Gegen Steuer-Dumping

Globale Mindeststeuer: „Damit wird der Wettlauf nach unten gebremst.“

Kai Doering07. Juni 2021
Bernd Lange freut sich über die Einigung der G7 auf eine globale Mindestbesteuerung, warn aber: Das Ganze wird kein Hundert-Meter-Sprint, sondern eher ein Marathon-Lauf.
Bernd Lange freut sich über die Einigung der G7 auf eine globale Mindestbesteuerung, warn aber: Das Ganze wird kein Hundert-Meter-Sprint, sondern eher ein Marathon-Lauf.
Die wichtigsten Industriestaaten planen eine weltweite Mindeststeuer. SPD-Handelspolitiker Bernd Lange hält die Einigung für „revolutionär“. Konzerne wie Google, Facebook und Amazon müssten nun endlich dort zahlen, wo sie ihre Gewinne machen.

Am Wochenende haben sich die Finanzminister der G7 auf die Einführung einer weltweiten Mindeststeuer verständigt. Bundesfinanzminister Olaf Scholz bezeichnet den Beschluss als „historisch“. Sie sprechen von einer „Zeitenwende für faire Besteuerung“. Was ist an den Plänen so besonders?

Erstmal ist es wirklich revolutionär, dass sich die G7 auf einen Mindeststeuersatz für weltweit agierende Unternehmen geeinigt haben. Damit wird der Wettlauf nach unten gebremst. Selbst innerhalb der EU gibt es ja keinen einheitlichen Körperschaftssteuersatz, was dazu führt, dass einige Länder, wie etwa Irland, Dumping betreiben und damit Firmenansiedlungen befördern. Nicht weniger wichtig ist ein zweiter Aspekt: Gerade Digitalunternehmen erzielen ihre Gewinne häufig in Ländern, in denen sie keine Steuern zahlen. Deshalb machen wir Sozialdemokraten uns ja schon seit langem für eine Digitalsteuer stark. Auch die Besteuerung der Digitalkonzerne wird mit der Einigung der G7 endlich Wirklichkeit.

Von der globalen Mindeststeuer sollen die 100 größten Unternehmen der Welt betroffen sein. Dazu zählen etwa auch Volkswagen und Siemens. Trifft das nicht die deutsche Wirtschaft?

Wenn Unternehmen wie Volkswagen oder Siemens produzieren, werden sie schon jetzt mit einer Gewinnsteuer belegt. Natürlich gibt es auch für solche Fälle Steuervermeidungsmodelle wie wir sie etwa von Ikea kennen, aber wenn irgendwo eine Fabrik steht, die produziert, unterliegt sie dem Steuersystem des jeweiligen Landes. Im digitalen Bereich ist das anders. Das amerikanische Unternehmen amazon hat seinen europäischen Sitz etwa in Luxemburg, wo der Steuersatz extrem niedrig ist. Die Gewinne werden aber im virtuellen Raum bei Kunden etwa in Deutschland gemacht. Versteuert werden sie aber nicht hier. Das ändert die globale Mindeststeuer.

Die USA gelten als der größte Profiteur einer solchen Steuer. In der EU dürfen Deutschland und Frankreich mit Mehreinnahmen in Milliardenhöhe rechnen. Wer wären die Verlierer?

Von der Besteuerung von Gewinnen im virtuellen Raum profitieren alle Industrienationen, weil hier die Kunden von Google, Facebook und Amazon besonders zuhause sind. In weniger entwickelten Ländern wird dagegen weniger im virtuellen Raum erwirtschaftet. Da müssen wir aufpassen, dass sich die Spaltung zwischen den Industrie- und den Schwellenländern nicht weiter vertieft.

Die Hilfsorganisation Oxfam kritisiert bereits, dass die G7-Staaten auf Kosten ärmerer Länder von der Mindeststeuer profitieren würden.

Die Warnung ist sicher nicht aus der Luft gegriffen. Für mich ist sie aber kein Argument gegen eine Mindestbesteuerung. Sicherlich kann man über einzelne Bemessungsgrundlagen auch nochmal sprechen. Insgesamt helfen wir den ärmeren Staaten aber eher, indem wir dort mehr Investitionen ermöglichen. Das könnte man etwa über einen Kompensationsmechanismus erreichen.

Im Juli treffen sich die Finanzminister*innen der G20. Auf Twitter haben Sie geschrieben, dass sei „die nächste Feuerprobe“ für die globale Mindesteuer. Rechnen Sie hier ebenfalls mit einer Einigung?

Es wird sicher intensive Diskussionen geben. Letztlich haben aber auch hier viele Länder Interesse an solch einer Steuer, etwa China, das ja inzwischen auch einige Digitalkonzerne hat, die Gewinne in anderen Ländern erwirtschaften. Dass im Bereich der Mindestbesteuerung etwas passieren muss, ist daher weitestgehend Konsens.

Wann rechnen Sie mit der tatsächlichen Einführung einer weltweiten Mindeststeuer?

Leider kann ich nicht in die Glaskugel schauen. Nach dieser wirklich wichtigen Einigung vom Wochenende ist aber das Treffen der G20 im Juli aus meiner Sicht ein ganz entscheidendes Ereignis. Wenn es auch hier eine grundlegende Einigung gibt, stehen die Chancen, dass es in nicht allzu ferner Zukunft eine globale Mindeststeuer geben wird, recht gut. Die Umsetzung muss dann auf anderer Ebene erfolgen. Weder die G7, noch die G20 oder die OECD können ja Gesetze machen. Da ist dann die EU gefragt. Das Ganze wird also kein Hundert-Meter-Sprint, sondern eher ein Marathon-Lauf.

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Kommentare

Mindeststeuer

"Weder die G7, noch die G20 oder die OECD können ja Gesetze machen." Das ist richtig erkannt. Bei der ganzen Nachricht handelt es sich allerhöchstens um eine wage Ankündigung - also kein Erfolg für einen Kandidaten.
Nebnbei fragen sich viele Menschen: Warum müssen die nur 15% bezahlen, während mit viel mehr Lohnsteuer abgezogen wird ?

Mindeststeuer

Im weltweiten Ozean des Neoliberalismus (marktextremistischer Kapitalismus) wäre diese Mindeststeuer ein Fortschritt gegenüber der bisherigen Situation.

Objektiv gesehen handelt es sich jedoch um die 'Verabreichung eines Pflasters auf eine verschmutzte Wunde' und keine
'Krebs entfernende Operation'.

Insgesamt gilt nach wie vor: Kapital ist ein scheues Reh. Besser müsste man sagen: Kapital ist ein scheues Raubtier.
Das wäre aber eine Beleidigung - gegenüber dem Raubtier!

Mindeststeuer

Richtig ! Tiere sollte man nicht beleidigen. Deßhalb Räuber statt Raubtiere.
Allerdings wird diese Steuer - so erbärmlich sie sein mag - von Staaten des globalen Nordens erhoben, aber auch im Süden fehlt es an dringend benötigtem Geld. Die Getreide- und Speiseölpreise sind in Westafrika seit Jahresbeginn um 40% gestiegen - was bedeutet das für Menschen die 80% ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgenen ? Schicken wir dann noch mehr Bundeswehr in den Sahel ?
Dringend ist auch die Aufhebung der Impfstoffpatente, nicht nur um den Menschen im globalen Süden zu helfen, sondern auch um zu verhindern daß das Virus dort mutiert und uns in dieser Form dann wieder heimsucht.
Helmut, Du als "Bergpredigtkommunist" kannst das verstehen, aber kommt das auch bei der preußisch-protestantisch geprägten SPD an ? Ich hoffe, daß diese Erkenntnisse sich durchsetzen.

Gilt ohnehin noch lange nicht

wenn man in englischsprachigen Medien liest, erfährt man dort ein wenig präziser, das diese Steuern erst ab Margen von über 10% greifen soll. Amazon hat aktuell offiziell zugegebene Margen von 6,5%.
Selbst wenn dieser "Durchbruch" also unverändert kommt, so wirken im Bedarfsfall genau die gleichen Steuervermeidungsmechanismen die bereits heute Profite in Kosten transformieren.

oha, kann man das irgenwo nachlesen?

schon wieder eine Mogelpackung unseres Kandidaten? das darf doch wohl nicht wahr sein? Ich fasse es nicht, sollte es so sein

"Bergpredigtkommunist"

Danke ! - Ein schöner "Titel" !

"preußisch-protestantisch geprägte SPD" - man darf die Hoffnung nie aufgeben!

Übrigens: Das Richtige, Sozial-gerechte, Solidarische, Ökologische können

'Alle Menschen guten Willens' tun.

Das ist also unabhängig von Bekenntnis oder Glauben.

Beste genossenschaftliche Grüße Helmut Gelhardt

www.kab-trier.de