Große Mehrheit für Bürgerversicherung – gut für die SPD
Thomas Imo/photothek.net
Die Einführung einer Bürgerversicherung steht bei den Menschen in Deutschland offensichtlich hoch im Kurs. Laut einer aktuellen Umfrage von Infratest dimap für das ARD-Magazin Monitor befürwortet eine große Mehrheit von 69 Prozent der Befragten die Einführung einer Bürgerversicherung mit gut oder sehr gut. Dabei überrascht, dass sich auch sehr viele Anhänger*innen von Union (68 Prozent) und FDP (62 Prozent) für die Einführung aussprechen, die sowohl SPD und Grüne als auch Linke in ihren Wahlprogrammen haben.
Berltelsmann-Studie pro Bürgerversicherung
Dass die Spaltung der deutschen Krankenversicherung ineffizient und teuer ist, hatte im vergangenen Jahr eine Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung belegt. Wären alle Bundesbürger gesetzlich versichert, „würde die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) jährlich ein finanzielles Plus in Höhe von rund neun Milliarden Euro erzielen“, so ein zentrales Ergebnis der Studie, die vom Berliner IGES Institut durchgeführt wurde. Deren rechnerische Schätzungen ergaben, dass GKV versicherte Mitglieder und deren Arbeitgeber*innen pro Jahr durchschnittlich 145 Euro an Beiträgen sparen könnten, würden Gutverdienende am Solidarausgleich der GKV teilnehmen. In Folge könnte der Beitragssatz um 0,6 bis 0,2 Prozentpunkte gesenkt werden, so die Prognose.
„Die private Krankenversicherung kommt die gesetzliche Krankenversicherung teuer zu stehen“, kommentierte die Vizechefin der SPD-Bundestagsfraktion Bärbel Bas das Ergebnis dieser Studie. Die SPD fordere deshalb schon lange eine Bürgerversicherung, in die alle einzahlen, auch die, die mehr verdienen, erklärte sie.
Bürgerversicherung an CDU gescheitert
Ginge es nach der SPD, wäre die Bürgerversicherung längst Realität. So erklärte die ehemalige SPD-Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt auf die Frage, was sie in ihrer Amtszeit gerne erreicht hätte: „Ich hätte gerne die Bürgerversicherung umgesetzt.“ Weil sie wisse, wie wichtig es sei, dass sich alle Bürger*innen zu gleichen Bedingungen an der Finanzierung beteiligen, fügte sie in einem Interview mit dem vorwärts hinzu.
Stattdessen würde „die private Versicherung weiterhin das Geld auf der Bank sammeln und die gesetzliche müsse das Geld ausgeben“, kritisierte Schmidt. „Wenn wir hingegen heute die Bürgerversicherung in der Pflege hätten, könnten wir die Infrastruktur gut festigen und alle Menschen, die den Pflegeberuf ergreifen, so gut finanzieren, dass die Pflege auch in Zukunft gesichert wäre“, ist Schmidt überzeugt. Die Einführung sei ihrerzeit an der CDU gescheitert.
SPD: Gesundheit ist keine Ware
Und für Malu Dreyer, SPD-Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz, hat gerade auch durch die Corona-Pandemie „unsere alte Forderung eine neue Aktualität, dass die Finanzierung unseres Gesundheitssystems gerechter und solidarischer gestaltet werden muss“, erklärte sie in einem vorwärts-Gastbeitrag. Die von der SPD seit langem geforderte Bürgerversicherung bleibe ein gutes Konzept dafür, ist sie überzeugt.
Im Wahlprogramm der SPD heißt es: „Wir werden eine Bürgerversicherung einführen. Das bedeutet: Gleich guter Zugang zur medizinischen Versorgung für alle, eine solidarische Finanzierung und hohe Qualität der Leistungen. Gesundheit ist keine Ware, deshalb müssen in unserem Gesundheitssystem die Bürger*innen im Mittelpunkt stehen. Der Staat muss deshalb sicherstellen, dass die Leistungen der Gesundheitsversorgung den Bedürfnissen derer entsprechen, die sie benötigen. Gute Arbeitsbedingungen und vernünftige Löhne in der Pflege sind dafür eine wichtige Grundlage.“
Bürgerversicherung auch für die Pflege
Aber auch die Pflegeversicherung soll zu einer „Pflegebürgerversicherung“ weiterentwickelt werden. Dazu heißt es im Pflegebeschluss der SPD, den der Parteivorstand auf einer Sitzung am 8. Mai angenommen hat: „Wenn alle Einkommensgruppen, auch Beamte, Beamtinnen und Selbstständige, in die gesetzliche Pflegeversicherung einzahlen, verbreitern wir ihre Einnahmeseite erheblich.“ Damit würde für die SPD auch die unsolidarische Risikostruktur beseitigt: Denn weil die private Pflegeversicherung Versicherte mit wesentlich höheren Einkommen und geringerem Krankheits- und Pflegerisiko versorgt, habe sie pro Versichertem deutlich geringere Ausgaben als die soziale Pflegeversicherung. „So hat die private Pflegeversicherung mittlerweile über 39 Milliarden Euro Rücklagen angesammelt – Geld, das nicht für die Verbesserung der Pflege eingesetzt wird. Die Pflegebürgerversicherung ermöglicht es, eine solidarische Vollversicherung einzuführen und den Eigenanteil für Pflegeleistungen abzuschaffen.“
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.