Godesberger Programm: Das Fundament der SPD zum Regierungswechsel
Inzwischen ist Bad Godesberg ein eher beschaulicher Stadtteil von Bonn und die dortige Stadthalle schon seit dem Jahr 2020 wegen Einsturzgefahr komplett gesperrt. Im November 1959 steht sie jedoch im Fokus des bundesweiten Interesses. Die SPD kommt hier zusammen, um ein neues Grundsatzprogramm zu beschließen. Zehn Jahre sind seit der Gründung der Bundesrepublik vergangen und anders als von der SPD erhofft, regiert in der nahen Hauptstadt immer noch die CDU mit Bundeskanzler Konrad Adenauer.
Das Ziel der SPD ist klar: endlich mehrheitsfähig werden, Anschluss an breitere Teile der Gesellschaft finden und so einen Regierungswechsel erreichen. Zu diesem Zweck beginnt schon 1954 eine 50-köpfige Kommission mit der Beratung eines Parteiprogramms. Denn bis zum Godesberger Parteitag gilt noch das Heidelberger Programm von 1925 als maßgebliches Grundsatzprogramm. Erstmals verzichtet die SPD nun auf eine marxistische Gesellschaftsanalyse.
Wehner wirbt für Abschied vom Marxismus
Sie sucht zudem eine größere Nähe zu den Kirchen und bekennt sich zur Marktwirtschaft sowie zur Landesverteidigung. Mit dem Godesberger Programm formuliert die SPD zudem den Anspruch, Volkspartei zu sein. Gleichzeitig enthält das Programm ein klares Bekenntnis zum demokratischen Sozialismus, der eine neue und bessere Ordnung versprechen soll. „Die Sozialisten wollen Freiheit und Gerechtigkeit verwirklichen, während die Kommunisten die Zerrissenheit der Gesellschaft ausnutzen, um die Diktatur ihrer Partei zu errichten“, heißt es darin.
Letztlich beschließt der Parteitag das Programm am 15. November 1959 mit breiter Mehrheit. 324 Delegierte stimmen dafür, nur 16 dagegen. Entscheidend dafür ist zum einen, dass sich der Parteivorsitzende Erich Ollenhauer dafür stark macht, zum anderen ist auch der spätere Fraktionsvorsitzende im Bundestag Herbert Wehner ein entschiedener Fürsprecher. Er wirbt dafür, sich von marxistischem Gedankengut zu verabschieden und begründet das auch mit seiner eigenen Vergangenheit als Kommunist. „Glaubt einem Gebrannten!“, ruft Wehner den Delegierten in der Godesberger Stadthalle zu.
Aufschwung kommt mit Willy Brandt
Zahlreiche Historiker*innen sehen das Godesberger Programm als eine zentrale Voraussetzung für den Aufstieg der SPD in den 1960er Jahren. Und tatsächlich kann die SPD ihr Ergebnis bei den folgenden Bundestagswahlen kontinuierlich steigern, von 31,8 Prozent im Jahr 1957 auf 36,2 Prozent im Jahr 1961, 39,3 Prozent im Jahr 1965 und schließlich 42,7 Prozent im Jahr 1969.
Entscheidend dafür ist auch Willy Brandt, der erstmals 1961 als Kanzlerkandidat für die SPD ins Rennen geht, sie im Jahr 1966 als Parteivorsitzender und Außenminister erstmals in Regierungsverantwortung führt und schließlich drei Jahre später der erste sozialdemokratische Bundeskanzler in einer sozialliberalen Koalition mit der FDP wird.
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ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo