Gaspreisdeckel statt Gasumlage: Wie er wirkt, was er kostet
IMAGO/Christian Ohde
Sie ist eines der großen Aufregerthemen dieses Sommers: Die Gasumlage, erdacht von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), um Gas-Importeure nicht auf den deutlich gestiegenen Einkaufspreisen sitzen zu lassen, da ansonsten ein Ausfall der Gasversorgung drohen könnte. Spätestens nach der Entscheidung, den wichtigsten Gasimporteur Uniper zu verstaatlichen, werden die Stimmen lauter, die ein Aus der Gasumlage fordern.
„Ich bin fest überzeugt, dass wir diese Woche zum Ende der Gasumlage kommen“, sagte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken am Sonntagabend im „Bericht aus Berlin“ der ARD. Im ZDF-Format „Berlin direkt“ sagte ihr Co-Vorsitzender Lars Klingbeil, er „habe keinen Zweifel daran, dass wir in der nächsten Woche eine finale Entscheidung zur Gasumlage bekommen werden“. Angesichts der hohen Gaspreise sei ein Verzicht auf die Umlage ein richtiges Signal an Verbraucher und Unternehmen.
SPD-Generalsekretär Kühnert drückt aufs Tempo
Sehr deutlich wurde am Montag SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert nach einer Sitzung des Parteipräsidiums. „Unsere klare Erwartung ist, dass die Gasumlage nicht so zur Anwendung kommt, wie sie vorgesehen ist“, sagte Kühnert. Nach den bisherigen Plänen soll die Gasumlage am 1. Oktober in Kraft treten. Alle Verbraucher*innen und Unternehmen, die Gas beziehen, müssten dann einen Zuschlag von zunächst 2,419 Cent pro Kilowattstunde bezahlen.
Aus Sicht von Kevin Kühnert ist die Gasumlage jedoch nicht mehr notwendig. Es müsse – und werde – eine andere Art der Finanzierung von Einnahmeausfällen gefunden werden, so der SPD-Generalsekretär. „Diese Woche bleibt noch Zeit dafür“, drückte Kühnert auch gleich aufs Tempo und ließ durchblicken, dass sich die beteiligten Ministerien für Wirtschaft und Finanzen bereits in intensiven Gespräche über eine Abschaffung der Gasumlage befänden. „Die Bundesregierung ist in der Lage, Fehler zu erkennen und zu korrigieren. Das passiert gerade“, so Kühnert am Montag.
8000 Kilowattstunden Gas als Energiegrundsicherung
Statt der Gasumlage könnte es bald einen Gaspreisdeckel geben. Den zumindest befürwortete Saskia Esken am Sonntag in der ARD. „Es müssen Preisdeckel her“, forderte Esken im „Bericht aus Berlin“. „Wir müssen die Preise in den Griff kriegen“, sagte die SPD-Vorsitzende. Die von der Bundesregierung Mitte September eingesetzte Expert*innenkommission werde nun schnell Vorschläge vorlegen. „Wir müssen auch bei Wärme und Gas eine Lösung finden, um die Preise zu begrenzen.“
Einen Gaspreisdeckel hatten die Wirtschaftswissenschaftler*innen Isabella M. Weber und Sebastian Dullien bereits im Frühjahr vorgeschlagen. Ein Grundverbrauch von 8000 Kilowattstunden im Jahr würde danach vom Staat subventioniert, sodass Verbraucher*innen nur 7,5 Cent pro Kilowattstunde bezahlen müssten, egal, wie hoch der reale Gaspreis liegt. „Das würde eine Energiegrundsicherung für alle zu bezahlbaren Preisen sicherstellen“, schrieben Weber und Dullien im „Wirtschaftsdienst“ des Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft.
Der Energiesparanreiz bleibt bestehen
Aus Sicht der beiden Wirtschaftswissenschaftler*innen hätte der Gaspreisdeckel gleich mehrere Vorteile: So würden genau die Haushalte entlastet, die mit Gas heizen und so einer besonders hohen Kostenbelastung ausgesetzt sind. Haushalte mit kleinen Wohnungen würden davon prozentual stärker profitieren. Das Gaspreisdeckel würde zudem die Inflationsrate drücken. So würde auch „der Konflikt zwischen den Tarifparteien entschärft ob Firmen oder Beschäftigte die Energiekostenlast tragen müssen“. Und: Da nur der Grundverbrauch subventioniert würde, bliebe der Anreiz zum Energiesparen auch bei einem Gaspreisdeckel bestehen.
Bleibt die Frage, was ein Gaspreisdeckel kosten würde. Um den Gaspreis für Endverbraucher*innen um einen Cent pro Kilowattstunde zu senken, müsste der Staat 2,5 Milliarden Euro aus dem Haushalt zahlen. Das rechnet das Bundeswirtschaftsministerium in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Fraktion der Linkspartei vor. Neukund*innen zahlen je Kilowattstunde Gas zurzeit im Durschnitt 35,2 Cent. Würde der Preis bei 7,5 Cent gedeckelt, müsste der Staat also 27,7 Cent übernehmen.
Um zusätzliche Anreize zu setzen, Energie zu sparen, hatte SPD-Energieexperin Nina Scheer im Sommer bereits einen „Energiesparbonus“ vorgeschlagen. Damit sollen Verbraucher*innen „im Verhältnis zu ihren Einsparungen entlastet werden“. Die Idee: Wer am Ende des Jahres weniger Energie verbraucht hat als im Vorjahr, also Energie gespart hat, soll dafür mit einem zusätzlichen Preisnachlass belohnt werden.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.