber hinaus Fehlanreize. Die Verweildauer in der Arbeitslosigkeit wird gefördert und gleichzeitig wirkt ein bedingungsloses Grundeinkommen wie ein Lohnzuschuss auf Niedriglöhne. Im Ergebnis subventioniert der Staat Unternehmen, die sonst aufgrund von ungerechter Entlohnung nicht überleben würden.

Hinzu kommt, dass ein solches Grundeinkommen neue Migrationsanreize setzt, die gerade in der jetzigen Situation gewagt erscheinen. Ab wann hätte welcher Einwanderer Anspruch auf ein Grundeinkommen?

Die SPD will Vorsorge statt Nachsorge

Für uns Sozialdemokraten ist deshalb klar, dass wir vielmehr einen Inklusionsmix brauchen. Es geht eher um Vorsorge als auch um Nachsorge. Bildung ist sowohl die Voraussetzung für eine gute Beschäftigung, als auch für die Beteiligung in der Gesellschaft. Der Zugang zur Bildung ist bei uns aber noch immer sehr ungleich verteilt. Deshalb ist es unser Ziel, ein gebührenfreies Bildungssystem schrittweise zu verwirklichen. Angefangen von der vorschulischen Kinderbetreuung, bis hin zum Studium oder der beruflichen Ausbildung.

Jedes Kind in Deutschland muss das Recht auf Bildung und Teilhabe bekommen. Wir setzen sozialpolitisch auf existenzsichernde Erwerbsarbeit. Mit dem Mindestlohn haben wir Sozialdemokraten, einen entscheidenden Schritt in diese Richtung getan. 3,7 Millionen Menschen profitieren direkt davon.

Im Kern brauchen wir die Grundsicherung, den Mindestlohn, anständige Erwerbsarbeit, sichere Renten, eine gute Bildung, soziale Netze und den Ausbau von sozialen Diensten. Ein bedingungsloses Grundeinkommen löst kein Problem, sondern wirft neue Fragen und Probleme auf.

Autor*in
Johannes Kahrs
Johannes Kahrs

ist Haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und Vorsitzender des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold.

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