Gender Pay Gap: Warum der Lohnunterschied auch vom Wohnort abhängt
Frauen in Baden-Württemberg verdienen im Durchschnitt 22,7 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Im bundeweiten Vergleich ist das „Ländle“ damit Schlusslicht aller 16 Bundesländer und liegt über dem gesamtdeutschen Gender Pay Gap von 21 Prozent. Das ist das Ergebnis einer Auswertung des Online-Portals Lohnspiegel.de der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zum Equal-Pay-Day am 18. März. Basis sind die Angaben von mehr als 300.000 Beschäftigten.
In Brandenburg ist die Lohnlücke am kleinsten
Während der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz (22,0 Prozent) und Bayern (21,9) am größten ist, weisen Brandenburg (14,9), Sachsen-Anhalt (15,5) und Berlin (16,4) den geringsten Abstand auf. Eine Erklärung ist für die Forscher des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung ist die ungleiche Verteilung von Arbeitsplätzen im verarbeitenden Gewerbe. Dessen Anteil ist in Süddeutschland – etwa in der Autoindustrie – besonders hoch. Männer sind in diesen meist besser bezahlten Berufen deutlich überrepräsentiert.
Frauen dagegen arbeiten häufiger in schlecht bezahlten Berufen wie Verkäuferin – der Frauenanteil der Befragten liegt hier laut WSI bei 66 Prozent, das Durchschnittsgehalt beträgt 1991 Euro – Physiotherapeutin (Frauenanteil 67 Prozent, Durchschnittsgehalt 2296 Euro) oder Erzieherin (75 Prozent Frauen, Durchschnittsgehalt 2701 Euro).
Teilzeit als Signal für geringeres Arbeitsengagement
Doch auch wenn Frauen und Männer im selben Beruf arbeiten, erhalten sie häufig nicht denselben Lohn wie das WSI ermittelt hat. So verdienen unter Versicherungskaufleuten Frauen 21 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen, bei Bauingenieurinnen und Chemikerinnen beträgt die Lohnlücke 16 bei Köchinnen 15 Prozent. Als Grund geben die Forscher des WSI kürzere Arbeitszeiten und häufigere Erwerbsunterbrechungen von Frauen an.
„Teilzeit und längere Elternzeit werden in den Betrieben häufig abgestraft, da sie als Signal für geringeres Arbeitsengagement gelten“, sagt WSI-Arbeitszeitforscherin Yvonne Lott. Frauen seien davon deutlich häufiger betroffen, da sie noch immer den größten Anteil der Familienarbeit übernähmen. „Eine Mutter auf einer Teilzeit-Stelle macht seltener Karriere“, sagt Lott. Hinzu käme, dass manche Unternehmen Teilzeitarbeit schlechter bezahlten als Vollzeitjobs, obwohl das illegal ist.
Kinderbetreuung ausbauen, Ehegattensplitting überdenken
Der Unterschied im Gender Pay Gap zwischen Ost- und Westdeutschland hat nach Darstellung des WSI aber auch kulturelle Gründe. „In Ostdeutschland sind die Einstellungen zu Geschlechterrollen egalitärer“, sagt Yvonne Lott. Das Bild von der „Rabenmutter“, die ihr Kind in die Kita gibt, um zu arbeiten, sei „ein vornehmlich westdeutsches“. Hinzu kommt, dass in Ostdeutschland das Angebot für die Kinderbetreuung besser sei.
Um die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern zu schließen, empfiehlt das WSI daher neben einem bundesweiten Ausbau der Kinderbetreuung, die partnerschaftliche Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männern weiter zu fördern, etwa durch eine Verlängerung der sogenannten Partnermonate bei der Elternzeit. Auch das steuerliche Ehegattensplitting solle überdacht werden, da es für verheiratete Frauen einen falschen Anreiz schafft, im Zweifel auf eine Vollzeitstelle zu verzichten.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.